Mit einem Wortgottesdienst verabschiedete die Seelsorgeeinheit Zell a.H. in der Oberharmersbacher Pfarrkirche St. Gallus ihre langjährige Gemeindereferentin Judith Müller. Nach 19 Jahren seelsorgerischer Tätigkeit wird sie mit Beginn des neuen Kirchenjahres in den Seelsorgeeinheiten Oberer Hegau und Tengen ihre künftige Aufgabe finden.



Nur nach Anmeldung und mit Maske durften sie Kirchenbesucher sich von ihrer Gemeindereferentin verabschieden. Selbst in der großen Oberharmersbacher Pfarrkirche reichten die Plätze mit Abstand für die Gemeindemitglieder nicht aus, die mit ihrem Besuch auch ihren persönlichen Dank zeigen wollten. Dennoch: Trotz der Auflagen durfte Judith Müller die ehrliche und herzliche Wertschätzung entgegennehmen, die ihre vielfältige Arbeit angemessen würdigte.
Im geräumigen Chor hatten sich die Mitglieder des Teams versammelt, die mit Judith Müller in den letzten Jahren die Familiengottesdienste vorbereitet hatten. »Eingeladen zum Fest des Glaubens« stimmte die Band »Fernlicht« (Daniel Atamaniuk, Katharina Gutmann, Michael Gutmann, Luisa Lehmann, Tobias Lehmann«) an.
Gebete und Fürbitten standen ganz im Zeichen der Tätigkeit der scheidenden Gemeindereferentin. Kleine symbolische Geschenke zeigten, wie Kinder den Gottesdienst erleben. Auf dem Altar entzündete Kerzen sollten an bestimmte Personengruppen besonders erinnern. Judith Müller selbst entzündete eine Kerze zum Gedenken an die Männer, Frauen und Kinder, die sie in den vergangenen 19 Jahren auf ihrem letzten Gang begleitet hatte.
»Die Zeit des Abschieds ist gekommen«, begann Judith Müller ihre letzte Ansprache vor der Gemeinde. Sie habe 2001 hier in Oberharmersbach ein gut bestelltes Feld vorgefunden. Im Laufe der Jahre habe sie mit vielfältiger Unterstützung weiter gesät und gepflanzt und habe auch ernten dürfen. Viele angenehme Momente habe sie erfahren, unter anderem das Jubiläum »175 Jahre Pfarrkirche St. Gallus« im Jahre 2014.
Eines ihre Herzensanliegen sei ihr Bemühen um Inklusion gewesen und nicht minder intensiv kümmerte sie sich um die Betroffenen des Missbrauchs. »In meiner Erinnerung zeigt sich eine bleibende Betroffenheit, weil das Vertrauen vieler schändlich hintergangen wurde«, mahnte sie, wachsam zu sein und sichere Räume zu schaffen. Man dürfe nicht vergessen, was geschehen sei.
»Ich habe noch einmal 19 Jahre durchwandert«, führte Judith Müller aus, als sie Protokolle der Sitzungen sichtete, Arbeitsblätter für den Religionsunterricht durchlas, gemalte Bilder von Kindern fand und Fotos von Veranstaltungen entdeckte. Zu jedem Fundstück sei eine Geschichte, ein Gesicht oder ein Gefühl wieder in die Erinnerung zurückgekehrt.
»All diese wichtigen Stationen hätte ich ohne Ihre Hilfe nicht meistern können«, bedankte sich Judith Müller mit bewegten Worten bei ihren Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern. Ihr bleibe nur ein herzlichen Vergelt’s Gott zu sagen. Besonders gefreut habe sie sich über die Stola mit den Handabdrücken von Kindern. »Ich gehe neue Wege, aber ich bin nicht aus der Welt« verabschiedete sie sich von ihrer Gemeinde.
Zum lang anhaltenden Applaus hatten sich die Kirchenbesucher erhoben. Sie zollten damit Judith Müller ihren Dank und ihre uneingeschränkte Anerkennung. Wohl etwas verlegen aber nicht minder dankbar freute sich die scheidende Gemeindereferentin über dieses hörbare Zeichen. »Fernlicht« schloss mit dem von Judith Müller gewünschten Lied »Ich wünsch Dir Gottes Segen« und zeigte für alle, dass die Verbundenheit über den Tag des Abschieds hinaus anhält.
