Soeben befinden wir uns »zwischen den Jahren«, sie aber sind ganzjährig relevant: Bienen. Wenn es grünt und blüht, sind die scheinbar Nimmermüden für die Bestäubung unentbehrlich – ihre Produkte aber, vor allem Honig und Bienenwachs, haben besonders im Winter Hochkonjunktur. Einer, der sich mit den fleißigen Tierchen bestens auskennt, ist Josef Ruf.
»Ich habe schon immer Bienen gehabt«, erzählt er – Bienen habe es auf dem Hof, auf dem er aufgewachsen ist, gegeben, seit er denken könne: »Früher war es ja Brauch und Sitte: Da ist auf jedem landwirtschaftlichen Gehöft ein eigenes Bienenhaus gewesen, in der Regel betreut vom Altbauern, einem Knecht oder von einem Bruder des Bauern.«
Der Großvater des heute 53-Jährigen war mit von der Partie, als der 1913 gegründete Oberharmersbacher Imkerverein nach dem Krieg wiedergegründet wurde. »Zwischenzeitlich hat der Papa die Bienen betreut und dann habe ich das weitergeführt.«
Josef Ruf selbst trat vor 31 Jahren dem Verein bei und wurde Beisitzer, »und die ehrenamtliche Betreuung der vereinseigenen Bienenvölker wurde mir übertragen – um die kümmere ich mich im Jahreslauf wie um meine eigenen Völker auch.«
Zwar bietet der Verein aufgrund seiner Nähe zur Imkerschule in Oberentersbach keine Jungimkerlehrgänge an. Doch die vereinseigenen Immen, wie die staatenbildenden Hautflügler im alten Sprachgebrauch genannt wurden, dienen unter anderem als Lehrobjekte, um Jungimkern im Rahmen einer Grundeinweisung »bestimmte Sachen und Arbeiten am Bienenstand zu zeigen.«
Daher sind die vereinseigenen Bienenstöcke zentral im Ort untergebracht, am Waldrand hinter dem Sportplatz haben sie ihren festen Standort. Frei und offen. Auf diese Weise kann Josef Ruf, wenn er einer Gruppe die Imkerei erläutert, »sozusagen um das ganze Bienenvolk frei herum arbeiten.« Um drei Holzkisten handelt es sich – sogenannte Zargen, in die Mittelwände eingehängt werden. Auf diesen Wänden bauen die Pollensammler ihre Waben auf.
Geschenk für Jungimker
Vor allem aber, so der gebürtige Oberharmersbacher, seien die vereinseigenen Bienenstöcke eingeführt worden, um die Imkerei zu fördern. »Deswegen schenken wir jedem Neu-Mitglied ein Volk«, eine mit Bienen gefüllte Zarge also. Jedoch erst, wenn der Jungimker oder die Jungimkerin eine gewisse Sicherheit im Umgang mit den für die Blütenbestäubung so wichtigen Honiglieferanten hat.
»Für die Biene als Tier bin ich ja verantwortlich«, unterstreicht Josef Ruf, »und es bringt nichts, wenn ich ein Tier jemandem schenke, aber der pflegt es nicht richtig und es geht kaputt.«
Zudem bietet der Verein Jungimkern eine Patenschaft an, mit einem Imker seiner Wahl. Schließlich handele es sich bei Jungimkern oftmals um Menschen, »die mit der Imkerei bislang nichts am Hut hatten und auf einmal dann aber sozusagen mit dem Bienenvirus infiziert sind«, freut sich der Vereinsbienenwart – in Corona-Zeiten ist es schön, das Wort »Virus« mal wieder in einem positiven Zusammenhang zu hören.
