„Sagenhafter Moospfaffabend“ im Höhengasthaus „Vogt auf Mühlstein“ war wieder ein voller Erfolg. Als „Bäuerin Zetzel“ wusste Michaela Neuberger mit ihrem Publikum gekonnt zu spielen.
Eben noch waren die beiden Gaststuben des Höhengasthauses „Vogt auf Mühlstein“ voll besetzt – nun aber ist es die Terrasse, auf der es hoch her geht. Denn die „Bäuerin Zetzel“ (alias Michaela Neuberger) hat die 60 Gäste von ihren Stühlen auf- und an die frische Luft „gescheucht“. Ein Glas aromatischer „Moospfaffprickler“ wartet in der einsetzenden Dämmerung auf jeden. Und das, was die Zetzel zu erzählen hat.
Dabei müsste sie eigentlich den Holzboden fegen – entsprechend gekleidet ist sie, mit Kopftuch und Arbeitsgewand, dem „Schaffkleid“. Aber, wie gesagt: Viel lieber will sie erzählen. Also drückt sie ihren Strohbesen flugs einem Gast in die Hand und heißt ihn loszulegen. In ihrer unnachahmlich urigen Art, die keinen Widerspruch duldet. Schon hat sie die Lacher auf ihrer Seite, und der verblüfft zum Kehrdienst Eingeteilte tut zum Vergnügen aller brav, wie ihm geheißen. Als er den Dienst jedoch quittieren will: Oh wehe ihm!
Um sagenhafte Geschichten dann geht es an diesem Freitagabend, die Zetzel hat sie in ihrem großen Buch gesammelt. „Ihr befindet Euch an einem geschichtsträchtigen Ort“, setzt die Dialektsprecherin nun auf Hochdeutsch ihre Zuhörer in Kenntnis und beginnt vorzulesen: Vom Anton Muser auf Mühlstein, der um das Jahr 1784 das Amt des Vogtes ausübte und Vater einer schönen, gesangsbegabten Magdalene war. Gegen deren Willen verheiratete er die 18-Jährige mit einem wesentlich älteren Witwer, dem angesehenen Hermesbur.
Zwei Monate später war die junge Frau tot – gestorben an gebrochenem Herzen, denn das hatte einem jungen Burschen gehört, dem Öhler Hans.
Diese tragische Liebesgeschichte geht der Zetzel derart an die Nieren, dass sie mühsam um Fassung ringt. „Ooohhh“, raunen 60 mitfühlende Kehlen. Was trösten soll, öffnet bei der Bäuerin jedoch alle Schleusen, endgültig schluchzend nun erzählt sie von dem Pralinenduo, das Nordrachs Chocolatier Egbert Laifer dem unglücklichen Liebespaar Hans und Magdalene gewidmet hat. Wieder ein raunendes „Ohhh“, nun erst recht. So dass die Emotionen die Bäuerin in ihren Dialekt zurückholen. „Vum Mühlstein verzellt mer sich gar vieli Gschichtli, vun dere tragische Liebesgschicht mol gonz abgsehne.“
Der Teufel höchst selbst
Langsam, klar und deutlich spricht die Zetzel, so dass auch Dialekt-Unkundige ihr folgen können. Getreu dem Veran staltungsmotto „Sagenhafter Mühlsteinabend“ bereitet die Bäuerin ihre Zuhörer auf allerlei geisterhafte Gestalten vor, die hier oben einst ihr Unwesen trieben.
