Nach mehrjähriger Bauphase hat die berühmte Marienkirche im südhessischen Gelnhausen eine kirchenmusikalische Sensation erhalten. Sie stammt aus Oberharmersbach.
Zwei neue Orgeln unterschiedlicher Provenienz mit homogenem Klangkörper, gleichzeitig spielbar von mehreren Organisten an mehreren Spielanlagen. Die vor kurzem von der Oberharmersbacher Orgelbau-Werkstatt Claudius Winterhalter fertig gestellten Instrumente werden in der Orgelnacht am Samstag, 9. Juni, in ihrer erstaunlich universellen Vielfalt zu hören sein.
Weithin sichtbar überragt die Marienkirche mit ihren fünf Türmen als Wahrzeichen die Barbarossa-Stadt Gelnhausen im dortigen Kinzigtal. Schon seit längerem plante die Kirchengemeinde, die sehr anfällig gewordene Orgel aus den 1960er Jahren durch eine klangintensive, hochmoderne Neukonzeption zu ersetzen. Dabei musste das 135 Jahre alte »Schwalbennest-Gehäuse« in der frühgotischen Basilika erhalten bleiben. Ferner sollte ein enges Musizieren mit einem Chor und Orchester möglich sein, was nur in der Vierung beim Altar möglich ist. Musiker und Zuhörer tauchen in eine komplexe Live-Stereophonie ein.
Dass die Kirchengemeinde der Barbarossa-Stadt Gelnhausen sich letztlich für eine Winterhalter-Orgel entschied, war der ausgezeichneten Reputation der bisherigen Projekte geschuldet, darunter unter anderem die durchweg gelobte Instrument der Dom-Kapelle in Freiberg/Sachsen, die gelungene Erneuerung der Orgel in der Wieskirche von Steingaden und die symphonische Konstanzer Konzilsorgel. Bei einer Besichtigungsfahrt in den Schwarzwald ließ sich der Bauausschuss der Landeskirche Hessen-Nassau von der großen Luftkissen-Orgel in der Alpirsbacher Klosterkirche endgültig überzeugen.
Die Arbeiten aus der Oberharmersbacher Orgelwerkstatt genießen nicht zuletzt wegen ihrer ungewöhnlichen Lösungsansätze einen ausgezeichneten Ruf. Diese waren auch jetzt wieder gefragt.
Die komplexen Vorgaben – zwei Orgeln als Kombination barock-französischer mit deutsch-romantischer Klanglichkeit, einem zusätzlichen, fahrbaren Spieltisch, klassische Spieltrakturen und eine hochmoderne Computersteuerung – bedeuteten auch jetzt wieder eine besondere Herausforderung.
An der hohen Turmwand hängt wie bisher als »Schwalbennest« die Hauptorgel. Neun Tonnen galt es in luftiger Höhe zu verankern, um die 2.118 Pfeifen und das gesamte Innenleben auf engstem Raum unterzubringen. Mit so genannten »Transmissionen« (Koppelung von Registern) und »Extensionen« (Erweiterung des Tonumfangs eines Registers) konnte das Platzproblem perfekt gelöst werden.
Bereits 2015 war die kleinere »Chororgel« fertig gestellt. Dieses von Claudius Winterhalter in radikaler Reduktion als geschwungenes Objekt in die nördliche Vierung komponierte Werk, besteht äußerlich lediglich aus gehobelter Eiche, hochprozentig legierten Zinnpfeifen und einer Bekrönung aus goldbeschichtetem Glas. Diesem kontemporären Bild steht die aktuell fertig gestellte Hauptorgel mit ihrer neogotischen Gehäusepracht gegenüber. Beide Stile stehen architektonisch wie klanglich für universelle Vielfalt und zugleich für außerordentliche Homogenität in einem historisch wandelbaren Kirchenraum.
Wenn dann in der Orgelnacht beide Instrumente in ihrer Stimmenvielfalt erklingen, wird der Leitsatz der Orgel-Werkstatt Winterhalter mit Leben erfüllt: Alle Kunst der Freude.