In immer kürzeren Abständen zeigen Nachrichten Bilder von Katastrophen, die sich in Zeiten des Klimawandels offensichtlich häufen. Dürremonate mit Ernteausfällen und Bränden, Stürme mit deutlichen Ausprägungen zu Tornados und vor allem Überschwemmungen, vor denen kaum ein Ort sicher sein kann, lassen auch für unsere Region Schlimmes befürchten.



Der Schock von 2016
Die Bilder aus Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) Ende Mai 2016 schockierten. Aus einer sich nur langsam bewegenden Gewitterzelle fielen in kurzer Zeit enorme Niederschlagsmengen und sorgten für verheerende Überflutungen. Trotz allem hatte der übelst getroffene Ort Glück im Unglück: Es gab dort nur materielle Schäden, allerdings in einer Höhe von rund 47 Millionen Euro.
Die Katastrophe von 2021
Ganz anders im Ahrtal Mitte Juli 2021: Auch hier waren Gewitterniederschläge die Ursache für die wohl größte Flutkatastrophe der vergangenen Jahrzehnte. Bisher nicht gekannte Pegelhöchststände an den Flüssen potenzierten vorangegangene Schreckensmeldungen. 200 Hektar überflutetes Gelände, 500 Gebäude zerstört, 3.000 Häuser beschädigt (rund 75 Prozent jener Region), die komplette Infrastruktur zerstört – und über 130 Tote. Es wird Jahre dauern, bis die Spuren der Flut beseitigt sind. Die Narben werden bleiben – und die Furcht vor einer neuerlichen Flut.
Fehler der Vergangenheit
Nicht erst seit diesen Ereignissen ist das Thema Hochwasserschutz in aller Munde. »Jahrhunderthochwasser«, Rückhaltebecken, Überschwemmungsgebiete, Rückbau der Flächenversiegelung tauchen immer wieder als Schlagwörter auf. Mögliche Fehler der Vergangenheit rächen sich unerbittlich, wenn wetterbedingte Besonderheiten zusammenkommen und katastrophale Auswirkungen zeitigen.
Jahrhundert-Fluten
Auch das Harmersbachtal wurde immer wieder von Hochwasserkatastrophen, so genannten »Jahrhunderthochwasser«, heimgesucht. In einem Bericht aus dem Jahre 1935 werden für einen relativ kurzen Zeitraum drei für die damalige Zeit verheerende Fluten erwähnt: Oktober 1882, Frühjahr 1896 und Weihnachten 1919, ohne ein genaueres Datum oder entsprechende Schäden anzuführen.
Trotz aller jeweiligen Folgen für die unmittelbar Betroffenen, deren Hab und Gut zum Teil empfindlichen Schaden genommen hat, blieb es im Vergleich zu den jüngsten Flutkatastrophen in unserer Republik hier im Tal bei vergleichsweise geringen Schäden. Das Hochwasser vom Dezember 1991 hat aber gezeigt, dass die Skala der Zerstörung nach oben offen ist, zumal beim Zusammentreffen widriger, natürlicher Umstände.
Rückblende 1991
Wie gewohnt in der Adventszeit trifft man im Dezember 1991 Vorbereitungen für die anstehenden Festtage. Christbäume werden gekauft, Musiker und Sänger proben eifrig für ihre großen Jahreskonzerte am 2. Weihnachtsfeiertag beziehungsweise am Neujahrstag.
Seit einigen Tagen herrscht Frost. In der Nacht von Freitag auf Samstag (20./21. Dezember 1991) beginnt es zu schneien. Auf den Höhen liegen bald 25 Zentimeter Schnee. Hoffnung auf eine weiße Weihnacht keimt auf. Am Samstagnachmittag aber beginnt es zu regnen, immer heftiger. Der Oberharmersbacher »Wetterfrosch« Severin Heisch, seit Jahr und Tag verlässlich mit Wetterdaten beschäftigt, misst in den folgenden 24 Stunden 108 Liter (Millimeter) pro Quadratmeter, die jemals höchste aufgezeichnete Menge für diesen Zeitraum.
