Mit der Sanierung der L 94 und der Erneuerung der Infrastruktur steht der Ortsteil Unterharmersbach vor der größten Baumaßnahme in seiner Geschichte. Die Stadt Zell und das Land Baden-Württemberg investieren rund 13,6 Millionen Euro in die Baumaßnahmen, die geplant drei Jahre lang dauern werden und bis Mitte 2020 abgeschlossen sein sollen. Deutlich wurde auch, dass auf die Bevölkerung erhebliche Belastungen und auf die heimischen Geschäfte schwere Zeiten zukommen werden.







Auf dem Podium in der Schwarzwaldhalle hatten an der Seite von Bürgermeister Günter Pfundstein, Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner und Stadtbaumeister Roland Keifel die Vertreter des Regierungspräsidiums Freiburg und des Planungsbüros »Wald & Corbe« Platz genommen. Baudirektor Markus Zink ist der Leiter des Ressorts Straßenwesen und Verkehr in Freiburg, Daniel Guldenschuh ist Dienstellenleiter der Außenstelle Offenburg. Das Büro »Wald & Corbe« aus Hügelsheim war gestern Abend durch Abteilungs-Leiter Dipl.-Ing. Peter Krisamer, Bauleiter Dipl.-Ing. Michael Wunsch und Planer Dipl.-Ing. Gerhard Schulz-Ehlbeck vertreten.
Größtes Bauvorhaben in der Geschichte
»Alle haben die neue Straße gewollt und gewünscht, jetzt wird sie Wirklichkeit«, betonte Ortsvorsteher Hans-Peter Wagner in seiner Begrüßung. Der Belag sei schlecht, die Hauswände verspritzt und die Straße trage den Verkehr nicht mehr, skizzierte Wagner den Jetzt-Zustand. Er bat die Bevölkerung um Mithilfe, dass die Maßnahme gelingt und auch um Unterstützung der heimischen Geschäfte in dieser für sie schweren Zeit. Die Sanierung der Ortsdurchfahrt und der Infrastruktur sei das größte Bauvorhaben in der Geschichte von Unterharmersbach. Dass der Ort so viel Geld vom Land bekomme, so Wagner, sei auch den persönlichen Kontakten zum früheren Ministerpräsidenten Günter Oettinger zu verdanken.
Größte innerörtliche Straßenbaustelle im Land
»Mit größtmöglicher Transparenz wollen wir Ihnen die Ängste und Sorgen vor dem bevorstehenden Großprojekt nehmen«, betonte Bürgermeister Günter Pfundstein und zeigte sich überwältigt von der großen Teilnehmerzahl. Mit Bildern von Oldtimern des Jahres 1910 machte Bürgermeister Günter Pfundstein anschaulich, was in der Gemeinde »im Boden schlummert«. 5,6 Millionen wird der Straßen- und Brückenbau kosten, 8,0 Millionen Euro die Erneuerung der Infrastruktur. Medienwirksam sei die Maßnahme ohnehin, so Pfundstein, denn die Sanierung der L 94 sei im nächsten Jahr die größte, innerörtliche Straßenbaustelle in Baden-Württemberg.
»Heute ist der Startschuss für die Umsetzungsphase«, schwörte Bürgermeister Pfundstein die Bevölkerung auf die »Herkules-Aufgabe« ein. Jetzt brauche es Mut, Zuversicht und vor allem die Mithilfe aller, damit das Projekt gelingen könne: »Wir alle sind gefordert!« Dass dennoch Unwägbarkeiten wie Hochwasser oder eine lange Frostperiode bleiben, könne niemand ausschließen.
Hohe Verkehrsbelastung und weitere Unwägbarkeiten
Mit einigen statistischen Zahlen machte Bürgermeister Pfundstein die hohe Verkehrsbelastung der L 94 deutlich. Auf dem Streckenabschnitt werden täglich 6000 bis 9000 Fahrzeuge gezählt, 90 Lkw fahren täglich zur Stahlanlieferung zur Firma MPG, rund 2500 Langholzwagen transportieren jährlich rund 65.000 Festmeter Stammholz durchs Tal. 900 Einpendler aus Oberharmersbach und 150 Berufspendler nach Oberharmersbach nutzen die L 94.
Noch offen sei eine Sperrung der Bahnstrecke Biberach-Oberharmersbach vom 7. Oktober bis 19. November 2017. Hier, so Bürgermeister Pfundstein, stehe die Stadt in direkten Verhandlungen mit der SWEG, um einen drohenden Schienenersatzverkehr zu verhindern. »Alle Hebel in Bewegung setzen« wolle die Stadt auch, damit in dieser Zeit der Bau von sechs Windrädern auf dem »Hohen Lochen«, Gemarkung Hausach, verhindert wird. Die Zuwegung sei über die L 94 vorgesehen. »Über 800 Lkws innerhalb kürzester Zeit. Das geht nicht!«, zeigte sich Bürgermeister Pfundstein entschlossen.
