Die Besucher der Bürgerversammlung am Freitagabend erhielten von Bürgermeister Pfundstein einen umfassenden Überblick über die Entwicklungen in der Stadt. Umfangreich war auch die Zwischenbilanz seines ersten Amtsjahres. Und es gab Neuigkeiten: Mit großem Applaus der Anwesenden wurde seine Ankündigung aufgenommen, dass mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit die Drogeriemarktkette »DM« eine Niederlassung in Zell eröffnen wird. Im zweiten Teil des Abends nutzten die Besucher sehr intensiv die Möglichkeit, ihre Ideen und Anregungen zu insgesamt acht Themenschwerpunkten mit einzubringen.



Mit einer – von Bürgermeister Günter Pfundstein gerne – verlorenen Wette begann die Bürgerversammlung am Freitagabend. Trotz des schönen Wetters waren über 400 Bürgerinnen und Bürger in die Ritter-von-Buß-Halle gekommen, um aus erster Hand Informationen über die kommunalen Entwicklungen zu erhalten. »Ich war richtig nervös«, bestätigte das Stadtoberhaupt und zeigte sich dann beim Blick auf die voll besetzten Zuhörerreihen sehr erleichtert: »Ich bin trotz meiner ehrgeizigen Prognose bezüglich der Teilnehmerzahl überwältigt. Zell und sein Ortsteile leben!« Die Wette war verloren: Beim späteren Public-Viewing auf dem Kanzleiplatz wurde das von Bürgermeister Pfundstein zugesagte 50-Liter-Faß Freibier angezapft und binnen kurzer Zeit auch geleert.
Die Bürger auf dem Weg in die Zukunft mitnehmen
Zu Beginn seiner Rede betonte Bürgermeister Pfundstein, dass ihm Transparenz und Offenheit wichtig seien und er alle Bürger »auf dem Weg in die Zukunft mitnehmen wolle«. Sein besonderer Willkommensgruß galt Professor Dr. Peter Dehne von der Hochschule Neubrandenburg, der die Stadt durch das Projekt »Zell2030« begleiten wird. Den Stadt- und Ortschaftsräten bestätigte Pfundstein, dass sie »in der Gegenwart viel für die Stadt tun«.
»Ohne AgilEvent wären wir keine Modellkommune«, bedankte sich Bürgermeister Pfundstein bei den beiden Geschäftsführern Kai Broweleit und Daniel Lehmann. Sie hätten den Anstoß für die Bewerbung gegeben, die dann auch zum Erfolg geführt habe. Jetzt gehöre die Stadt Zell zu acht Städten bundesweit, die nun ein Stadtentwicklungskonzept vom Bund bezahlt bekommen. Dieses Forschungsprojekt sei von unschätzbarem Wert.
Bei der Ausschreibung der Begleitassistenz habe die Firma AgilEvent das wirtschaftlichste Angebot abgegeben und begleite nun das Forschungsprojekt. Verstärkt wird die Begleitassistenz durch Stadtplanerin Kerstin Stern vom Büro Kappes-Ingenieure, die das Stadtentwicklungskonzept und insbesondere das mitbeauftragte Verkehrskonzept als Partner der Firma AgilEvent begleitet.
Wichtig seien auch die 28 Personen, die sich für die Mitarbeit in der Arbeitsgruppe bzw. Szenariogruppe bereiterklärt haben und nun bei der Erarbeitung des Entwicklungskonzeptes mitarbeiten. Bürgermeister Pfundstein: »Jetzt liegt es an uns allen, etwas daraus zu machen«.
Von ganzem Herzen Bürgermeister
Seine Zwischenbilanz nach einem Jahr und genau sieben Tagen im Amt eröffnete Bürgermeister Pfundstein mit einem persönlichen Stimmungsbarometer. Die Frage, ob ihm das Amt Spaß mache, könne er eindeutig beantworten: »Ja, ich bin mit ganzem Herzen und allem, was ich habe, gerne Ihr Bürgermeister.« Dass er immer noch freundlich gegrüßt werde und dass ihn viele positive Rückmeldungen erreichen, gebe ihm Kraft und zeige ihm, dass der eingeschlagene Weg der richtige sei. Das »Wir stehen zusammen«, sei ihm bei seiner Arbeit ganz wichtig. Und auch, dass er lieber zehn Entscheidungen als gar keine treffe, auch auf die Gefahr hin, nicht fehlerfrei zu bleiben.
