An die 90 Stunden ist Josef Lehmann jeweils im Frühjahr unterwegs, um insgesamt 352 Nistkästen im Gemeindewald zu reinigen. Über zwei Dutzend Helfer begleiten abwechselnd den ehemaligen Förster, der seit 1984 auch Naturschutzwart des Schwarzwaldvereins ist.
Aus der Not heraus kam Josef Lehmann zu diesem Ehrenamt. Die Wartung der Nistkästen war bis vor zwei Jahrzehnten Aufgabe der Staatlichen Forstämter. Wegen außergewöhnlicher Ereignisse, wie beispielsweise der Jahrhundertsturm »Lothar«, Schneebruch und wachsende Probleme mit dem Borkenkäfer, schienen die Verantwortlichen diese wichtige Aufgabe aus den Augen verloren zu haben.
2006 fragte deshalb »d’Kimmig Sepp«, wie ihn jeder Oberharmersbacher kennt, in einer Versammlung des Schwarzwaldvereins, ob ihn das eine oder andere Mitglied bei der jährlichen Reinigung der Nistkästen unterstütze. Der Zuspruch war überwältigend. Seither kümmert sich Josef Lehmann, dem man nicht ansieht, dass er im achten Lebensjahrzehnt steht, mit Herzblut um die für die Natur wichtige Aufgabe zu bewältigen. Und abwechselnd begleiten ihn Helfer bei seiner Tour in der rund 1.000 Hektar großen Gemeinde.
Materielle Unterstützung erfahren die Freiwilligen von der Gemeinde, die den Erwerb der Nistkästen aus widerstandsfähigem Holzbeton übernommen hat. An manchen Bäumen hängen noch schmucke Vogelhäuschen aus Holz, die früher der Schwarzwaldverein oder auch Schulklassen gebastelt haben. Die Witterung und der eine oder andere abgängige, mit einem Nistkasten bestückte Baum fordern immer wieder ein neues Haus für die kleinen Insektenfresser.
»Hier wird aktiv Naturschutz umgesetzt«, staunt Bürgermeister Richard Weith über die Jahrzehnte alte Initiative. Er begleitet Josef Lehmann und »Schwarzwaldguide« Xaver Weber auf ihrer Tour. Zu zweit sollte man mindestens sein, denn die Kletterei zu den Nistkästen ist nicht ganz ungefährlich und verlangt Umsicht und Erfahrung.
Die Ausrüstung ist eher schlicht. »Früher hingen die Nistkästen in einer Höhe von vier bis fünf Meter«, erinnert sich Josef Lehmann. Jetzt reiche bis zum Arbeitsplatz eine Leiter mit wenigen Sprossen. Während der eine sichert, hängt der andere den Nistkasten ab. Mit geübten Griffen wird der Holz-Beton-Kasten geöffnet. »So wohnt die Meise«, erklärt Josef Lehmann, als er die Reste eines Nestes aus Moos und Rehhaaren entfernt. An anderer Stelle hat sich ein Kleiber eingenistet. »Der richtet sein Nest eher mit Resten von Zapfen behaglich ein und er versteht es, jede noch so kleine Ritze am Nistkasten zuzukleistern«, identifiziert der ehemalige Förster einen anderen Untermieter.
»Vor Überraschungen ist man nie sicher«, ergänzt Xaver Weber und zeigt ein Bild von einem Wespennest. Auch Hornissen seien durchaus nicht wählerisch bei der Suche nach einer Bleibe. Gefahr gehe jedoch zu dieser Jahreszeit von ihnen nicht mehr aus.
»Der Siebenschläfer richtet sich ganz anders ein«, nennt Josef Lehmann einen weiteren Gast in den Gemeinde-Nistkästen. Aus kurzen Bruchstücken von Zweigen der Nadelbäume wiederum schaffe der sich eine behagliche Unterlage.
Mit unterschiedlich schmalen Kellen wird das alte Nest entfernt, der Nistkasten gereinigt und wieder aufgehängt. »Wir achten auch auf die Himmelsrichtung«, begründet Josef Lehmann die Ausrichtung nach Osten bzw. Südosten. Die frühe Morgensonne und die etwas geschützte und trockenere Lage kämen den künftigen Bewohnern entgegen.
Der ehemalige Gemeindeförster kennt aufgrund seiner Erfahrung genau die Bäume, an denen Nistkästen hängen. Um anderen das Aufspüren zu erleichtern, weist künftig ein grüner Punkt am Stamm auf eine Nistmöglichkeit hin. Bürgermeister Richard Weith setzt an diesem Morgen die Markierungen entlang des »Durchgängigen Weges«.
»Obwohl man nicht viel sieht und mit spektakulären Förderprogrammen nicht zu vergleichen ist, kann diese Arbeit nicht hoch genug eingeschätzt werden«, lobte der Chef des Gemeindewaldes die Arbeit der rührigen Helfer und bedankte sich mit einem Präsent.