Gruselfaktor der reichlich anderen Art: Die Erstausgabe der Moospfaff-Veranstaltung „Nachts allein im Wald“ hat für viel Vergnügen und langanhaltenden Applaus gesorgt.
Wie friedlich es des Nachts doch im Wald sein kann: In der nur von wenigen Windlichtern erhellten Dunkelheit des Bürgersaals beschwört Barbara Kamm-Essig (Leiterin der Touristen-Info Nordach) eine entsprechende Stimmung in der Fantasie der Zuhörer herauf. Doch ach, Bodennebel zieht auf, die Finger werden klamm. Und war es eben noch still, so ist nun das Knacken von Zweigen zu hören, das sich zu einem Krachen verdichtet.
„Sack Zement, isch des finster“, jammert eine Frauenstimme. Dann ein Schmerzensschrei und ein verzweifeltes Stoßgebet zum Himmel: „Kann do keiner a weng Licht anmoche?“ Doch, es kann. Und zwar ein Licht, das die Bäuerin Zetzel (alias Michaela Neuberger) auf der Bühne zeigt.
So viele Leut!
„Hoooh, wir sind ja gar nicht alleine im Wald“, stellt sie fest und reißt angesichts des über 80-köpfigen Publikums die Augen zu Untertellergröße auf, „huih, so viele Leut!“ Mit „wir“ meint sie den Sagenerzähler Willi Keller sowie den Gitarristen Klaus Leopold, erstmals agieren sie gemeinsam. Der Gitarrist, Dozent an der Lahrer Musikschule, lässt mit einer Eigenkomposition Töne erklingen, die unter anderem an das sanfte Plätschern eines Waldbächleins erinnern.
Schmunzelige Anektoden
Dann aber geht es ans Eingemachte. Oder besser gesagt: ans Nervenkostüm. Denn die Zetzel meint, das Publikum müsse erfahren, dass es nachts im Wald nicht so ohne sei, auch heutzutage noch, „das wissen die Leut´ bestimmt nicht.“ Und so beginnt Willi Keller, fortan von Saitenklängen untermalt, aus seinen Büchern „Sagen des Kinzigtals“ respektive „Sagen des Renchtals“ vorzulesen. Gruselige und doch auch schmunzlige Anekdoten, die von der Pest handeln, von schlohweißen Schlangen und von Hexen, von in der Dunkelheit unerklärlich umgehenden Lichtern, von gespenstischen Feuergestalten, von wegen ihrer Betrügereien Verfluchten und gar von drei riesigen Hasen, die aus dem Wald gerannt kommen und den Tod bringen.
„Uffhock-Geischder“
Zum Vergnügen des Publikums hockt die Zetzel schlotternd auf ihrem Stuhl und knabbert an den Fingernägeln: „Willi, du mochsch mir Ongschd.“ Was jenen nicht daran hindert, fortzufahren: Mit den seltsamen Begebenheiten in der Nähe eines Bildstocks, der einst zum Gedenken an zwei verschwundene Mädchen errichtet worden war. Mit dem Geist des Hurbacher Wibli, das diejenigen, die ihm begegnen, bis zum kirchlichen Betzeitläuten durch die Nacht jagt. Mit einem plötzlich auftauchenden Lämmlein, das den nächtlichen Wanderer begleitet und sich währenddessen zum Ungetüm entwickelt. Und mit dem „Ballmattenpudel“.
Gruseliger Geisterhund
Natürlich um keinen lieblich gelockten Pudel handelt es sich hier. Stattdessen wurden Geisterhunde früher so genannt, egal wo und warum sie umgingen – „Pudel“, das war eine Bezeichnung für den Teufel. Besagter Ballmattenpudel gehört zur Sorte der nächtlichen „Uffhockgeischder“. Jener Schreckensgestalten also, die auf ihren Opfern bis zu deren Erschöpfung reiten, auf dem Buckel oder im Nacken, die ganze Nacht hindurch.
Panik im Saal
Als schließlich die Rede auf eine gefährliche Wiedergängerin namens Lambi kommt, die ihr Unwesen in Bad Griesbach treibt, hält es die Zetzel nicht mehr auf dem Stuhl. Kreischend verlässt sie die Bühne, um unter dem Gelächter der im Saal Sitzenden zwischen den Tischreihen umherzurennen. „Ich bin grad froh, dass zwischen der Lambi un uns der Buckel liegt“ zetert sie, mit imaginärem Blick auf den Löcherberg.
Sagen-„Schlacht“
Doch auch, wenn Klaus Leopold sie mit beruhigenden Gitarrenklängen aufzumuntern versucht: Es wird nicht besser für die arme Bäuerin. Da erscheint im nächtlichen Schneesturm einer Magd der Geist eines Schäfers, erfroren auf der Suche nach seinen Tieren. Und da sehen sich zwei Jungfern in der Heiligen Nacht plötzlich von Verstorbenen umgeben – mitten in der Kirche!
So geht es nicht weiter
Die Zetzel wäre nicht die Zetzel, wenn sie sich nicht zu helfen wüsste: Nach einer Pause, in der die Familie Becherer vom Birkhof sich um die Leib und Nerven stärkende Bewirtung auch des Publikums kümmert, zettelt die Bäuerin einen Wettstreit an. Eine wahre „Geistergeschichten-Battle“ liefert sie sich fortan mit Willi Keller, unterstützt durch die Bodennebel- und Hallerzeugungskünste des Gemeindehausmeisters Manuel Salrein. Eifersucht und unerwiderte Liebe sorgen nun für Mord und Totschlag und erhöhen die Zahl der Untoten, auch der Moospfaff geht um, mit hämischem Gelächter. Mit einem derartigen Stimm- und Körpereinsatz agiert die Zetzel, dass es dem Sagenerzähler Willi Keller die sittsame Frisur zerzaust.
Nach rund drei Stunden en dete die drittletzte Moospfaff-Veranstaltung im diesjährigen Moospfaffmonat, mit langanhaltendem Applaus bedacht.