Der fast schon vertraute Anblick des eingerüsteten Rathauses wird den Oberharmersbachern noch einige Zeit erhalten bleiben. Die aufwendigen Sanierungsarbeiten der zum Teil sehr angegriffenen Sandsteinelemente sind vor Mitte des Jahres 2020 nicht abgeschlossen.
Ende des Jahres 1902 erhielt die Gemeinde Oberharmersbach 90 Jahre nach ihrer Gründung ein eigenes Rathaus. Entsprechend repräsentativ wuchs ein mehrstöckiges Gebäude in der Ortsmitte in die Höhe. Daneben verblasste, trotz ihrer einmaligen Geschichte, die bisherige Ratsstube gegenüber im Gasthaus »Zur Stube«, eher unscheinbar unmittelbar neben dem neu entstandenen Verwaltungsmittelpunkt.
Nicht kleckern, sondern klotzen bestimmte wohl damals die architektonische Richtung. Man schien es sich leisten zu können, denn kurz zuvor hatte ein Sturm rund 12.000 Festmeter Holz im Gemeindewald flach gelegt, scheinbar gerade rechtzeitig und wie ein Wink des Schicksals, um das seit 1899 geplante Projekt zu finanzieren.
Aufwendige Ornamente zieren die Fassade, ergänzt durch neugotische Stilelemente mit so genannten »Nonnenköpfen« entlang der Seitenwände, mächtige Sandsteingewändern an Fenstern und Türen – es hätte der goldenen Frakturschrift an der Fassade nicht bedurft, die seit nahezu 120 Jahren darauf hinweist, dass hier das Rathaus der Gemeinde Oberharmersbach steht.
Jetzt ist der Bau in die Jahre gekommen. Im Januar 2020 bezog die Belegschaft nach einer längst überfälligen Renovierung die zeitgemäß eingerichteten Verwaltungsräume, während außen im Spätjahr 2019 ein Schwerlastgerüst hochgezogen wurde, um die Sanierung der Sandsteinelemente umfassend anzugehen.
Wohl eher symbolischer Charakter war dem ursprünglichen Betrag im unteren fünfstelligen Bereich zugedacht, mit dem man die Kosten für die Sanierung des Sandsteins zu stemmen glaubte. Die Größenordnung war Makulatur, bevor die Tinte trocken war. Eine eingehende Inspizierung mit einem Hubsteiger und nach einer gründlichen Reinigung des Sandsteins zeigte sich das ganze Ausmaß der Schäden. Jetzt rechnete man mit einem Sanierungsvolumen der gesamten »Außenhaut« von rund 450.000 Euro.
»Das Landesdenkmalamt unterstützt diesen Bauabschnitt mit einmalig 100.000 Euro und die Gemeinde erhält aus dem Landessanierungsprogramm 51 Prozent Fördermittel«, ringt Bürgermeister Richard Weith der Verzögerung bei der Sanierung eine positive Seite ab. Für die finanziell momentan klamme Gemeinde sei das ein Vorteil von unschätzbarem Wert. »Und wir haben mit der Firma Jogerst Steintechnologie aus Oberkirch Fachkräfte, die den Austausch der angegriffenen Elemente mit entsprechendem Fachwissen und vor allem der geforderten Sorgfalt vornimmt«, lobt der Bürgermeister die laufende Zusammenarbeit.
Die Außenhaut des Rathauses erinnert aktuell nicht an ein saniertes Gebäude, sondern gleicht eher einem Trümmerfeld. Staubwolken jagt der Wind über den Rathausplatz, überall klaffen noch Lücken in den Mauern, mit Keilen verspannte Holzstreben halten darüber liegende Mauerteile. Fast an jedem Fenster spannen waagrechte Sprieße die Laibungen, weil darunter die schadhaften Fensterbänke schon entfernt sind und als Sandsteinschutt in einem Container entsorgt werden.
Um den Angestellten im Rathaus die hämmernden Bohrmeißel und kreischenden Trennschleifer einigermaßen erträglich zu gestalten, haben die Steinmetze diese Arbeiten auch mal auf den Samstag verlegt. Vom Kellergemäuer bis zum Dach wurden alle Fugen freigelegt, die jetzt nach und nach wieder fachgerecht geschlossen werden. Kleinere Risse werden verpresst.
Kleinere Teile, wie die exakt nachmodellierten Nonnenköpfe, werden meist mit Muskelkraft passgenau in die vorbereitet Lücke eingesetzt. Rund 11 laufende Meter sind an der West- und Ostseite (7,5 bzw. 3,5 Meter) schon erneuert. Bei größeren Teilen, wie den Fensterbänken muss ein Flaschenzug helfen. Jedes dieser Teile 23 Teile wiegt bis zu 350 Kilogramm. Etwa zehn laufende Meter Sockel- und Gurtgesims waren an den drei Seiten zu ersetzen. Ein Kran hievte die rund 300 Kilogramm schweren neuen Abdeckplatten auf der Südfassade an ihren angestammten Platz.
Bis Anfang Mai sollen die Sandsteinarbeiten an drei Seiten abgeschlossen sein, dann erhält das Rathaus auf der gesamten Fläche einen neuen Putz. Die Arbeiten an der einst prächtigen und nunmehr maroden Giebelseite zur Straße hin werden noch bis in den Sommer andauern. Die zu ersetzenden Teilstücke sind nicht nur vom Umfang her auch eine Herausforderung für die versierten Steinmetze.