Mindestens 110.000 Euro will die Gemeinde Oberharmersbach für das Hofgut »Kormayer« mit Wohn-, Wirtschafts- und Lagerräumen und dem rund 897 Quadratmeter Grundstück erlösen. Sie hatte das Areal mit dem Hofgebäude in unmittelbarer Nähe des Riersbacher Bahnhofes im November 1899 für 25.850 Mark erworben und hier bis im Jahre 2000 den Farrenstall unterhalten.
Dem Erwerb war eine Familientragödie vorausgegangen. Der 25 Jahre alte Jakob Kornmayer hatte dort am Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner 19 Jahren alten Frau Luise Schwarz (von der ehemaligen Brauerei Schwarz und dem späteren Gasthaus »Forelle«), seiner Mutter und seinem zwölfjährigen Stiefbruder Stefan gewohnt. Der Hof war 1893 abgebrannt und wurde an Ort und Stelle wieder aufgebaut.
An einem Sonntagnachmittag wurde Stefan von der heimkehrenden Familie in einer Blutlache liegend tot aufgefunden. Sehr bald fiel der Verdacht auf Jakob Kornmayer, der in den Stunden vor der Tat alleine zu Hause geblieben war. In einem spektakulären Prozess wurde der »Harmersbacher Brudermord« im Januar 1899 vor dem Offenburger Schwurgericht verhandelt. Stefan Kornmayer bestritt bis zuletzt die Tat, doch die Beweise und Zeugenaussagen waren zu erdrückend.
Akribisch wurden Kleidungsstücke und der auf dem Verhandlungstisch liegende Schädel untersucht, in den zwei Kugeln aus dem Gewehr des Angeklagten eingedrungen waren. Zuvor soll Stefan durch Zug am Hemdkragen erdrosselt worden sein. Zeugen stellten dem Beschuldigten ein schlechtes Zeugnis aus. Er soll Stefan umgebracht haben, weil der zuviel Geld besessen habe. Außerdem wurde der Verdacht geäußert, dass Jakob Kornmayer auch den Brand von 1893 selbst gelegt habe. Das Schwurgericht verurteilte ihn zum Tode, später wurde er zu lebenslangem Zuchthaus begnadigt.
Mit der Erwerb des Hofgutes »Kornmayer« boten sich Stallungen für »taugliches Faselvieh« (Vatertierhaltung), zu deren Haltung die Gemeinde seit Mitte des 19. Jahrhunderts verpflichtet war. Zuvor hatte sie Bullen, Eber und Ziegenböcke in der Pfarrscheuer im Dorf gegen Pachtzins untergebracht, jetzt verfügte man über eine eigene Einrichtung.
Die Gemeinde bestellte jeweils einen Farrenwärter. Zuletzt versah diese Tätigkeit Engelbert Furtwengler, der eher zufällig zu diesem Job kam. Von seinem Hof sah der »Engelbur« zum Farrenstall. Und als er 1970 einen Landwirt mit seiner Kuh vor dem Farrenstall wahr nahm, wollte er ihm nur mitteilen, dass sein Warten verfehlt sei, weil der damalige Farrenwärter Wilhelm Killig erkrankt war. Zufällig stieß zu den beiden der Gemeindebote und dieser ergriff die Gelegenheit beim Schopfe. »Du bleibst jetzt da« verpflichtete er kurzerhand den »Engelbur«. Aus der einmaligen Aushilfe erwuchs die dauerhafte Anstellung.
Im Zuchtbuch von Engelbert Furtwengler ließ sich der landwirtschaftliche Strukturwandel ablesen. »Natürlich hat sich einiges in den letzten Jahren verändert,« erinnerte sich Engelbert Furtwengler bei seiner Verabschiedung im Dezember 2000. Die Sprünge bei den Bullen seien von 600 im Jahr auf knapp die Hälfte geschrumpft. Auch die Eber hätten stürmischere Zeiten erlebt. »Anfangs wurden jährlich noch rund 300 Schweine gedeckt, im letzten Jahr waren es gerade noch 25,« belegte der Farrenwärter anhand seines Zuchtbuches. Und nicht viel anders verlief die Entwicklung bei den Ziegenböcken. Diese waren wegen der geringeren Nachfrage gemeinsam mit Nachbargemeinden jeweils als »Raumschaftsgeißbock« angeschafft und in Oerharmersbach untergestellt worden.
Mit der Ablösung der verpflichtenden Vatertierhaltung und der damit verbundenen Auflösung des Farrenstalles zum 31.12.2000 endete auch die Dienstzeit des letzten Oberharmersbacher Farrenwärters. Genau dreißig Jahre hat er die verantwortungsvolle Arbeit im Farrenstall versehen, tagtäglich das Vieh versorgt, morgens und abends, am Karfreitag genauso wie an Heiligabend. Nur für wenige Tage hatte er sich in dieser Zeit aus Krankheitsgründen vertreten lassen müssen.