Er selbst hatte nicht nur das Glück, dem Großvater und Vater bei der Bienenhaltung zuschauen zu können, sondern hat überdies die Lehrgänge in der Oberentersbacher Imkerschule besucht. Außerdem liest er viel in Fachbüchern, geht auf Ausstellungen und Fachmessen: »Ich erweitere mein Wissen ständig, auch wenn sich an den Grundlagen der Imkerei letztendlich nichts geändert hat.«
Auch Kindern, vom Kindergartenalter aufwärts, bringt der ledige Berufsgärtner das Tun eines Imkers nahe. »Dieses Jahr hat uns Corona aber einen Strich durch die Rechnung gemacht«, bedauert er, »wir wollten eigentlich ein Projekt mit der Grund- und Hauptschule beginnen, damit die Kinder im Rahmen des Biologie-Unterrichts ein eigenes Volk an der Schule halten – das musste verschoben werden.«
Ausgeräumte Kulturlandschaft
Die erste Aufgabe eines Imkers besteht darin, Bienen eine Behausung zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich nisten die Insekten mit ihrer pelzig wirkenden Behaarung in jedem für sie geeigneten Hohlraum, »das waren in der Natur früher eigentlich nur Felshöhlen und absterbende beziehungsweise tote Bäume«, erklärt Josef Ruf. Solche Nistmöglichkeiten gibt es jedoch immer seltener, »weil unsere Kulturlandschaft ausgeräumt wird – man lässt ja keinen toten Baum mehr stehen, alles wird aufgeräumt.« Wenn ihr der Mensch nicht helfe, habe die Biene in Mitteleuropa keine Überlebenschance mehr, mahnt der Bienenwart.
In dieser seiner Aufgabe muss er im Frühjahr zunächst einmal schauen, ob das Bienenvolk den Winter überlebt hat, »und dann muss ich das Volk erweitern.« Das geschieht mithilfe der in die hölzernen Zargen eingesetzten Mittelwände, »damit das Volk kräftiger und stärker wird.« Wenn dann die erste Tracht mit Blüten kommt, gilt es, dem Honig mehr Raum zu geben, in den das Bienenvolk das »flüssige Gold« eintragen und sein Brutgeschäft durchführen kann.
Das Schwärmen verhindern
»Je nach Volksentwicklung und –stärke muss ich immer wieder agieren und reagieren«, erklärt Josef Ruf diese Aufgabe. So muss er entscheiden, wie viele Honigräume das Volk erhält. Ist es stark genug, erhält es – laiensprachlich ausgedrückt – eine »neue Kiste«. Aber eben nur dann, wenn es von der Anzahl der Bienen her stark genug ist. Denn hat ein Volk plötzlich zu viel Raum, »tut man ihm nichts Gutes, dann ist es überfordert.« Ruf muss also klug taktieren: »Man braucht ein Gefühl dafür, wann ein Eingreifen notwendig ist.«
Gleiches gilt für des Imkers Bestreben, ein Schwärmen des Volkes zu verhindern. »Das Schwärmen ist die natürliche Vermehrung der Bienen«, erläutert der Kundige laiengerecht, denn dann fliegt die Altkönigin mit einem Teil ihres Gefolges aus und bildet einen neuen Staat. Dumm für den Imker, »weil der ja letztendlich Honigertrag will«. Und der lässt sich nur mit einem starken, kräftigen Volk erwirtschaften – nicht jedoch mit einem, das geschwärmt hat.
Erfolgte die Honigentnahme dereinst im Frühjahr, so geschehe dies hierzulande seit schätzungsweise den 1950er Jahren bereits im Spätsommer. Was mit der Entstehung der Zuckerrübenindustrie und im Laufe der Jahre sinkenden Zuckerpreisen möglich geworden sei, wie Josef Ruf als Hobby-Historiker weiß. Denn mit dem Honigdiebstahl entzieht der Imker seinen geflügelten Schützlingen die Futtervorräte. Damit sie gut über den Winter kommen, wendet er einen Trick an. Indem er sie ersatzweise mit Zuckerwasser versorgt.
Auf sanftmütig gezüchtet
Überdies heißt es für Bienenwart Ruf, die Vereinsbienen vor der Varoa-Milbe zu schützen – auf jeden Fall mit einer Behandlung im Winter sowie im Spätsommer. Eine Schutzausrüstung bei alledem benötigt er ob der längst auf »sanftmütig« gezüchteten Immen nicht. Zudem ist er aufgrund ihres extrem feinen Geruchssinns überzeugt: »die Bienen kennen mich.«
Allenfalls Rauch setzt er zu deren Beruhigung ein. Beispielsweise dann, wenn er weiß, dass das Volk gerade aggressiv ist, wie beispielsweise während der intensiv duftenden Kastanienblüte. Rauch suggeriert den Insekten Feuer, einen Waldbrand beispielsweise, also Gefahr. »In so einem Fall stürzen die Bienen sich auf ihre Vorräte, fressen sich voll und fliegen ab.« Und einer satten Biene geht es wie wohl den meisten Lebewesen: Sie ist träge und somit weniger aggressiv.