Erzbischof Stephan Burger löste sein Versprechen ein. Da er wegen eines Auslandsaufenthaltes zur Weihe des umgestalteten Chorraums und des neuen Altars im vergangenen Dezember nicht kommen konnte, besuchte er zum Fest des Kirchenpatrons Gallus die Oberharmersbacher Pfarrei, die den Erzbischof mit einem festlichen Empfang willkommen hieß.






Monika Bleier begrüßte als Sprecherin des Gemeindeteams den Gast aus Freiburg und hieß mit ihm auch die Persönlichkeiten aus Politik und Kirche willkommen. Erzbischof Stephan Burger sah diesen Besuch als Grundlage für eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit.
In seiner Predigt sprach er den so lange und von vielen ersehnten Klartext. Ausgehend vom Evangelium erinnerte er daran, dass das Reich Christi nicht von dieser Welt sei, in dem die Großen die Kleinen und Schwachen immer wieder unterdrückten. Es sei aber auch die Erfahrung in der Kirche, dass Mächtige ihre Macht nicht nur einsetzten, um Gutes zu tun, sondern um Kinder und Jugendliche zu missbrauchen. Das Geschehene könne nicht wieder gut gemacht werden. Durch strukturelle Begebenheiten habe man das zu lange vertuscht.
Entschuldigung bei den Betroffenen
»Von ganzem Herzen möchte ich mich bei Ihnen für das Verhaltens meines Vorgängers und der Bistumsleitung entschuldigen«, bat der Erzbischof. Rechtzeitiges Handeln sei ausgeblieben, Rufe habe man ignoriert, Maßnahmen zu spät ergriffen. »Die Verantwortlichen haben versagt«, geißelte er deren Verhalten. Das Leiden vieler Familien sei durch Vertuschung verlängert worden. Als Verantwortlicher stehe er jetzt fassungslos den Tatsachen gegenüber und könne die Betroffenen nur um Vergebung bitten. »Es war mir wichtig, Ihnen das so direkt zu sagen«, begründete er seine deutlichen Worte.
Um neues Vertrauen geworben
Die Spannung zwischen strafrechtlicher Bewertung und moralischer Verantwortung könne er nicht auflösen. Die Frage stelle sich, ob die Kirche so weiter machen könne. »Hier ist etwas Neues entstanden«, verwies er auf den vor Jahresfrist abgeschlossenen Umbau. Genauso wie Gallus die Menschen und die Kirche durch sein authentisches Leben dort aufgebaut habe, wo Misstrauen und Skepsis herrschten, soll auch jetzt hier ein Neuanfang begonnen werden. Als ein äußeres Zeichen dafür wertete Burger den Besuch der zahlreichen Gläubigen zum Festgottesdienst. Dazu gehöre auch, dass man gezielt Möglichkeiten schaffe, aus dem Blickwinkel der Betroffenen zuzuhören und ihnen Hilfe anzubieten. Die Kirche habe hier noch einen langen Weg vor sich, den sie im Geist des Evangeliums gehen müsse. »Lassen Sie uns alle gemeinsam daran arbeiten, die Zukunft zu gestalten«, warb er um neues Vertrauen.
Die Fürbitten schlossen die Leiden der Betroffenen ein. Als besondere Geste sprach Erzbischof Stephan Burger beim Gedenkstein ein Gebet, zündete eine Kerze an und
erteilte den Segen.
Erzbischof hielt Versprechen ein
Pfarrer Bonaventura Gerner lobte den Gast aus Freiburg für die Einhaltung seines Versprechens, die Pfarrgemeinde zu besuchen und über die Missbrauchsfälle Klartext zu reden. Er bedankte sich bei Erzbischof Stephan Burger, dass er sich für die Chorraumgestaltung so tatkräftig eingesetzt habe, die zuvor »in den Tiefen des Ordinariats verschwunden war«. Gerner äußerste nochmals deutlich Kritik, weil »in der Causa Bühler durch Erzbischof Zollitsch und die Bistumsleitung alles andere als korrekt und gut verfahren wurde, dass vielmehr bewusst gelogen und vertuscht wurde«. Er bat Erzbischof Burger zu überprüfen, inwieweit sein Vorgänger daher das Erzbistum noch öffentlich vertreten könne, zumal er in unmittelbarer Nähe zu Oberharmersbach auftrete.
Umso mehr freue sich die ganze Gemeinde, dass mit dem Angebot des persönlichen Gesprächs und der versöhnlichen Geste des heutigen Besuchs ein neuer Anfang möglich sei, um das Vertrauen in die Amtskirche zurückzugewinnen. Dazu bat Pfarrer Gerner auch künftig um die Unterstützung aus Freiburg. »Was ich tun kann, tue ich« versprach Erzbischof Stephan Burger zum Abschluss des Festgottesdienstes zu Ehren des Oberharmersbacher Kirchenpatrons Gallus.