Die Sanierung des Oberharmersbacher Rathauses geht mit der aufwendigen Restaurierung der beeindruckenden Giebelseite in ihre letzte Phase. Wegen der Menge der auszutauschenden Steine wird aber noch einige Zeit ins Land ziehen.
Bereits im vierten Jahr ist die Nordseite des Rathauses eingerüstet. Nicht nur die gewaltige Menge der zu erneuernden Sandsteine zieht die Arbeiten in die Länge. »Die Temperaturen schreiben uns jetzt die Termine vor«, begründet Steinmetz- und Bildhauermeister Marcel Ohnesorge. Als staatlich geprüfter Restaurator leitet er verantwortlich den Bereich Restaurierung der Oberkircher Firma »Jogerst Steintechnologie«, daher laufen auch bei ihm die Fäden der Außensanierung des Oberharmersbacher Rathauses zusammen. »Wegen der Mörtelarbeiten beim Einbau der Sandsteine sind wir auf eine längere Phase mit Temperaturen von dauerhaft über fünf Grad angewiesen«, erklärt Ohnesorge den momentanen Stillstand auf der Oberharmersbacher Baustelle.
Seit der Demontage der rund 40 teilweise stark verwitterten Sandsteine Ende September des vergangenen Jahres waren Marcel Ohnesorge und seine Mitarbeiter aber keineswegs untätig. In einem eigens für die Oberharmersbacher Baustelle errichteten Zelt auf dem Gelände der Oberkircher Firma – anders war die Materialmenge nicht zu bewältigen – werden die Sandsteinblöcke exakt kopiert.
»Nach eingehender Prüfung lässt sich der eine oder andere Stein wieder verwenden«, schildert Ohnesorge. Aber der größte Teil der geschwungenen Abdeckplatten müsse ersetzt werden. »Wenn ein Stein entlang der natürlichen Lagerschichtung aufgeschiefert ist, kann er auch keine statische Aufgabe mehr übernehmen. Die enormen Druckkräfte können nur von ›gesunden‹ Steinen aufgefangen werden«, erläutert der Restaurator den erforderlichen Umfang des Materialaustausches.
Bestmögliches Material verwendet
Für den zu verwendenden Sandstein wurde eigens ein Gutachten bei der Materialprüfungsanstalt Stuttgart in Auftrag gegeben, um das bestmögliche Material zu erhalten. Ausschlaggebend waren dafür die Eigenschaften Rohdichte, Wasseraufnahme, Druckfestigkeit, Frost- und Witterungsbeständigkeit. Den Zuschlag erhielt der »Seedorfer Sandstein«, ein Platten-Sandstein des Oberen Buntsandsteins, den die Schramberger Firma »Roth Natursteine« abbaut.
»Er hat sich als besonders haltbar erwiesen, seine intensive und durchgängig gleichmäßige Färbung und seine feine Körnung geben ihm einen eigenständigen starken Charakter«, ergänzt Firmenchef Michael Roth. Rund 30 Tonnen des Seedorfer Sandsteins wurden nach Oberkirch geliefert.
Verzierungen und Ornamente
Anhand der Vorlagen werden die Steine auf Maß gesägt, dann beginnt die eigentliche Arbeit zur Bearbeitung vor allem der sichtbaren Oberflächen, die im Original teilweise auch Verzierungen und Ornamente tragen. Steinmetz- und Steinbildhauermeister Gerhard Rettinger arbeitet an einem großen Sandsteinblock mit einem Gewicht von mehreren hundert Kilogramm. Deutlich sind schon Rundungen und endgültige Konturen zu erkennen, die er jetzt Millimeter für Millimeter in Feinarbeit nachzieht. Druckluft entfernt immer wieder den Staub, bevor er den Meißel erneut exakt ansetzt. Die Flächen weisen bereits die Handscharrierung auf.
Draußen vor dem Zelt lagert eine Anzahl restaurierter und durchnummerierter Teile. »Wir müssen bei der Auswahl der Rohlinge darauf achten, dass der Sandstein so verbaut wird, wie er im Fels gelagert war«, verweist Ohnesorge auf die zu erkennende »Bänderung« des Natursteins. So könne man vorzeitigen Bauschäden entgegenwirken. Dass nach genau 120 Jahren eine Totalsanierung der Sandsteinfassade des Rathauses ansteht, dürfte wohl auch damit zusammenhängen, so Ohnesorge, dass man beim Bau 1901/02 solche Lagerungsmerkmale nicht immer beachtet hat oder es vom Bruchabbau keine andere Möglichkeit der Verarbeitung gegeben hat.
Rund zwei Dutzend Steine der Giebelabdeckung listet Marcel Ohnesorge als Massiv- oder Teilaustausch auf, etwa 15 Steine des Altbestandes finden Wiederverwendung. Die Steine haben ein Gewicht von 300 bis 800 Kilogramm. Der größte Block, der auf Firsthöhe als Schlussstein künftig auch wieder die markante Kreuzblume tragen wird, wiegt rund zwei Tonnen. So hängt es nur am Wetter, bis die Temperaturen den unteren einstelligen Bereich verlassen haben und die Arbeiten vor Ort fortgesetzt werden. Bis dahin verhindert das speziell für diese Sanierung errichtete Schwerlastgerüst den Blick auf die Rat hausfassade.