Als »Betreuungsabgeordneter« für den Ortenaukreis besuchte der SPD-Bundestagsagordnete Dr. Johannes Fechner aus dem Wahlkreis Emmendingen am Dienstag die Gemeinde Oberharmersbach. Er informierte sich bei seinem Antrittsbesuch über die massiven Probleme des ländlichen Raumes.
Im Bürgersaal der Gemeinde begrüßte Bürgermeister Richard Weith beim Empfang auch die Hauptamsleiterin Dominika Hättig, den stellvertretenden Rechnungsamtsleiter Johannes Lehmann, die Leiterin des Tourismusbüro Jill Löffler sowie die Mitglieder des Gemeinderats Sonja Wurth und Roland Buttgereit.
»Beeindruckend, was ihr hier auf die Beine stellt«, zog der Abgeordnete nach zwei Stunden ein persönliches Fazit, das er auch lobend so im Gästebuch der Gemeinde eintrug. Mitversursacht war dieses Urteil sicher auch dadurch, wie die Gemeinde Oberharmersbach die aktuellen und akuten Probleme zu meistern versucht, die Bürgermeister Richard Weith für Oberharmersbach als »typische Gemeinde im ländlichen Raum« dem Politiker präsentierte.
Exemplarisch für diese Schwierigkeiten hatte zuvor Jill Löffler die Probleme in der für die Gemeinde wichtigen Tourismusbranche aufgelistet. Jüngst eingebettet in die »Ferienlandschaft Mittlerer Schwarzwald« habe man sich zusätzliche Impulse erhofft. Trotz neuer Angebote im Bereich »Genießen« (wie beispielweise die »Bärlauch-Wochen«) und Wandern (wie der »Harmersbacher Vesperweg«) sowie Angebote für Familienferien müsse man rückläufige Übernachtungszahlen schreiben. Seit 2007 sei diese Zahl von 124.000 mit leichten Schwankungen auf knapp unter 100.000 gesunken. Das sei dem Rückgang der Bus-Urlauber geschuldet, ferner den Nachfolgeproblemen in der Gastronomie und bei den Beherbergungsbetrieben. »Wir müssen unsere Attraktivität erhalten«, mahnte Löffler und verwies auf eines der Projekte, den »Natürlichen Dorfurlaub« (NaDU).
Dringender Handlungsbedarf besteht nicht nur hier. Kaum einen Bereich hat Bürgermeister Richard Weith bei seiner »Problempräsentation« ausgespart. Die aktuell begonnene »Revitalisierung des Ortskerns« bringe zwar für das Rathaus neben der Barrierefreiheit auch zeitgemäße Arbeitsplätze und energetische Verbesserungen, verursache aber enorme Kosten. »In der Eigenfinanzierung sind wir eben schwach auf Brust«, bekannte Weith mit dem Hinweis auf die Unterrepräsentation der Gemeinde bei der Gewerbesteuer. Zwar sei man im Landessanierungsprogramm, dennoch bringe der Bau des Feuerwehrhauses zusätzlich finanzielle Belastungen. Ferner sei die Örtlichkeit des Bauhofes ungeklärt und die energetische Sanierung der Reichstalhalle stünde an. »Wir sind darauf angewiesen, auch nach 2020 weitere Mittel zu bekommen«, umriss Weith den engen finanziellen Spielraum der Gemeinde.
Die topografische Benachteiligung der Gemeinde mit ihrem weitverzweigten Straßennetz und den zahlreichen Brücken verdeutlichten dem Gast aus Berlin weitere Herausforderungen. »Der hohe Sanierungs- und Erneuerungsbedarf kann die Gemeinde kaum allein schultern«, beklagte der Bürgermeister, zumal das Straßenbauamt vor 2020 keine Arbeiten vornehmen könne, obwohl nahezu 1.200 Arbeitskräfte täglich aus- oder einpendeln. Höhere Kosten fielen auch bei der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung an.
Nicht minder drastisch schilderte das Gemeindeoberhaupt die Situation beim Breitbandausbau. Auf 4,7 Millionen Euro sei das Projekt veranschlagt, wobei man auf Fördermittel in Höhe von 1,9 Millionen Euro hoffe könne. Der »Förderdschungel« und die schikanöse Bürokratie sei hier kaum noch zu überbieten. »Selbst wenn das Geld fließt, bleibt die ländliche Gemeinde mit ihrem Eigenanteil allein«, schlug Weith erneut eine Kerbe der Benachteiligung. Ferner wurde auf die mangelhafte ärztliche Versorgung und die Schließung der Werkrealschule beklagt.
»Die Probleme des ländlichen Raumes müssen von der Politik ernst genommen werden«, gab Weith dem Abgeordneten mit auf den Weg. Für Gemeinden im ländlichen Raum müsse ein »Struktur- und Flächenfaktor« berücksichtigt werden. »Was bleibt übrig?« lautete die abschließende Frage, denn ein intaktes Vereinsleben und die Offenhaltung der Landschaft – beides wichtige Faktoren für den Tourismus – dürfen auch nicht aus den Augen verloren werden.
Dr. Johannes Fechner machte keinen Hehl daraus, dass der ländliche Raum Hilfe benötige. Er verwies auf die großen Projekte mit A5 und B33, auch für die Feriengäste wichtig, aber es bestehe natürlich Handlungsbedarf bei der L94 und den Gefahrenstellen entlang des Radweges. »Ganz gleich, ob im Pflegebereich, im Wohnungsbau oder in der Infrastruktur braucht der ländliche Raum mehr Beachtung«, stellte er fest und gab auch seinem Vorredner Recht, dass es bei der Vergabe der Fördermittel einen Bürokratieabbau geben müsse. Er sagte auch zu, dass er gerade beim Breitbandausbau »offensive Telefonate« führen werde. »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, gab er der Gemeinde mit auf den Weg.