„Gibt es sogenannten ,Rammelplatz‘?“

Kirchliche Obrigkeit wachte über einen religiösen und sittlich einwandfreien Lebenswandel der Bevölkerung.

In früheren Zeiten schien die kirchliche Obrigkeit allgegenwärtig. Unterstützt von mitunter hellhörigen und wachsamen Zeitgenossen vor Ort, schickte sich die Erzdiözese Freiburg an, jeden Lebensbereich zu überwachen und zu kontrollieren. Nicht nur dem nach außen gezeigten religiösen und sittlich einwandfreien Lebenswandel der Bevölkerung wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt, auch Verstöße gegen die Sonntagsruhe sollten nach Freiburg gemeldet werden.

Um 1950 gab es in der St. Gallus Pfarrei Oberharmersbach das eher lose organisierte „Katholische Männerwerk“ (1951: 18 Mitglieder), das von Zeit zu Zeit einen ausgefüllten Fragebogen als „Rapport“ an die Diözese schickte. Ein solcher Fragebogen aus dem Jahre 1951 beleuchtet schlaglichtartig die „heile Welt“ der damaligen Gemeinde, zumindest was im vorliegenden Fragebogen als wichtig und richtig aufgeführt wurde.

Damals zählt die Gemeinde 2180 Einwohner, in der neben der überwiegend katholischen Bevölkerung Protestanten (130) und „Ungläubige“ (12, nicht näher definiert) separat gelistet sind. Die soziale Schichtung erwähnt 214 Bauern (95 große sowie 119 mittlere und Kleinbetriebe). 75 selbständige Handwerker, 22 Angestellte (Post, Bahn) und 10 Beamte (Gemeinde) runden das Berufsbild ab.

Die Bedeutung des Sonntags nimmt eine herausragende Stellung ein. 95 Prozent der männlichen und 99 Prozent der weiblichen katholischen Bevölkerung besuchen den sonntäglichen Gottesdienst, nur die Nachmittagsandacht fällt mit 10 bis 15 Prozent deutlich ab. Bei den Protestanten gibt der Fragebogen als Schätzung 30 bis 40 Prozent der Männer und 55 bis 60 Prozent der Frauen als regelmäßige Gottesdienstbesucher an.

Der Arbeitsruhe am Sonntag gilt besondere Aufmerksamkeit. „Nur von 2 bis 3 Personen“ werde dagegen verstoßen (unter anderem falle ein Betrieb darunter, der „hier vorübergehenden Aufenthalt genommen hat“), so die Auskunft. Ohne Not werde auch nicht in „Heuet und Ernte“ gearbeitet, und es werde „beim Pfarrer noch um Erlaubnis gefragt, aber nur teilweise.“

Tanzveranstaltungen waren damals selten, nur alle sechs bis acht Wochen luden die einheimischen Wirte dazu ein. Diese Termine seien „mittelmäßig“ besucht, aber, so wird darauf hingewiesen, darunter befänden sich auch Jugendliche unter 18 Jahren. Auf die Zusatzfrage, ob sich die Ortspolizei hier richtig verhalte, muss das Katholische Männerwerk eher hilflos oder kleinlaut angeben: „Es fehlen die ausführenden Vollzugsorgane.“

Feste und Feierlichkeiten waren damals noch selten, aber Sportveranstaltungen schienen manchen ein Dorn im Auge zu sein. Ob dadurch der Gottesdienstbesuch unmöglich gemacht würde und ob Jugendliche beiderlei Geschlechts beisammen seien? Beides wird ohne Einschränkung verneint und auch bei der Frage nach der „Gesinnung der Vereinsvorstände Sport, Gesang, Musik“ folgt die Entlastung unmittelbar: „Gesinnung nicht zu beanstanden“.

Abschließend folgt ein Punkt: „Sonntagssünden“. Die Frage, ob es sonntags „bestimmte Ausschreitungen resp. Strafvergehen an Sonntagen zu verzeichnen“ seien, wird knapp beantwortet: „Nein, jedoch Nachtschwärmerei“.

Und die Verantwortlichen in der Diözese wollten es damals wohl noch genauer wissen: „Gibt es in Ihrer Gegend sog. „Rammelplatz“, d.h. eine einsame Wirtschaft, Waldschenke pp., in die die Jugend aus der ganzen Gegend sich am Sonntag begibt und wo allerhand Übles getrieben wird?“ Ein knappes Nein gilt der Beruhigung der neugierigen kirchlichen Gemüter…

Und zum guten Schluss fällt dem Katholischen Männerwerk sicher ein Stein vom Herzen, dass es die Fragen, wie man „überhandnehmender Sonntagsarbeit steuern“ oder „übertriebener Vergnügungssucht bekämpfen“ könne, mit drei knappen und dennoch vielsagenden Strichen zufriedenstellend beantworten kann…

 

Begrüßung: Eine der wenigen Feiern war schon in den ersten Nachkriegsjahren der Willkommensgruß an den Monat Mai von Katzenschrofen aus.