Alles fing damit an, dass der Beelzebub höchst persönlich auf dem Mühlstein umgegangen sein soll. In bester Ein-Frau-Theater-Manier verdeutlicht sie, wie er einer Magd in deren Kammer folgte. Um wen es sich handelte, bemerkte „das Maidli“ zu ihrem Entsetzen erst, als sie dem vermeintlichen „Gschpusi“ die Stiefel auszog und so den Teufelshuf entdeckte, den Geisfuß. Zur Verdeutlichung der Szenerie zieht die Zetzel einem der Gäste kurzerhand den Schuh aus. Das Vergnügen der Umstehenden ist groß, nur bei der Zetzel nicht, hat sie den „Deifel“ doch wie leibhaftig vor Augen, mit tatsächlich aus der Stirn wachsenden Hörnern. Seit jenem Ereignis damals hat es auf dem Mühlstein gegeistert …
„Des hab´ ich selber dert erlebt, ihr kinne mer´s glaube“, schwört die Bäuerin mit dunkel rollenden Augen. Stets kurz vor Mitternacht sei es losgegangen: Die Viecher polterten im Stall und die Kühe brüllten vor Angst, „dass es em Herrgott gruust hett.“ Sobald die Kirchenglocken jedoch zum frühmorgendlichen Gebet läuteten, war schlagartig Ruhe. Nacht für Nacht ging das so, „un so henn sie uffem Miehlstei eifach kei Ruh mehr gho.“ Erst, als die Besitzer des Hofguts auf dem Mühlstein eine Kapelle erbauen ließen, soll der Spuk mit deren Einweihung im Jahre 1903 aufgehört haben …
Oder auch nicht, wie die Zetzel sich dramatisch-vielsagend zum Publikum beugt. Schließlich berichten bis heute noch manche Menschen von sonderbaren Ereignissen in und um den Hof des ehemaligen Vogts. Merkwürdige Dinge beispielsweise ereigneten sich früher auf der Simonsebene bei dem Bildstock, den der Bruder der unglücklichen Magdalene anno 1815 zum Andenken an seine Schwester errichten ließ. Und die Zetzel weiß überdies: Richtung Hutmacherdobel gehen des Nachts unheimliche Lichter.
Anti-Geister-Gebimmel
Fast dunkel ist es inzwischen. Also nichts wie wieder hinein in die Geborgenheit der Gaststube. Nach so viel Aufregung tut eine Stärkung Not – oder zumindest gut. Bei wahlweise einer „Knecht“- oder „Magd“-Mahlzeit. Zu Zitherklängen, für die Agnes Serrer (Oberharmersbach) sorgt. Für die Zetzel bedeutet das eine Atempause, um sich von all dem Schaudern zu erholen und sich umzuziehen. In würdig dunklem langem Rock, Päter und mit sorgsam um das Haupt geschlungenem Zopf erscheint sie nun. Und legt erneut los. Diesmal mit Gestalten wie dem Bachwiebli, Spinnrädliwiebli, dem Strittwaldritter und Eckwaldpuuper – allesamt Gestalten, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Wie gut, dass die Zetzel ein Glöckchen dabei hat, deren helles Gebimmel helfen soll, das Böse abzuwenden.
Ongschdbrünzerli
„Habt ihr alle noch e Ongschdbrünzerli gmocht?“, erkundigt sich die Zetzel in ihrer so unverblümten Art nach den Toilettengängen der Gäste. Denn jetzt geht es endgültig ans Eingemachte: um all das, was man sich über den Moospfaff erzählt – jener Sagengestalt, der Nordrach alljährlich den gesamten Oktobermonat widmet. Jenem Abt also, der nach seinem Tode dazu verdammt war, als ruheloser Geist in den Wäldern der Moos umherzugehen. Groß und schwarz gekleidet und mit einem hämisch-meckernden Lachen führt er die Menschen in die Irre. Haarsträubend die Berichte von ehemaligen Augenzeugen. Die Zetzel gibt sie auf eine die Schmunzel- und Lachmuskeln fordernde Weise zum Besten, als sei sie mit dabei gewesen. Wechselt immer wieder die Perspektive von einer Geis tergläubigen zur Aufgeklärten und vice versa.
Als Schutz für den Nachhause weg schenkt sie jedem der Teilnehmer der über vierstündigen Veranstaltung eine Mini-Benediktus-Medaille für den Geldbeutel. Denn nur eine Frau hatte den Rosenkranz in der Handtasche dabei. „Da es sooo ein liebes Publikum war, wollte ich es nicht ungeschützt nach Hause gehen lassen“, zwinkert die Zetzel im Nachinein.
Weitere Moospfaff- Erlebnis-Veranstaltungen
Noch gibt es hier freie Plätze:
„Nachts allein im Wald“ – am 25. Oktober im Nordracher Bürgersaal.
„Kulinarischer Abendspaziergang“ am 31. Oktober.