Für fünf Monate hat Silke Stößer im Zuwälder Tal in Oberharmersbach ihr Domizil bezogen. Seit 2016 studiert sie an der Hochschule Rottenburg Forstwissenschaft und leistet derzeit ihr Praxissemester im hiesigen Gemeindewald ab. Betreut wird sie von Revierleiter Hans Lehmann.




Hier oben auf der Heidenkirche in rund 700 Meter Höhe treibt die Forststudentin mit kraftvollen Schlägen den Bohrstock in den Waldboden. Auf einem Areal von rund vier Hektar wird sie insgesamt 16 Proben ziehen, Grundlage für ihren Praktikumsbericht, der sich mit der Standortskartierung beschäftigt. In dem teilweise blocküberlagerten Gelände gelingt nicht jeder Versuch. Eine Tiefe von 80 Zentimeter mindestens wäre ideal, aber Sandsteinbrocken bremsen sie mitunter vorzeitig aus, ein neuer Versuch ein Meter weiter ist angesagt.
Silke Stößer brauchte nicht lange zu überlegen, wo sie ihr Praxissemester ableistet. »Als ich im vergangenen Jahr während unserer Exkursion mit dem 2. Semester der Rottenburger Hochschule diese Landschaft sah, war für mich die Entscheidung gefallen« erinnert sie sich. Natürlich sei das Gelände eine Herausforderung, aber letztlich habe sie überzeugt, »wie der Wald dasteht.«
Nur noch wenige Zentimeter ragt der Bohrstock aus dem Waldboden. Silke Stößer dreht den Nutbohrer um seine Achse und zieht ihn heraus. Deutlich ist die Abfolge der Horizonte zu erkennen, von der dunklen humifizierten organischen Auflage über eine hellere gelbe von Lehm dominierte Schicht, bis schließlich im unteren Abschnitt der sandige Anteil und kleinere Gesteinsbrocken den Übergang zum anstehenden Buntsandstein anzeigen.
Mit der Fingerprobe geht sie an die Analyse. Eine Aufnahme hält das in der Nut sichtbar Profil fest, es wird vermessen und beschrieben.
Neben diesen praktischen Arbeiten im Gelände, erfährt Silke Stößer im Alltag die Vielseitigkeit des Försterberufs. Sie erlebte hautnah
die Käferkalamität des trockenen Sommers, musste ständig kleinere Holzlose aufnehmen, war bei Verkaufsverhandlungen und Holzübergaben dabei, erfährt Details zum Waldbau und Naturschutz. Und zwischendurch immer wieder Schreibtischarbeit mit Stundenabrechnungen und Arbeitseinsatz der Forstwirte, Hiebs- und Vollzugsplanung.
Sie muss sich mit dem Wegebau und der Forsttechnik vertraut machen, sowie Kenntnisse beim Arbeitsschutz vertiefen. »Den Motorsägenlehrgang habe ich hinter mir« sagt sie nebenbei. Daneben gilt es, ein waches Auge auf die Vegetation zu haben, um mögliche Veränderungen durch Umwelteinflüsse rechtzeitig einschätzen zu können. Dass sie dabei auch die Grundregeln der Jagd beherrscht, hat sie jüngst mit ihrer bestandenen Jägerprüfung belegt.
Zu ihrem Studium fand sie erst auf Umwegen. In einer Obstbaufamilie im Stuttgarter Raum aufgewachsen, war sie schon immer mit der Natur und auch mit dem Wald verbunden. Dennoch absolvierte sie zuerst eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin, begann ein Psychologie-Studium, das sie wegen Familie und zweier Kinder nicht abschloss. Ihre Leidenschaft galt immer mehr der Pflanzenheilkunde, die sie in einer Ausbildung vertiefte. Sie machte sich im Jahre 2003 selbständig, bietet seither Waldheilkunde, Ausbildungen und Waldtherapie an, hält Seminare und ließ andere während ihrer Exkursionen an ihrem vielseitigen Wissen teilhaben.
»Ich habe jetzt das Richtige für mich gefunden« ist sich Silke Stößer sicher. Es sei von Vorteil, dass die Ausbildung und das Studium heute noch breiter aufgestellt seien als früher. »Es ist an der Zeit, den Anteil der Frauen im Forstdienst von gerademal acht Prozent anzuheben« lacht sie.
Neben den klassischen forstlichen Fächern wird insbesondere der Nachhaltigkeit, aber auch dem Naturschutz, der Landschaftspflege oder der Waldpädagogik mehr Aufmerksamkeit gewidmet. Diesem Bereich will sie sich in den kommenden zwei Semestern bis zum »Bachelor in Forstwissenschaft« verstärkt widmen.