Die Miliz- und Trachtenkapelle Oberharmersbach begeisterte mit Filmmusik-Klassikern. Die Reichstalhalle wurde zum Kinosaal.



„Ein Konzerterlebnis für die gesamten Familie“ hatte das Programm unter dem Titel „Cinephonic“ vorab versprochen. Filmmusik vom Live-Orchester in einem außergewöhnlichen Ambiente, das mit seinem bunten Mix aus Strandparty und Kinoflair – inclusive Popcorn und Cocktails – die Konzert besucher in der vollbesetzten Reichstalhalle empfing. Die erwartungsfrohe Anspannung im Publikum entlud sich im reichen Begrüßungsapplaus, als die Musikerinnen und Musiker ihre Plätze auf der Konzertbühne einnahmen.
Bereits mit dem musikalischen Auftakt zog das Ensemble unter der Leitung von Dirigent Rüdiger Müller das Publikum auf seine Seite: Die knallige „Twentieth Century Fox Fanfare“ – Erkennungsmelodie zahlreicher Leinwandepen – zeigte sogleich die beiden großen Trümpfe der Miliz- und Trachtenkapelle: die musikalische Qualität und ein sich Bahn brechendes ansteckendes Lebensgefühl. Dazu die Vielseitigkeit eines Ensembles voller Solisten, deren Spielkunst jederzeit Akzente zu setzen vermag. Das somit entstehende beachtliche Klangspektrum konnten die Zuhörer bei der Ouvertüre zu „Die Schöne und das Biest“ bestaunen.
Der Dirigent als subtiler Ästhet
Durch das Programm führte Flötistin Alisa Jilg und spickte ihre Moderation mit einer gehörigen Portion Wissenswertem, etwa über Wahrheit und Legende von Robin Hood. „Folgen Sie uns in den Sherwood Forest!“ tönte es aus den Lautsprecherboxen, bevor das Hornregister mit samtenen Klängen die Titelmelodie von „Robin Hood – König der Diebe“ einleitete. Das melodiöse Motiv, das für die Liebe des Helden zu ‚Maid‘- bzw. ‚Lady‘ Marian steht, hatte seinerzeit Rock-Superstar Bryan Adams derart fasziniert, dass er es für seinen späteren Welthit „Everything I do, I do it for you“ verwendete.
Wiederholt klangen das Motiv und seine Variationen in den einzelnen Instrumentengruppen auf – besonders schön, wenn Oboe und Querflöte aufspielten. Dirigent Müller agierte hier nicht als „Anheizer“ mit weit ausholender Gestik, sondern als subtiler Ästhet, bei dem Ausdruck und Plastizität oberste Priorität haben. Unter den Beifall der Zuhörer mischten sich die ersten „Bravo“-Rufe.
Wenn das Orchester dem Dur-Gipfel zustrebt
Für die monumentale Science-Fiction-Saga „Star Wars“ könne sie sich nicht begeistern, sagte Alisa Jilg mit bewunderns werter Ehrlichkeit, was im Publikum hörbar auf geteilte Meinungen stieß. Einigkeit herrschte indes über den mustergültigen Soundtrack, der mit dem vortrefflichen Arrangement für Blasorchester des niederländischen Komponisten Johan de Meij einen ungeahnten Facettenreichtum offenbarte.
Dirigent Müller zeigte sich dabei einmal mehr als Meister des Einfädelns, wenn er etwa ein Crescendo anlegt und das Orchester dem Dur-Gipfel zustrebt oder die Schlagwerker mit Wucht und Feingefühl zugleich ins Zentrum des Geschehens rücken. Das tat an diesem Konzertabend seine Wirkung und hat die „Sternenkrieger“ Fan-Community sicherlich besonders gefreut, gilt der 4. Mai doch als „offizieller“ Star Wars-Feiertag. Riesenapplaus erfüllte die Reichstalhalle.
Schillernde Bläserornamente und rhythmisches Feuerwerk
Als episodenhaftes Medley wurden danach die musikalischen Highlights aus verschiedenen Disney-Filmklassikern dargeboten, wobei man die Abenteuer von Mary Poppins, Peter Pan, Mogli, dem Dschungelkind und Bär Balu bis zu den Helden aus „König der Löwen“ Revue passieren lassen konnte. Die schnellen Stil- und Tempowechsel, die schillernden Bläserornamente und das rhythmische Feuerwerk sorgten für ein perfektes Swing- und Party-Feeling.
Opulente Kinomelodramen und Spezialeffekte waren keine Kennzeichen der so genannten Italo-Western der 1960er- und 1970er Jahre. Kultregisseur Sergio Leone setzte vielmehr auf Kargheit, Prägnanz und Charakterköpfe. Ein Stück weit auch das Credo des Komponisten Ennio Morricone, dessen Musik wesentlich dazu beitrug, dass Filme wie „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Für eine Handvoll Dollars“ oder „Zwei glorreiche Halunken“ heute Kultstatus genießen. Selbst wer keinen der „Spaghetti-Western“ gesehen hat, kennt oft die Titelmelodien.
Das virtuos eingesetzte und rhythmisch geprägte Musizieren der Kapelle, der Kontrast zwischen der orchestralen Wucht und dem melancholisch schwebenden Fluidum riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Dazu beigetragen hat auch Anja Lehmanns markante Sopranstimme, die selbst in den Höhen und vor dem Hintergrund eines über siebzigköpfigen Ensembles makellos erklang.
Ein musikalisches Juwel mit Wiedererkennungswert
Gehört James Camerons Kino-Blockbuster „Titanic“ zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten, so belegt auch der Soundtrack des Komponisten J.K. Horner in puncto Verkaufszahlen und Popularität seit 1997 weltweit Spitzenplätze. Der mit einem Oscar prämierte Film-Song „My heart will go on“ von Céline Dion wurde zum Balladen-Evergreen.
Der klare Ensembleklang und die ungebrochene Spielfreude der Musikerinnen und Musiker auf der Bühne schufen eine stimmige Interpretation, die perfekt die Balance hielt zwischen dramatischem Melos und musikalischem Schwung. Ein wunderbarer Ausklang des Programms. Stehende Ovationen, Jubel und der Wunsch nach einer Zugabe.
Dirigent Müller outete sich augenzwinkernd als Fan der Miss Marple-Filme nach den Kriminalgeschichten von Agatha Christie. Die Titelmelodie der vier Episoden mit der Filmschauspielerin Margaret Rutherford ist ein musikalisches Juwel und hat mit der genialen Mischung von Rokoko- und Vaudeville-Elementen einen hohen Wiedererkennungswert. Das eingängige Stück gab allen Instrumentengruppen Gelegenheit, noch einmal ihre Brillanz zu unterstreichen.
Begeistert aufgenommen wurde auch die zweite Zugabe „Moment for Morricone“ mit der fantastischen Stimme von Anja Lehmann.
Orchestervorstand Bastian Boschert dankte abschließend allen, die zum Gelingen des „Cinephonic“-Abends beigetragen und für die Bewirtung der Besucher gesorgt hatten. Ein besonderer Dank erging an die Gastmusikerinnen Julia Bach (Quer- und Piccoloflöte) und Sonja Müller (Oboe und Englischhorn).