In der letzten Sitzung vor der Sommerpause beriet der Gemeinderat über die Anpassung der Elternbeiträge für die nächsten beiden Kindergartenjahre. Zukünftig soll sie jährlich auf der Tagesordnung des Gemeinderats stehen.
In Zeiten knapper Kassen und hoher Leistungsqualität erfolgte der Beschluss nach intensiver Diskussion einstimmig: Die Elternbeiträge für den Oberharmersbacher Kindergarten werden angehoben. Seitens des Elternbeirats hatte es nach einem Abstimmungsgespräch im Vorfeld keine Rückmeldungen an die Verwaltung gegeben. Im letzten Jahr wurde ausgesetzt, weil man erst die Ergebnisse aus dem »Gute-Kita-Gesetz« abwarten wollte.
Betriebskosten ausschlaggebend
Der Erhöhung zugrunde gelegt wurde ein Kalkulationsschema, bei dem die Empfehlungen des Städte- und Gemeindetags und der Kirchen größeren Einfluss gewinnen. Der Städte- und Gemeindetag empfiehlt, dass durch Elternbeiträge mindestens 20 Prozent der Betriebskosten gedeckt werden. In Oberharmersbach sind es bisher nur 13 bis 15 Prozent und damit deutlich weniger als die Forderung des Gemeindetags. Diese moderate Beitragsgestaltung war vom Gemeinderat bisher gewünscht. Bürgermeister Weith mahnte an, der Empfehlung des Gemeindetags so gut es geht zu folgen.
Die Zahlen
Im neuen Kindergartenjahr 2019/2020 wird ein Ü3-Kindergartenplatz für das erste Kind einer Familie, das die Einrichtung in der Regelzeit besucht, 110 Euro kosten, für das zweite Kind 72 Euro (Empfehlung des Gemeindetags: 117 Euro/90 Euro). Wer die VÖ 6 (verlängerte Öffnungszeiten) nutzt – das ist der größte Anteil – bezahlt 121 Euro Elternbeitrag für das erste Kind und 79 Euro für das zweite (Empfehlung Gemeindetags: 146 Euro/113 Euro). Die anderen Modelle werden in ähnlicher Weise angepasst. Bei den Elternbeiträgen für die U3-Betreuung (Krippe) bleibt man bewußt noch deutlicher unter dem Durchschnitt als bei der Ü3-Betreuung. Das schafft Entlastung insbesondere bei Eltern, die zeitnah wieder in die Berufstätigkeit einsteigen möchten oder müssen.
Im kommenden Jahr wird noch mit einem Kindergarten-Jahr gerechnet, das zwölf Monate umfasst. In einem zweiten Schritt wird im Jahr 2020/2021 dann auf ein elfmonatiges Kindergartenjahr umgestellt, das die Kindergartenferien im August mit abbildet, und um weitere acht Prozent erhöht. Die Gemeinde rechnet durch die neue Beiträge mit Mehreinnahmen im Jahr 2019/2020 von gut 17.000 Euro, im Jahr 2020/2021 von gut 19.000 Euro (Basis: aktuelle Kinderzahl).
Zudem wurden in dem gefassten Beschluss mehrere Festlegungen getroffen, die unter anderem Tarifwechsel, Aufnahmetermine und Kündigungsfristen betreffen. Sie werden in eine neue Kindergarten-Ordnung eingearbeitet.
Hohes Niveau
»Der Zuschussbedarf steigt«, erläuterte Bürgermeister Richard Weith, »nicht zuletzt durch das quantitativ und qualitativ stetig wachsende Leistungsangebot des Kindergartens.« Das Kinderhaus Sonnenblume arbeitet inklusiv, nimmt mit vier Gruppen am Sprachförderprogramm der L-Bank teil, unterstützt die Mitarbeiterinnen bei Fortbildungen, beispielsweise bezüglich Montessori- oder Waldkindergarten-Pädagogik und pflegt diverse Kooperationen (u.a. im Bereich Bauernhofpädagogik). Ein Frühstücksbuffet und Getränke werden täglich kostenlos bereitgestellt. Es wurde und wird in Gebäude und Ausstattung permanent investiert. Anlässlich der Einrichtung einer weiteren Gruppe hat der Gemeinderat für Umbauarbeiten vor Kurzem ein Investitionspaket von über 50.000 Euro verabschiedet. Man befinde sich derzeit in den vorbereitenden Planungen zur Errichtung einer Waldgruppe auf separatem Gelände. Die Erneuerung der Heizungsanlage mit einem Volumen von über 60.000 Euro stehe unmittelbar bevor, erläutert der Bürgermeister.
Notwendig wird die Erhöhung auch aufgrund steigender Personalkosten – bedingt durch tarifliche Lohnsteigerungen, die den Erzieherinnen wohl jeder gönnt, und mehr vorgehaltenes Personal, das aufgrund der Größe des Kindergartens und der Oberharmersbacher Geburtenzahlen notwendig ist.
