Insgesamt fast fünf Monate durften die Friseurgeschäfte im Frühjahr 2020 und seit Dezember bis jetzt ihre Kundinnen und Kunden nicht bedienen. Nun ist für diese Branche der Alltag wieder eingekehrt. Die Zeit ohne Waschen, Färben und Föhnen ist vorbei.
Gerade verkünden die Nachrichten um sieben Uhr, dass die Friseurgeschäfte wieder öffnen dürfen, da ist Herbert seiner Zeit schon voraus. Als Nachbar des Friseursalons »Haarmoden Magdalene Spitzmüller« hatte er sich schon lange angemeldet. »Ich komme, wenn ich Licht bei Dir sehe«, orientierte sich der Elektrikermeister an seinem Metier und wird an diesem Morgen von der Chefin persönlich bedient. »Zuletzt war ich im Oktober hier, auf Weihnachten hätte das gerade wieder gepasst«, sah sich Herbert in seiner langfristigen Planung vom Lockdown übel ausgetrickst. Dafür hält seine Frisur wenigstens über Ostern.
»Es wurde Zeit, dass wir wieder arbeiten dürfen«, atmet Magdalene Spitzmüller tief durch. In ihrem Damen- und Herren-Salon hat sie in den vergangenen Tagen alle Vorbereitungen für die Wiedereröffnung getroffen und auch -zig Telefonate geführt, um Termine entgegenzunehmen oder wiederholt neue für ihre Kundschaft zu organisieren, da die angekündigte Öffnung mehrfach verschoben worden war.
Nach dem Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres entfiel für sie das Ostergeschäft, ebenso Aufträge für den Weißen Sonntag und wegen Absagen bzw. Verschiebungen etliche Hochzeiten und schließlich kam der zweite Rückschlag wenige Tage vor Weihnachten. Zwar haben sie und ihre Angestellten nochmals 14. und 15. Dezember, zwei Tage vor der neuerlichen Schließung, so viele Wünsche der Kundinnen und Kunden wie nur möglich erfüllt, aber das Weihnachtsgeschäft musste sie abschreiben.
So freut sich auch Dorina, dass sie nach langen Wochen der Kurzarbeit an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist. »Wirklich nett, die Kunden wieder zu sehen«, kümmert sie sich um Vinzent, der an diesem Montagmorgen vor Beginn seiner Arbeit einen Termin bekommen hat und sich wohl wie nie zuvor mit einer akkuraten Frisur an seinen Arbeitsplatz begibt.
»Zwanzig Männer und eine Frau stehen bei mir im Terminkalender«, zählt sie die rein zufällige Zusammensetzungen ihrer Kundschaft am ersten Tag nach Wiedereröffnung auf. In den nächsten Tagen, so ist sie mit ihrer Chefin einer Meinung, werde sich der Betrieb wieder normalisieren. Ein Kommen und Gehen hat die wochenlange Ruhe im Friseursalon verdrängt. Manch einer sieht schon etwas wild aus um den Kopf herum. Nicht unbedingt so rebellisch, dass man ihn in der Frankfurter Hausbesetzerszene der späten 1960er Jahre verorten könnte, aber mit Haaren zugewachsene Ohren und auf dem Kragen aufstehende Locken sind doch bei den meisten ungewohnt. Und während bei den alten Germanen lange Haare ein Zeichen von Freiheit waren, kann dieses Privileg, ungewohnt zugeteilt, durchaus mit der Zeit äußerst lästig werden.
Immer wieder klingelt das Telefon, Termine werden gebucht. Während Vanessa den nächsten Kunden sicher mit Abstand durch den großen Raum zum Waschen der Haare dirigiert, wird hier und da die gefallene Haarpracht zusammengekehrt, werden Scheren, Kämme und Sitze desinfiziert. Für das Personal sieht alles nach Routine aus. »Ich hoffe nicht, dass wir noch ein drittes Mal schließen müssen. Denn dass wir davon verschont bleiben, wurde uns im vergangenen Oktober schon mal versprochen«, ist sich Magdalene Spitzmüller bei Äußerungen von Politikern nicht mehr so sicher. Aber schließlich seien Friseure »systemrelevant«.