Bei seiner Arbeit sei es ihm von Anfang an wichtig gewesen, kleine, kostengünstige und gute Ideen schnell umzusetzen. Dabei hätten ihn viele dieser Ideen aus der Bürgerschaft erreicht. »Der Ideenbriefkasten hat sich bewährt.« So konnte Bürgermeister Günter Pfundstein eine ganze Reihe von Veränderungen auflisten, die sich in seinem ersten Amtsjahr ergeben haben. Unter anderem wurden die Öffnungszeiten des Bürgerbüros um dem Samstagvormittag erweitert, ein neuer Fachbereich Stadtmarketing gegründet und der Betriebshof neu organisiert. In der Ortsverwaltung Unterharmersbach kann noch im Juni das im Erdgeschoss neu eingerichtete Büro mit Post und Verwaltung eröffnet werden. Auch die neue Homepage und das neue Logo der Stadt Zell gehören zu den erreichten Neuerungen.
In Auftrag gegeben wurden die IHK-Standortampel, eine Energiepotenzialstudie und das Offenhaltungskonzept. Wichtige Entscheidungen seien die Verlegung des Kriegerdenkmals gewesen, die Ersteigerung der Tennishalle mit Gebäudeteilen und die Unterbringung von derzeit 190 Flüchtlingen in Zell und Unterharmersbach. Für sozial schwache Familien wurde eine Kleiderkammer eingerichtet. Der Gemeindevollzugsdienst wurde wieder aktiviert. Im Winter wurden eine ganze Reihe von Bäumen im öffentlichen Raum gefällt – Nachpflanzungen sind im kommenden Herbst geplant.
Wieder Krippenausstellung im Fürstenberger Hof
Als wichtige Projektzusagen im vergangenen Jahr wertete Bürgermeister Pfundstein die Auswahl der Stadt Zell als Modellkommune durch das Bundesbauministerium. Ebenso die Zusage des Sammlers Paul Chaland zu Weihnachten 2016 nochmals eine Krippenausstellung im Fürstenberger Hof zu bestücken. Dann werde es wegen der Sanierung der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach eine Zwangspause geben. Die Deutsche Telekom hat den Ausbau der Breitband-Versorgung für die Rufnummer 07835 bis Februar 2017 auf 50 bis 100 Mbit zugesagt.
Als herausragende Maßnahmen konnte Bürgermeister Pfundstein die Vorbereitungen zur Sanierung des Rundofens, die Fertigstellung des Abwasserkanals Oberentersbach und des Multifunktionsplatzes in Unterentersbach auflisten. Ebenso den Abschluss des City Commitments zwischen der Stadt und dem Handels- und Gewerbeverein. Die geplante touristische Zusammenarbeit der Brandenkopf-Region mit Gengenbach bezeichnete Pfundstein als »historisch«. Eine Jahrhundertchance sei der Kauf des Geschäftshauses der Metzgerei Meier für die Rathauserweiterung gewesen.
Startschuss für ein neues Verkehrskonzept
Teilweise sei er sich in den zurückliegenden Monaten wie ein Immobilienmakler vorgekommen, bestätigte Bürgermeister Pfundstein. Die Stadt habe eine Reihe von Gebäuden für die Entwicklung im Stadtzentrum und entlang der L 94 gekauft. Damit seien noch keine Vorentscheidungen für die künftige Verkehrsführung getroffen, wenngleich sich die eine oder andere Lösung bei objektiver Betrachtung geradezu aufdränge. Deshalb sehe er die Bürgerversammlung als einen Startschuss für ein neues Verkehrskonzept mit dem Ziel, die Hauptstraße zu entlasten und die Innenstadt für Fußgänger und Radfahrer attraktiver zu machen.
Klar sei auch, so Bürgermeister Pfundstein, dass jeder Bypass an anderer Stelle neue Betroffenheiten mit sich bringe. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile müssten neue Lösungen von einer Mehrheit getragen und dürften nicht von einer Minderheit verhindert werden. »Wenn wir jetzt die noch vorhandenen Möglichkeiten nicht nutzten, ist eine Lösung für alle Zeiten im wahrsten Sinne verbaut«, befürchtete Bürgermeister Pfundstein.
Hauserwerb für eine künftige Verkehrsführung:
Kernstadt Zell a. H.
Hauptstraße Unterharmersbach
Hohe Fixkosten belasten den Haushalt der Stadt Zell
Dem Blick in die Zukunft stellte Bürgermeister Pfundstein eine Darstellung der Finanzlage der Stadt Zell voran. »Zell geht es derzeit finanziell gut. Die Wirtschaft floriert«, stellte Pfundstein fest und schränkte ein: »Die Stadt leistet sich zu hohe Fixkosten.« Hinzu komme ein hohes Anspruchsdenken, das von kostenfreiem Parken bis hin zur kostenlosen Nutzung der Hallen und Plätze reiche. Es gehe ihm dabei nicht darum, dass alles wegfallen solle. Aber er wolle mehr Kostentransparenz und damit vor allem zum Nachdenken und zum Sparen anregen.