Rote Zahl bleibt
Heruntergerechnet auf die Betreuungsstunde erscheint die Erhöhung moderat: In VÖ 6 kostet der Kindergartenplatz 2019/2020 die Eltern 11 Cent pro Monatsstunde mehr, in drei Jahren summieren sich die Anpassungen auf 27 Cent pro Monatsstunde. »Diese Art der Darstellung ist legitim«, findet Bürgermeister Weith. Selbst nach der zweiten Stufe der Anpassung im Kindergartenjahr 2020/21 und Umstellung auf eine Gebührenerhebung von 11 Monaten wird eine Stunde Kinderbetreuung in einer VÖ6-Gruppe pro Monat nicht mehr als 1 EUR kosten. »Es ist eine Überlegung wert, für was man das Geld ansonsten oft ausgibt«, gibt Weith zu Bedenken.
Auch nach der Erhöhung wird in Bezug auf das Kindergarten-Angebot für die Gemeinde eine dicke rote Zahl im Haushalt verbleiben. Der Zuschussbedarf für den Kindergarten wird laut Haushaltsplan 2019 voraussichtlich 560.000 Euro betragen. Auf einen Kindergarten-Platz entfallen summa summarum im Schnitt über alle Modelle bei der aktuellen Kinderzahl von 98 Kindern folglich etwa 5.700 Euro. Die empfohlene Deckungsquote bei den Betriebskosten wird damit auch unter Berücksichtigung der Gebührenerhöhung noch nicht erreicht.
Balanceakt
Kindergarten-Leiterin Christiane Müller-Pfau verwies auf die hohe Qualität der Betreuung, obwohl der Kindergarten jedes Jahr mit einem großen Fragezeichen in Hinblick auf die Gruppengrößen zu kämpfen hat. Seit 2013 besteht für Kinder ab einem Jahr ein Anspruch auf Kleinkindbetreuung. Die Gemeinde muss entsprechende Kapazitäten vorhalten. Viele Kinder kommen aber erst mit drei Jahren – ein Balanceakt in Sachen Personal- und Gruppenplanung. »Bisher kommen alle unter«, machte Müller-Pfau die gute Arbeit des Kindergartens und der Verwaltung deutlich. Damit stellt sich in Oberharmersbach die Situation besser dar, als in vielen anderen Gemeinden, wo zwar Räume da sind, aber zu wenig Personal.
Transparenz
Der Entscheidung vorausgegangen war eine lebhafte Diskussion. Sebastian Brucher (FW) befürchtete, dass durch die Erhöhung eine Spirale in Gang gesetzt wird, dass die Oberharmersbacher ihre Kinder dann lieber in einem Kindergarten an ihrem Arbeitsort anmelden. Einige Eltern hätten ihm dies bereits signalisiert. Clarissa Magdalena Lehmann (CDU) regte an, die Gründe für die Erhöhung transparent zu kommunizieren und damit nachvollziehbar zu machen. Andreas Kasper (FW) und Hubert Müller (CDU) war wichtig zu betonen, dass die Elternbeiträge momentan und auch nach der Erhöhung noch deutlich unter der Empfehlung liegen. Kasper ergänzte, dass man mit den Steuergeldern sorgsam umgehen müsse. Zudem habe sich schon oft gezeigt, dass zu langes Herausschieben nicht hilft, sondern nur noch größere Probleme nach sich zieht. Auch Anja Jilg (CDU) ist es wichtig, die Gebühren auf Vordermann zu bringen.
Stichwort »Gebührenfreie Kinderbetreuung«
»Die gemeindewirtschaftsrechtlichen Vorgaben sind eindeutig«, so Bürgermeister Richard Weith. Soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen, hat die Gemeinde – soweit vertretbar und geboten – ihre zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Einnahmen aus Entgelten für ihre Leistungen zu beschaffen. Darunter fallen, was die Kinderbetreuung angeht, auch die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung. Die »sonstigen Erträge«, beispielsweise die Landeszuschüsse, reichen bei weitem nicht zur auskömmlichen Finanzierung des laufenden Kindergartenbetriebs aus. »Wenn wir die Steuern und Gebühren nicht auf einem mindestens durchschnittlichen Niveau halten, werden wir als Gemeinde bei der Gewährung von Zuweisungen und Zuschüssen (zum Beispiel aus dem Ausgleichstock) künftig das Nachsehen haben«, mahnt der Bürgermeister an. »Das kann sich Oberharmersbach nicht leisten!«
»Natürlich wäre es erstrebenswert, die Kinderbetreuung beitragsfrei zu stellen; wer dies aber fordert, muss auch sagen, woher das Geld kommen soll«, stellt Bürgermeister Weith seine klare Sichtweise dar. »Wenn der Bund deutlich mehr als bisher seiner verfassungsrechtlich verankerten Aufgabe nachkommen würde, für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu sorgen, sähe es anders aus.« Hierzu gehört, dass nicht nur Aufgaben auf die Kommunen verlagert werden (zum Beispiel Rechtsanspruch Kindergartenplatz), sondern auch die notwendigen Finanzmittel mit gegeben werden. Interessant findet der Bürgermeister, dass gerade Bundesländer, die keinen Cent in den Länderfinanzausgleich einzahlen (wie zum Beispiel Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen) es sich herausnehmen, Kinderbetreuung ganz oder teilweise beitragsfrei zu stellen. »So lange sich an diesem Missstand insgesamt nichts Grundlegendes ändert, ist es für Kommunen legitim, für eine gute Kinderbetreuung auch eine adäquate Gegenleistung in Form von auskömmlichen Gebühren zu verlangen«, befindet Weith abschließend.