Am Eingang des Jedensbachtales steht das nachweislich älteste Gebäude der Gemeinde Oberharmersbach. Vor nahezu 475 Jahren wurde der Grundstein für den Jedensbachhof gelegt, der trotz baulicher Veränderungen als markantes Zeichen der gesellschaftlichen Stellung damaliger Waldbauern im früheren Reichstal Harmersbach gilt.

Stolze Tradition: Der Jedensbachhof in den 1920-er Jahren. Das Strohdach verschwand 1928, rechts sieht man einen Teil der Mahlmühle. Am Eingang stehen Waldhüter Augustin Lehmann und seine Frau Anna, deren Töchter Elise (links) und Anna (rechts), in der Mitte mit dem Fahrrad »Postfritz« August Lehmann (späterer Waldhüter und Dirigent der Miliz- und Trachtenkapelle von 1921 bis 1961).

Steinmetzkunst: Die Jahreszahl 1546 ist mit den für die damalige Zeit künstlerisch geschwungenen Zahlen verbürgt.
Bauernkrieg und Reformation symbolisierten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den Beginn einer Epoche, die das bisherige Weltbild in ihren Grundfesten nachhaltig erschütterte. In einer solch unruhigen Zeit eine Entscheidung von derartiger Tragweite, den Bau eines Wohn- und Ökonomiegebäudes, zu treffen, setzt Mut und Umsicht voraus – oder man bewegt sich finanziell und materiell auf sicherem Boden. zumal mit solch einem Projekt die gesamte Wirtschaftskraft des Hofes über Jahre hinweg gefordert war.
Steine wurden herangeschafft, für Fundamente und das Bollenmauerwerk der ungefähr 60 Zentimeter starken Kellerwände sowie exakt gehauene Eckquader aus Sandstein. Rund 50 Festmeter Eichenholz verschlang das Kellergebälk und mehrere Hundert Festmeter Rundholz waren für die Errichtung der gesamten Holzkonstruktion mit liegendem Dachstuhl und eingeblatteten Jagdbügen notwendig.
Ein Kreuzgewölbe in einem talseitig angrenzenden Kellerraum ist ebenso sorgfältig und solide ausgeführt wie alle anderen Maurer- und Zimmerarbeiten, möglicherweise ein Hinweis auf die Beschäftigung auch auswärtiger Handwerker, zumal Fachleute die Arbeiten als Straßburger Handwerkskunst einordnen. Erst 1928 verschwindet auf dem Dach die damals noch vereinzelt anzutreffende Stroheindeckung, an die 40.000 Biberschwänze schützen das Haus mit einem entsprechenden Dachvorsprung.
Grundsteinlegung im Jahre 1546
Die Nachfahren eines »Hanß Pfundstein«, der für den Bau der Zeller Wallfahrtskirche 1480 für eines seiner Pachtfelder im Jedensbach mit den höchsten Einzelbetrag an den damaligen Gengenbacher Abt abführte, scheinen tatsächlich immer ordentlich gewirtschaftet zu haben. Die Ausstattung und Größe des Hofes legen diesen Schluss nahe, wenn man noch vorhandene Aufzeichnungen zu Rate zieht. Vor diesem Hintergrund fiel die Entscheidung der Grundsteinlegung im Jahre 1546.
Der Jedensbachhof war ein autarker Betrieb. Zum Wohn-und Ökonomiegebäude unter einem Dach zählten ein Leibgedinghaus, Speichergebäude, Waschhaus, Holzremise sowie eine Mahlmühle, die zu einem Drittel dem Gutsnachbar gehörte. Der Hof zählte mit seiner Wirtschaftsfläche zu den größten Gütern im oberen Reichstal Harmersbach.
Vom Talbach aus erstreckte sich der Besitz zu beiden Seiten des Jedensbach bis zum Täschenkopf. Das gesamte zusammenhängende Areal mit 116 Hektar verlieh dem Hof bis auf den heutigen Tag ein eigenes Jagd- und Fischereirecht. Während in einer Auflistung von 1875 rund 16 Hektar als landwirtschaftliche Nutzfläche ausgewiesen waren, betrug die damalige Holzbodenfläche knapp 100 Hektar.
Damals bestanden nur 17 Hektar mit Hochwald. Rund 82 Hektar entfielen auf Niederwaldungen, meist Eichenwald mit Stockausschlag. Eine bedeutende Rolle spielte damals die »Reutfeldwirtschaft«, d.h. Eichen wurden nach 18 bis 20 Jahren gefällt, die äußerst gesuchte Rinde an die Gerbereien verkauft, das Holz als Brennholz genutzt. Für das kleine Bächlein im Jedensbachtal ist die »Driftflößerei« belegt, d. h. das Flößen von Brennholz, das auch mitunter bis nach Straßburg verkauft wurde.
Auf den von jungen Eichen geräumten Flächen wurde beim »Rüttibrennen« das Reisig auf der Fläche verbrannt. In den mit Asche gedüngten Boden wurde im ersten Jahr meist Roggen ausgesät (das besonders widerstandsfähige Roggenstroh diente wiederum zur Eindeckung der Hofgebäude), selten im Jahr darauf auch die Kartoffel gepflanzt. Anschließend wurde dieses Areal zeitweise als Waldweide genutzt, bis sich der Vorgang nach knapp zwei Jahrzehnten wiederholte. So muss die Bewirtschaftung im Wesentlichen über Generationen hinweg abgelaufen sein.
Josef Lehmann war der letzte Hofbauer
Josef Lehmann, von 1844 bis 1861 Bürgermeister der Gemeinde Oberharmersbach, war der letzte Hofbauer. Er und seine Frau Johanna, geb. Halter, verkauften das Hofgut 1875 für die stolze Summe von 75.000 Gulden an die Evangelische Kirchenschaffnei Rheinbischofsheim (heute: Evangelische Pflege Schönau). Warum der Hof veräußert wurde, kann nur vermutet werden. Der Überlieferung nach wollte das Ehepaar Lehmann den Hof keinem seiner Kinder anvertrauen. (Anmerkung: Um die jeweilige »Liquidität« nicht zur Schau zu stellen, kaufte sich die evangelische Kirche überwiegend in katholischen Gebieten ein, während die katholische Kirche sich eher in evangelisch geprägten Gebieten umsah.)
Der neue Besitzer hielt zuerst an der bisherigen Bewirtschaftung fest, ging aber nach und nach daran, den Niederwaldbetrieb in Hochwald umzuwandeln. Während die kleinen landwirtschaftlichen Flächen in Lose aufgeteilt und an Harmersbacher Bürger verpachtet wurden, beaufsichtigen Waldhüter die Waldarbeiter und den Forstschutz.
Als solche fungierten seit dem Verkauf Constantin Lehmann, Augustin Lehmann, August Lehmann, Eugen Lehmann, Günter Schmid und Hans Lehmann (seit 2000 Holger Thoma, Eigenbeförsterung der Evangelischen Pflege Schönau; Güteraufseher Hans Lehmann). Die Niederwaldungen sind fast gänzlich verschwunden und einem zukunftsfähigen Betrieb gewichen, der dank seiner sinnvoll angelegten Mischwälder naturnah und dauerwaldartig bewirtschaftet werden kann.
Heute ist ein Teil dieser Flächen als wertvolle Biotopfläche geschützt. Nach wenigen Gehminuten vom Dorf findet der Erholungssuchende im Jedensbachtal ein ideales Ausflugsziel: abgeschieden, ruhig, mit Feuchtwiesen, Orchideenstandorten und Resten ehemaliger Wiesenbewässerung.