Das Forschungsprojekt »Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen« ist am Mittwoch und Donnerstag nun offiziell gestartet. Zwei Tage war eine Delegation der Hochschule Neubrandenburg vor Ort, um die Stadt kennenzulernen und den weiteren Ablauf abzustimmen. Neben verschiedenen Treffen fand auch ein Stadtrundgang statt. Am gestrigen Donnerstagnachmittag fand sich erstmals das Projektteam zusammen. Ziel ist es, in den kommenden zwei Jahren ein tragfähiges, realisierbares Stadtentwicklungskonzept mit der Zukunftsvision »Zell 2030« zu erarbeiten.
Zell ist eine von bundesweit acht Städten, die vom Bundesbauministerium für das Forschungsprojekt im
vergangenen Jahr ausgewählt wurden (wir berichteten schon mehrfach). In Deutschland gibt es 918 Kleinstädte mit 5000 bis 20.000 Einwohner. 76 von ihnen haben sich um eine Teilnahme für das Forschungsprojekt beworben, 12 kamen in die engere Auswahl, acht wurden bei der Endausscheidung ausgewählt. Neben Zell a. H. sind dies die Städte Bad Lobenstein, Beverungen, Großschönau, Kastellaun, Malente, Mücheln und Rodewisch. »Ich bin froh, dass wir bei der Endauswahl erfolgreich waren und dass es nun startet«, freute sich Bürgermeister Günter Pfundstein und stellte fest: »Ich bin riesig gespannt, was auf uns zukommt!«
Mit den Bürgern vor Ort Wissen entwickeln
Betreut werden die einzelnen Kommunen von einer sogenannten »Forschungsassistenz« von der Hochschule Neubrandenburg. Geleitet wird die Gruppe von Professor Dr. Peter Dehne, der sich an der Hochschule mit Baurecht und Bauplanung sowie mit dem demografischen Wandel, Veränderungen im ländlichen Raum und der Daseinsvorsorge auf regionaler Ebene befasst. Dr. Jens Hoffman ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule. Außerdem gehören Assistentin Heidrun Hiller und Christiane Redlefsen dem Begleitteam an. Letztere betreut vor allem das Jugend-BarCamp.
»Wir wollen nicht als Forscher auftreten, sondern in Koproduktion mit den Bürgern vor Ort Wissen entwickeln«, betonte Professor Dehne beim Pressegespräch am Mittwochmittag im Zeller Rathaussaal. Letztlich gehe es darum, dem Ministerium Empfehlungen zu geben, wo und in welcher Art in Zukunft Städte dieser Größe gefördert werden können und wie man mit den Problemen vor Ort umgehen muss. »Unsere Arbeit ist ein Teil direkter Politikberatung.«
Projekt dauert bis 2018
»Die Planungen werden nicht ausschließlich für Zell erarbeitet«, betonte Professor Dehne. Es werde einen intensiven Austausch mit den anderen beteiligten Städten geben, um so die Zukunftsfragen in einen Konsens zu bringen. Zell wird somit Teil eines Netzwerkes von acht Kleinstädten. Es wird jedes Jahr zwei Erfahrungswerkstätten geben, bei denen man sich gegenseitig austauscht.
Um Visionen und Ziele für »Zell 2030« zu entwickeln, werden insgesamt sechs Szenario-Werkstätten durchgeführt. »Dabei kann und soll auch quergedacht werden.« Nicht nur ein Bild, sondern mehrere Bilder der Zukunft sollen entwickelt werden. »Wir wollen Kreativität«, betonte Dr. Jens Hoffmann. Letztlich gehe es darum zu überlegen, was man heute tun könne, um erfolgreich in der Zukunft anzukommen. Die Forschungsassistenz gibt dabei das methodische Rückgrat, bietet Orientierung und Hilfestellung.
Zell bietet gute Rahmenbedingungen
Zell am Harmersbach war die siebte der insgesamt acht teilnehmenden Städte, die das Team der Hochschule im Zuge des Modellprojekts inzwischen bereist hat. Überall gebe es Ähnlichkeiten aber auch sehr viele Unterschiede. Die Herausforderungen, wie beispielsweise der Trend der Bevölkerungsabwanderung in die großen Städte, würden alle betreffen. »Man findet in allen Kleinstädten Besonderheiten und Stärken«, sagte Professor Dehne und zeigte sich sicher: »Potenzial ist immer da!«
Der Stadt Zell bescheinigten die Wissenschaftler bei ihrem ersten Kennenlernen gute Rahmenbedingungen. Allerdings sei es fast schwieriger, aus einer guten Situation heraus zu überlegen, welche Bilder man für die Zukunft entwickeln wolle. Letztlich bleibe die Frage: »Wo geht es hin?«
Jugend und Zukunft ist untrennbar
Ein zweites Treffen am Mittwoch wurde gemeinsam mit dem Jugendgemeinderat und Schülervertretern des Bildungszentrums abgehalten. Dabei ging es darum, das Jugend-BarCamp vorzubereiten. »Zukunft und Jugend sind untrennbar miteinander verbunden«, unterstrich Christiane Red-lefsen, wie wichtig es sei, die Jugendlichen in diesen Denkprozess mit einzubinden.
Dem Stadtrundgang am Donnerstagvormittag folgte am Nachmittag die erste »Szenario-Werkstatt« im Kulturzentrum »Obere Fabrik«. Dem Aufruf der Stadt waren 28 Bürger gefolgt, die sich freiwillig in das Forschungsprojekt einbringen wollen. »Die Gruppe ist bunt gemischt und es sind viele neue Gesichter dabei«, freute sich Bürgermeister Günter Pfundstein über die gute Resonanz. Unter den 28 Teilnehmern befinden sich auch vier Vertreter des Gemeinderats sowie zwei Vertreter der Stadtverwaltung. Nach der persönlichen Vorstellung zeichneten die Teilnehmer ihre Bilder, was für sie an Zell besonders wichtig ist und wo sie Defizite sehen.
Als Begleitagentur vor Ort wird die Firma AgilEvent den Prozess am Laufen halten, organisatorische Arbeiten übernehmen und Ergebnisse dokumentieren und darüber berichten. Die Zukunftsbilder werden ausformuliert und in die Stadt getragen. »Kern dieser gemeinschaftlichen Stadtentwicklung ist die Kommunikation auf einer breiten Bevölkerungsbasis«, betonte Professor Dehne.
Deshalb wird es in Zella. H. Ende Mai/Anfang Juni eine Bürgerversammlung geben. Die große Jugend-Veranstaltung steht im Juli auf dem Programm. Bereits am 30. und 31. Mai 2016 steht ein erster Erfahrungsaustausch zwischen den teilnehmenden Städten in Bad Lobenstein auf dem Programm. Dabei wird auch ein Zukunftsforscher über technologische Trends der »Industrie 4.0« referieren.
Die Szenario-Werkstatt 2 und 3 wurde auf den 14. und 15. Oktober 2016 festgelegt. Dann geht es weiter darum, Visionen für die Zukunft von »Zell 2030« zu entwickeln.