Starkregen und Schneeschmelze
Auf die Gemarkungsfläche umgerechnet ergibt dies rund 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser. Der Schnee schmilzt rasch dahin und vergrößert die Wassermenge. Der gefrorene Boden lässt nichts versickern. Und so läuft alles zusammen in den Seitenbächen, deren Pegel rasch ansteigen und die letztendlich in den Talbach münden, der schon, vom hinteren Zuwald kommend, enorme Wassermengen mit sich führt. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Alarm mitten in der Nacht
Als in der Nacht zum Sonntag um 2.41 Uhr Sirenenalarm die Bevölkerung aus dem Schlaf reißt, sind seit geraumer Zeit etliche Feuerwehrleute im Einsatz, um dem Wasser zu wehren. Sie pumpen Keller leer und versuchen, das über die Straße fließende Wasser rasch abzuleiten. Es regnet in Strömen, das Schmelzwasser ist ein zusätzliches »Wasserreservoir«. Der Einsatz der Feuerwehr scheint ohne Wirkung.
Von der Außenwelt abgeschnitten
Am Morgen des 4. Adventssonntags bietet sich ein Bild der Verwüstung. Die kleinen Rinnsale in den Seitentälern tosen als reißende Bäche talwärts. Nahezu an allen Stellen ist der Harmersbach über die Ufer getreten, Talstraße und Talbach sind eins. Zeitweise ist Oberharmersbach von der Außenwelt abgeschnitten, talabwärts geht nichts mehr, die L94 über den Löcherberg ist ebenfalls gesperrt. Nur die Nebenbahn Oberharmersbach-Biberach verkehrt ungestört.
Klaffende Lücken, meterhohes Geröll
Zahlreiche Keller sind geflutet, Brücken und Wehre weggerissen, Bachmauern und Uferbefestigungen unterspült, die Straßen in den Seitentälern wegen aufgerissener Schwarzdecken oder Erdrutschen streckenweise unpassierbar. Die Wasserleitung ist mehrfach gebrochen, dafür hat die Flut etliche Teilstücke von »Teucheln« (der Länge nach aufgebohrte Fichtenstämme, die miteinander verbunden früher über kurze Strecken Trinkwasser transportierten) »ausgegraben«. An manchen Stellen haben reißende Bäche ihr Bett bis auf den blanken Fels tiefer gelegt, an anderer Stelle meterhoch Geröll angehäuft.
Hilfe von auswärts
Helfende Hände gibt es genügend, und die sind bitter nötig. Die heimische Wehr wird von auswärtigen Kräften unterstützt, Firmen stellen Bagger zur Verfügung, das THW ist mit schwerem Gerät vor Ort. Gegen Mittag hat die Flut ihren Scheitelpunkt überschritten, der nachlassende Regen entschärft die Situation merklich. Tags darauf ist die Straße nach Zell wieder passierbar, bis Weihnachten ist die Wasserleitung provisorisch repariert.
Vier Millionen Mark Schaden
Die Aufnahme der Schäden dauert, und diese sind beträchtlich. Dennoch: Es bleibt bei materiellen Schäden, für den einen oder anderen Betroffenen schlimm genug. Auf rund vier Millionen Mark wird der Schaden schließlich beziffert. Allein kann die Gemeinde dieses Schadensereignis nicht tragen. Finanzielle Hilfe kommt anteilig vom Wasserwirtschaftsamt, um die Schäden an den Ufern der Fließgewässer zu beseitigen. Ebenso werden der Gemeinde Mittel aus dem Flurbereinigungsprogramm zuteil, um die Straßen und Wege wieder herzustellen.
Dennoch bleibt für die Gemeinde eine Schadenssumme von rund einer Million Mark. Mit viel Eigenarbeit wird in den folgenden Monaten und Jahren bei der Beseitigung der Schäden des »Jahrhunderthochwassers« einiges an Geld gespart. Auch hier ist gegenseitige Hilfe angesagt. Die Not schweißt zusammen.
Ironie des Schicksals
Wenige Tage vor Weihnachten des Jahre 1999 werden auf dem Rathaus die noch verbleibenden Rechnungen des »Jahrhunderthochwassers« verbucht. Nur kurze Zeit später braut sich weit draußen auf dem Atlantik das nächste Unheil zusammen – dieses Mal ist es ein »Jahrhundertsturm«.