Seit Jahrhunderten feiert die Pfarrgemeinde Oberharmersbach ihr Kirchenpatrozinium mit der »Gallenkilwi«. Jeweils der Sonntag nach dem 16. Oktober, der Namenstag des Kirchenpatrons Gallus, gilt zu Ehren des »Apostels der Alamannen« als großer Festtag mit lebendigem Brauchtum.
Der Aufmarsch der Traditionsvereine gehört zum jährlichen Ritual, das dieses Jahr auf den Sonntag, 20. Oktober 2019, fällt. Vor dem Hauptgottesdienst um 9.10 Uhr und vor der Vesper am frühen Nachmittag um 13.40 Uhr marschieren der Spielmanns- und Fanfarenzug, die Historische Bürgerwehr sowie die Miliz- und Trachtenkapelle vor dem Rathaus auf, um nach der Fahnenparade mit klingendem Spiel in die festlich geschmückte Kirche einzuziehen. Zum Abschluss der religiösen Feierlichkeiten stehen am Nachmittag die Vereine in ihren farbenprächtigen Uniformen vor dem Pfarrhaus Spalier, um der Geistlichkeit mit einem dreifachen Salut und Marschmusik die weltliche Reverenz zu erweisen.
Marktgeschehen und »Gallusteller«
Schon frühmorgens bauen die Händler in der Ortsmitte ihre Stände auf. Das traditionelle Marktgeschehen scheint von seiner Attraktivität nicht allzu viel eingebüßt zu haben. Die Stimmung steht und fällt mitunter auch mit der vorherrschenden Witterung.
Die Oberharmersbacher Gastronomie hat sich auf die Gäste aus nah und fern eingestellt. Wie seit Jahren üblich, wird zum sonntäglichen Mittagstisch der beliebte »Gallusteller« (Schweinebauch mit Brotfüllung an Wirsing und Schwenkkartoffeln) serviert. Die Hotels »Bären« und »Freihof« sowie die Gasthäuser »Schwarzwälder Hof«, »Posthörnle« und »Linde« bieten die Festtagsspezialität an.
Koffermarkt und Straßenmusik
Erstmals bereichert ein »Koffermarkt« das bunte Treiben in der Ortsmitte. Rund 20 private Kunsthandwerkerinnen und -handwerker bieten in Anlehnung an die früheren »Bauchläden« im Kurpark ihre selbstgefertigten Waren aus dem Koffer an. Die Palette reicht vom Schmuck über Töpferwaren und Holzdeko bis zu Filz-, Strick- und Häkelware. Straßenmusiker sorgen ganztags im Dorf an verschiedenen Plätzen mit ihren eigenen musikalischen Interpretationen für abwechslungsreiche Unterhaltung.
Am 20. Oktober enden auch die von der Tourist-Info organisierten Oberharmersbacher Apfel-Most-Wochen. Abschließende Informationen gibt es an diesem Tag während einer Ausstellung, die der Förderverein »Ortenauer Streuobstanbau« organisiert. An Infoständen werden verschiedene Apfelsorten präsentiert und die Veränderungen sowie die Möglichkeiten der Erhaltung dieser landschaftsprägenden Bewirtschaftung aufgezeigt.
Märkte zur Versorgung und Ablenkung
Nach dem Kilwireigen im Harmersbach- und Nordrachtal folgt im Oktober zum Abschluss die »Gallenkilwi«, der älteste Markt im Harmersbachtal. Nachweislich seit dem 16. Jahrhundert herrschte anlässlich des Kirchenpatroziniums der Pfarrei St. Gallus über zwei Tage hinweg rund um Kirche und Stubenwirtschaft ein ausgelassenes Treiben.
Bereits die ersten Aufzeichnungen über den »Gallenmarkt« sprechen von dieser Einrichtung »seit unfürdenklichen Zeiten«. Im 17. Jahrhundert kamen, bedingt durch die Gründung der Zünfte im Reichstal Harmersbach und der damit verbundenen Arbeitsteilung weitere Märkte hinzu. Diese Wochenmärkte wurden teilweise auch auf Untertäler Territorium in der Nähe der Wallfahrtskirche abgehalten. Den Zellern war diese »Novität« ein Dorn im Auge, befürchteten sie doch Umsatzeinbußen für ihre Händler und Handwerker. Die geharnischten Proteste ließen Vogt und Gericht zu Harmersbach keinen Deut zurückweichen.
Eigener Brauch
Der Markt an Egidi (8. September), stets im Obertal abgehalten, wurde bereits im 17. Jahrhundert auf den Sonntag nach Mariä Geburt verlegt. An diesem Sonntag beziehungsweise Wochenende feiern die Oberharmersbacher heute noch ihre »Kilwi«. Erst mit der zunehmenden »Entfremdung« zwischen Ober- und Untertal in den 1780er Jahren, deutlich geworden durch eine eigene Handwerkerordnung und einer eigenen Abteilung der Bürgerwehr, gab es auch im Untertal eine an den Obertäler Brauch angelehnte »Kilwi«, eine Woche nach der ursprünglichen Kilwi des Obertals.
Ein buntes Treiben mit Krämern und Viehhändlern, Marktschreiern und Spielern muss im Dorf geherrscht haben. Dies wirkte auch anziehend auf weniger gern gesehenes Publikum. Die Reichsstadt Zell beschwerte sich mehr als einmal und drängte darauf, »bettler und landfahrer« abzuschaffen sowie »marktschreyern und anderem liderlichem gesind … keinen unterschlupf« zu geben, da diese Leute auch der Stadt zur Last fielen.
Strenge Regeln
Alljährlich rief der Gerichtsbote den Jahrmarkt aus, legte die Standorte der Stände fest und die Höhe der Geldbuße bei Verstößen. Der »Gallenmarkt« begann und endete mit dem Mittagsläuten am 15. beziehungsweise 17. Oktober – der 16. ist der Namenstag des Oberharmersbacher Kirchenheiligen. Bereits am Tag zuvor prüften Vogt und Gericht Maße und Gewichte der Händler, um »betrügereyen und schalkhungen« zu vermeiden. Die Talobrigkeit legte auch die Preise fest. Darunter fielen nicht nur Produkte, die im Tal nicht angebaut oder hergestellt werden konnten, sondern vor allem Gebrauchsartikel wie Seifen, Dochte, Öl, Leder- und Eisenwaren sowie verschiedene Stoff- und Tucharten. Verschiedene Produkte durften nicht auf demselben Stand liegen, Handwerker der gleichen Sparte mussten verschiedene Standflächen ausweisen.
Die Stadt Zell hatte durchaus auch Vorteile von diesen Märkten im Tal. Nach altem Brauch kassierte sie von den fremden Kaufleuten den »Pfundzoll«, während Vogt und Gericht Standgeld erhoben und damit die Unkosten bestritten.
Eng mit Kirchenpatron verwoben
Die heutige »Gallenkilwi« ist eng mit dem Kirchenpatrozinium verbunden. Am Sonntag, 20. Oktober, marschieren anlässlich des Gedenktages an den Namenspatron der Oberharmersbacher Pfarrkirche die örtlichen Traditionsvereine auf – Spielmanns- und Fanfarenzug, Miliz- und Trachtenkapelle und Historische Bürgerwehr – und verleihen dem größten Fest der Kirchengemeinde einen würdigen Rahmen.