»Bergfest« mit längsten Zeller Bierbanktisch
Um die Belastungen zu reduzieren, sei es notwendig, dass alle ihr Verhalten ändern, auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, Fahrgemeinschaften bilden oder Erledigungen mit dem Rad oder zu Fuß unternehmen. Bürgermeister Pfundstein dankte der Kirche und dem Kloster sowie Angelika Welle-Männle, die private Flächen für die Umleitungsstrecke zur Verfügung stellen.
Ein besonderer Dank von Bürgermeister Pfundstein galt THW-Landessprecher Walter Nock. Gemeinsam mit seiner Truppe wird er neben der Lindenbrücke eine Behelfsbrücke bauen: »Das THW wird also handeln.« Und auch ein Versprechen hatte das Stadtoberhaupt zur Versammlung gestern Abend mitgebracht: wenn die Hälfte der Bauzeit erreicht ist, werde ein »Bergfest« in der Hauptstraße gefeiert und dazu der längste Biertisch von Zell aufgestellt.
Details der Baumaßnahme erläutert
Bis es zum Bergfest kommen kann, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Die Vertreter des Regierungspräsidiums und des Planungsbüros erläuterten die Details. Die L 94 wird durchgängig auf eine Breite von 6 Metern ausgebaut und erhält auf der Nordseite einen 1,50 Meter breiten Fußweg. Auf der Südseite wird der Fußweg 1,20 Meter oder breiter sein. Fünf barrierefreie Bushaltestellen werden sich später direkt auf der Fahrbahn befinden. Aufgrund der vorgeschriebenen Radien ist die Einrichtung von Haltebuchten nicht mehr möglich.
Erneuert werden die Wasserleitungen und das Schmutz- und Regenwassernetz. Die Breitbandversorgung wird ausgebaut, die Stromversorgung auf Erdkabel und die Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt. Weitere Gasanschlüsse in der Hauptstraße seien möglich, ein Bedarf seitens der Anlieger habe sich aber noch nicht abgezeichnet.
Zwei Kernpunkte der Maßnahmen sind der Neubau der Kaffee-Brücke und der Rössle-Brücke. Die Fahrbahn wird auf 6,50 Meter verbreitert und beidseitige Gehwege mit je 1,50 Meter Breite angebaut. Je Brücke muss jeweils ein Jahr Vollsperrung eingeplant werden.
Insgesamt wird das Projekt L 94 in sechs Bauabschnitten ausgeführt. Beginn ist im Frühjahr 2017. Die Wiesenfeld-Umfahrung muss zwei Jahre lang genutzt werden. Die Fertigstellung dauert insgesamt drei Jahre und ist im Sommer 2020 – was von den Besuchern gestern Abend mit einem Raunen kommentiert wurde.
Auf die Durchfahrt angewiesen
Die Fragen aus dem Publikum betrafen gestern Abend die Ausgestaltung der Umfahrungsstrecke und in dieser Zeit die Sicherheit von Schülern und Fußgängern. »Wir sind auf die Durchfahrt angewiesen«, zeigte sich die Familie Schülli mit dem geplanten Ablauf nicht zufrieden. Sie forderten, dass die Straße schnellstmöglich für den Verkehr geöffnet werde, damit ihr Autohaus und vor allem die Tankstelle wieder erreichbar seien. In Sachen Bushaltestellen auf der Fahrbahn wurde befürchtet, dass dies in Zukunft zu Verkehrsbehinderungen führen werde. Auch die Kostenfrage wurde angesprochen. Abweichungen von 10 bis 15 Prozent nach oben und unten müssten eingeplant werden, lautete die Antwort. Bedenken wurden wegen der »desolaten« Lindenbrücke geäußert. Hier hätte die Überprüfung der Statik ergeben, dass diese die geplanten Lasten aufnehmen könne.
»Die Maßnahme ist insgesamt gut organisiert«, bewertete Bürgermeister Siegfried Huber aus Oberharmersbach. Dennoch werde es bei der Holzanfuhr und Holzabfuhr zu Behinderungen kommen. Er vermutet, dass in der Zeit der Straßensanierung vermehrt auch Holz über die Höhenlage abfließen werde. Dadurch würden auf die unterhaltspflichtigen Waldwegebesitzer zusätzliche Lasten zukommen.