»Stabiles Element für 19 Jahre«
Herzliche Dankesworte für Judith Müller anlässlich ihrer Verabschiedung in der Pfarrkirche
Im September 2001 begann Judith Müller als Gemeindereferentin ihre seelsorgerische Aufgabe in der Pfarrei St. Gallus und war auch in den anderen Pfarrgemeinden der 2003 gegründeten Seelsorgeeinheit Zell a.H. tätig. Wie vielfältig und segensreich ihr Einsatz ausgerichtet war, zeigten die herzlichen Dankesworte anlässlich ihrer Verabschiedung in der Pfarrkirche St. Gallus in Oberharmersbach.
Judith Müller hatte im Vorfeld den Wunsch geäußert, statt der für sie gedachten Geschenke eine Spende zu entrichten, die sie zu gleichen Teilen an die Helfer vor Ort und den Verein »S.T.A.R.K. e.V. weiterreichen wolle. Doch ganz ohne die eine oder andere kleine Erinnerung und Aufmerksamkeit wollten die Gemeinden sie dann doch nicht ziehen lassen.
Für den Pfarrgemeinderat bedankte sich Ansgar Horsthemke. Eine Kerze war in den Augen dieses Gremiums das richtige Geschenk. »Eine Kerze verbreitet Licht und Wärme «, fasste er den Sinn kurz zusammen. Judith Müller habe mit ihren Worten oft genug in der ganzen Seelsorgeeinheit, gerade in Momenten persönlicher Dunkelheit, Licht und Wärme verbreitet.
Für den Verein »S.T.A.R.K. e.V.«, der für Judith Müller als Gründungsmitglied ein besonderes Anliegen war, bat die Vorsitzende Mathilde Zimmermann, persönliche Worte auf eine Schriftenrolle zu schreiben, die die scheidende Gemeindereferentin an ihr Wirken in Oberharmersbach erinnern soll.
Bürgermeister Richard Weith lobte den Einsatz Müllers als Seelsorgerin im wahrsten Sinne des Wortes, wie sie dies vor allem als Religionslehrerin in der Brandenkopfschule und als Notfallseelsorgerin bewiesen habe. »Sie werden uns fehlen«, bedauerte er den Weggang.
Er mahnte die Verantwortlichen, an der Kirche vor Ort festzuhalten. Dabei sei es unerheblich, wer diese Aufgabe vor Ort wahrnehme. »Dass eine Frau Seelsorge kann, dafür hat Frau Müller ein nachhaltiges und deutliches Zeugnis abgelegt«, sagte Weith unter dem spontanen Beifall der Gottesdienstbesucher. Ein Bild von Oberharmersbach wird sie an ihren Wirkungsort erinnern.
»Das ist kein guter Tag«, bedauerte Pfarrer Reinhard Monninger den Weggang. Er zog treffende Vergleiche aus dem Buch Judith. Wie ihre Namensgeberin habe auch Judith Müller gekämpft und war für Gläubige beider Konfessionen ansprechbereit. Monninger kennt die Autobahnkirche bei Tengen und da Judith Müller ganz in der Nähe ihren neuen Wirkungsort hat und sie sicher auch die Kirche aufsucht, schenkte er ihr einen Gutschein für die benachbarte Raststätte.
Pfarrer Bonaventura Gerner schilderte seine Mitarbeiterin als »stabiles Element« der ganzen Seelsorgeeinheit. »Du hast der Kirche ein menschliches Gesicht gegeben«, verwies er auf ihren ständigen Einsatz für die vom Missbrauch Betroffenen. Er wünschte ihr Kraft für die künftigen Herausforderungen. Mit dem Dank aller Mitglieder der Seelsorgeeinheit beider Konfessionen überreichte er ihr zur Albe (religiöses Gewand) Seidentücher mit den Liturgiefarben.
Während Hans-Georg Lay mit einer Glosse über die mögliche religiöse Karriere Müllers persönlichen Dank äußerte, überreichte das Gemeindeteam ein Bild des Kreuzes, das im Rahmen eines Kunstprojektes entstanden ist. Zuvor hatte Monika Bleier als dessen Sprecherin noch einmal all die Tätigkeiten und Projekte in Erinnerung gerufen, für die Judith Müller verantwortlich zeichnete. »Wir haben gemeinsam den Aufbruch gestaltet«, bedankte sich Bleier für all das Gute. Judith Müller habe ihre Spuren hinterlassen.