Das Stadtoberhaupt zeigte sich sicher, dass auch wieder finanziell schwierigere Zeiten kommen. Während der Finanzkrise 2009 flossen nur rund zwei Millionen Euro in die Stadtkasse, 2015 waren es aufgrund von Einmaleffekten und großen Nachzahlungen 8,3 Millionen Euro. Bei der Einwohnerzahl liegt Zell auf Platz 13 im Ortenaukreis, bei der aktuellen Steuerkraftsumme rückt die Stadt auf Platz 9 vor. »Dies zeigt, wie kraftvoll und finanzstark wir derzeit sind«, bilanzierte Pfundstein.
Die Rücklagen der Stadt betragen ca. zehn Millionen Euro, die Pro-Kopf-Verschuldung liegt mit 724 Euro 153 Euro unter dem Landesdurchschnitt. Allerdings habe die Stadt Zell zu hohe laufende Unterhaltungs- und Sachkosten. Diese müssten gesenkt werden, damit man in Zukunft mehr investieren könne.
Eine Win-Win-Situation für die Stadt und die Keramik
Der Blick in die Zukunft war geprägt von mehreren Großprojekten. Die Fertigstellung der Mensa wird schon im Herbst 2016 erfolgen. Die Erneuerung der Heizungsanlage der Ritter-von-Buß-Schule wird in drei Bauabschnitten durchgeführt und beginnt dieses Jahr mit der Schaffung eines Gasanschlusses.
Für die Sanierung des Rundofens hat die Stadt Zell weitere 700.000 Euro Fördermittel erhalten. Dieses schlafende Industriedenkmal müsse nun endlich wachgeküsst werden. Außerdem bestehe damit die einmalige Chance, die Zeller Keramik am alten Standort wieder anzusiedeln. Daraus könne ein »touristisches Juwel« entstehen, das zur Stärkung der Innenstadt und zur Sicherung von ca. 30 Arbeitsplätzen in Zell beitrage. Die Keramik würde die Betreibung der Ausstellung im Rundofen übernehmen und damit die Stadtkasse sogar erheblich entlasten. Für die Keramik würde der Rundofen, in seiner Art einzigartig in Europa, eine weitere Attraktion darstellen. Dies sei eine »Win-Win-Situation« und keine Subventionierung der Zeller Keramik, stellte Bürgermeister Pfundstein klar. Ehrgeiziges Ziel sei es, mit der Sanierung des Rundofens zur Jahreswende beginnen zu können. Eine Projektstudie des Architekturbüros Lehmann aus Zell zeigte, wie eine künftige Bebauung des Rundofenareals aussehen könnte.
Untertorgebäude steht zur Disposition
Den Beginn der Sanierung des Rathauses sieht Bürgermeister Pfundstein Ende 2018, Anfang 2019. Durch den Kauf der Metzgerei Meier sei das Untertorgebäude für die städtischen Planungen sogar verzichtbar und könnte verkauft werden.
Rund fünf Millionen Euro wird die Sanierung der Ortsdurchfahrt Unterharmersbach die Stadt Zell kosten. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 10 bis 11 Millionen Euro. Das Land übernimmt den Straßenneubau und den Bau der beiden Brücken. Die Stadt Zell muss für die Gebäudekäufe, den Gehweg, die Straßenbeleuchtung und den Regen- und Schmutzwasserkanal aufkommen.
Gleichzeitig kann auch die Wasserversorgung für die Gesamtstadt verbessert werden. Die Investitionen werden aber auch zu einer Erhöhung der Wasser- und Abwassergebühren führen. Der Gesamtpreis je Kubikmeter beträgt
in Zell aktuell 3,57 Euro, in den Kinzigtalgemeinden im Schnitt bei 4,12 Euro.
Nicht aus den Augen verlieren werde er den Bau einer reinen Sporthalle, so Bürgermeister Pfundstein. Realistisch betrachtet könne ein solcher Neubau aber noch acht bis zehn Jahre dauern. Dies hänge aber auch stark von der Entwicklung der Finanzen ab. Klar sei dabei schon heute, dass sich die Stadt nicht den Unterhalt von drei großen Hallen leisten könne.
Der Marktführer will sich in Zell niederlassen
Generell müsse bei allen Entscheidungen geklärt werden: Was ist in der Bürgerschaft mehrheitsfähig, gibt es einen Bedarf für eine bestimmte Lösung und ist die Lösung mit Folgekosten finanzierbar?
Zum positiven Stimmungsbild in der Stadt Zell würden auch große Investitionen von privater Seite beitragen, die in nächster Zeit getätigt werden. Bürgermeister Pfundstein gab bekannt, dass das Geschäftshaus Singler in der Innenstadt seinen Besitzer gewechselt habe. Zu 95 Prozent sei auch sicher, dass im Jahr 2018 eine Filiale der Drogeriemarktkette »DM« eröffnet wird. »Der Branchenführer will nach Zell«, kündigte Bürgermeister Pfundstein unter dem Applaus der Zuhörer an.