Es ist ruhig im Dorf, noch ruhiger als sonst um diese Jahreszeit. Und während, wie in normalen Zeiten üblich, die Menschen sich allmählich auf die Osterzeit vorbereiten und Vereine für kommende Auftritte proben sollten, scheint nicht nur in Oberharmersbach alles wie in Winterstarre verfallen zu sein.
»Es ist schon eine gespenstische Zeit«, beschreibt Bürgermeister Richard Weith die aktuelle Lage seiner Gemeinde. Es fänden keine Zusammenkünfte statt, das dörfliche Leben sei derzeit erheblichen Einschränkungen unterworfen. Und das werde über Mitte April hinaus andauern.
Wöchentliche Vereinsproben mit anschließend geselligem Beisammensein? Fehlanzeige. Konzerte des Gesangsvereins oder der Musikkapelle? Gestrichen. Jubiläumsfeier der Landfrauen? Auf das kommende Jahr verschoben. Einweihung des Feuerwehrhauses? Auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Wo sich sonst im Frühjahr wöchentlich ein Termin den anderen vor allem für Vereinsversammlungen ablöst, reiht sich im Kalender Lücke an Lücke.
Kirche zum persönlichen Gebet geöffnet
In der Pfarrkirche symbolisieren die ausgetrockneten Weihwasserkessel den momentanen Stillstand des religiösen Lebens. Zwar ist die Kirche »zum persönlichen Gebet« geöffnet, wie ein von Pfarrer Bonaventura Gerner unterzeichneter Aushang verkündet, aber alle religiösen Handlungen sind ausgesetzt. Deswegen wird auch das Osterfeuer am Karsamstagabend vor der Pfarrkirche nicht entzündet, zumal auch die gesamte Kar- und Osterliturgie heuer nur »unter »Ausschluss der Öffentlichkeit« stattfindet, wie die Seelsorgeeinheit verlauten lässt. Auftritt des Kirchenchores an Ostern? Abgesagt. Selbst für den verschobenen Weißen Sonntag steht noch kein neuer Termin fest.
Die »Bärlauchwochen« sollten zumindest auf Sparflamme laufen. »Gemeinsame Veranstaltungen waren schon im Vorfeld abgesetzt, jetzt ist mit der Schließung aller Gaststätten auch das Speiseangebot hinfällig«, bedauert der Bürgermeister und Vorsitzender des Tourismus-Vereins die neuerliche Einschränkung. Nur beim Bäcker sei das Spezialitätenbrot zu kaufen. Mit der momentan außergewöhnlichen Situation müsse sich jeder arrangieren.
Es ist schlichtweg belastend für alle
Dies sieht Vereinssprecher Claus Jilg nicht anders. »Es ist schlichtweg belastend für alle«, fasst er seine Eindrücke zusammen. Die Vereine könnten weder im sportlichen noch im kulturellen Bereich ihren Aufgaben nachkommen. Damit entfielen auch in vielerlei Hinsicht Betreuungs- und Ausbildungsangebote für Jugendliche. Die Absage von Terminen bringe die Vereine natürlich in Zugzwang, möglicherweise verbunden mit finanziellen Nachteilen. »Man kann nur hoffen, dass in der zweiten Jahreshälfte die Kilwi und auch das Kirchenpatrozinium mit dem »Gallenmarkt« stattfinden können«, sieht Jilg in eine ungewisse Zukunft. Denn die hier eingebundenen Vereine seien auf diese Einnahmen angewiesen.
Wie die Vereine ihre jetzt abgesagten Veranstaltungen doch noch über die Bühne bringen, wird erst zu klären sein, wenn Planungssicherheit für die folgenden Wochen besteht. »Da wird es terminlich eng« sieht der Vereinssprecher die Lage realistisch. Aber eine Routineversammlung lasse sich sicher auch auf das kommende Jahr verschieben und im »Doppelpack für 2019 und 2020« abhalten.
Wie vielfältig die Vereine in Gemeinden tätig sind, merken manche wohl erst, wenn diese Aktivitäten fehlen. Das Hohe Lied des Ehrenamtes, ständig von Politikern gesungen, verhallt in dieser kulturellen Leere. Vielleicht gilt es auch hier einzuhalten und nachzudenken, dass die Vereine künftig nicht mit noch mehr Auflagen und auch finanziellen Restriktionen an der weiteren Ausführung ihrer Aufgaben empfindlich eingeschränkt werden. »Sollte ein Verein durch die momentan geltenden Einschränkungen in Schieflage geraten, muss man auch in diesem Bereich Vorsorge treffen und nach Lösungen suchen« hofft Jilg gegebenenfalls auf Einsicht bei den Verantwortlichen.
Tourismus bereitet Sorgen
»Mir brennt noch ein ganz anderes Thema auf den Nägeln«, lenkt Bürgermeister Richard Weith den Blick auf die wirtschaftliche Lage rund um den Tourismus, der für die Gemeinde Oberharmersbach eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Die Lage der Gastronomie und der Beherbergungsbetriebe bereite ihm zunehmend große Sorgen. Das nehme, bei einer länger anhaltenden Frist der Einschränkungen, für den einen oder anderen durchaus existenzbedrohende Ausmaße an. »Das wird noch abzuarbeiten sein, wie man mögliche finanzielle Schieflagen auffangen oder zumindest lindern kann«, hofft Weith auf ein baldiges Ende der Ausnahmesituation.