»Das ist Wahnsinn, das ist ja nicht normal«: völlig begeistert entfuhr dies einem Senior, als er am letzten Dienstag – eigentlich seinen Enkelinnen zuliebe – im Foyer des Nordracher Puppen- und Spielzeugmuseums stand. Dabei erfasste sein Blick nur einen Bruchteil der Museumschätze. Denn insgesamt weit über 3000 Exponate sind es, die auf zwei weitläufigen Etagen präsentiert werden, in bis auf den letzten Winkel mit viel Liebe zum Detail eingerichteten Ausstellungsräumen.






Mit einem »Boaah, cooool!« wiederum reagierten des Seniors Enkelkinder. Und zwar auf die Einweisung zur Museumsschatzsuche, die im Rahmen der Aktionswoche zum 30-jährigen Museums-Jubiläum stattfand. Einem Jubiläum, das Museumsgründerin und Nordrachs Ehrenbürgerin Gaby Spitzmüller zu verdanken ist (wir berichteten). Sie, die in der vergangenen Woche in aller Abgeschiedenheit ihren 90. Geburtstag beging, hatte ihr außergewöhnliches Lebenswerk im Jahr 1991 der Gemeinde Nordrach vermacht, samt Museumsgebäude.
Zur Museumsschatzsuche hatte die für das Museum zuständige Tourist-Info-Mitarbeiterin Michaela Neuberger für die gespannten Zuhörer folgende Geschichte parat: »Nordi, Nordrachs liebenswerter NorDrache, findet so peu á peu neue Freunde hier in Nordrach – und zwar nicht nur Tiere, die im Wald leben, sondern auch Tiere, die direkt im Ort ein Zuhause gefunden haben.« Und Nordis neuester Freund ist Eddi Fieps, der Museumsmäuserich.
Der nun hat Nordi ganz aufgeregt erzählt, dass er auf seinen zahlreichen Erkundungsgängen durch das Nordracher Puppen- und Spielzeugmuseum doch tatsächlich eine geheimnisvolle Schatztruhe gefunden und diese sofort in ein absolut sicheres Versteck gebracht hat. Dumm nur: Eddi Fieps hat vergessen, wo sich dieses Versteck befindet. Denn leider ist er ausgesprochen schusselig und nicht minder vergesslich. Deshalb bitten Nordi und Eddi Fieps Kinder und deren Eltern um Hilfe. Zum Glück hat sich Eddi Fieps zumindest ein paar Hinweise merken können, wo überall er beim Verstecken der Schatztruhe durchgekommen ist.
Eddi Fieps: Nordis neuer Freund und Super-Schussel
Zum finalen Versteck führte ein Schritt für Schritt von den Kindern – in Begleitung von deren Eltern – zu lösendes Rätsel. Das bestand aus Bildern von im Museum zu findenden Gegenständen sowie aus Fragen, mit deren korrekter Beantwortung sich Zahlenschlösser knacken lassen, die den weiteren Weg weisen.
»Kann sein, dass man teils ganz genau in eine Vitrine hineinschauen muss«, verriet Michaela Neuberger, für kleinere Kinder standen deshalb tragbare Klapp-Tritthocker zur Verfügung. Über den Tag verteilt zogen insgesamt fünf Kleingruppen auf der Suche nach dem geheimnisvollen Schatz durch das Museum. Waren einmal zwei Gruppen gleichzeitig unterwegs, so fing die eine im oberen und die andere im unteren Stockwerk an, mit jeweils unterschiedlichen Rätseln bestückt. So konnte keiner vom anderen »abgucken«.
War die Schatztruhe gefunden, dann wartete sie mit einer Überraschung auf den Finder. Und Eddi Fieps, der Museumsmäuserich, war glücklich. Überglücklich! Nur kurz allerdings, denn gleich darauf hatte der schusselige kleine Geselle das Versteck der Schatztruhe doch glatt schon wieder vergessen – und benötigte erneut Hilfe.
Eine Familie, die zufällig und somit ohne die erforderliche Voranmeldung ins Puppen- und Spielzeugmuseum gekommen war, konnte sich zwar nicht an der Schatzsuche beteiligen. Doch auch sie durfte das Museum erkunden, wofür Michaela Neuberger ein kurzweiliges Museumsquiz aushändigte.
Komplett ausgebuchtes Puppendoktor-Wochenende
Zur im Zuge des Jubiläums erfolgten Abendöffnung des Museums am vergangenen Donnerstag erschien leider nur eine einzige Person. Umso größer jedoch der Zustrom am Samstag und Sonntag, als die Puppenklinik Spechtenhauser eine »Sprechstunde« in dem außergewöhnlichen Ambiente abhielt.
48 Fünfzehn-Minuten-Termine standen an den beiden Tagen zur Verfügung, und sie alle waren restlos ausgebucht. Insgesamt etwa 150 Besucher kamen an diesem Wochenende, aus einem Einzugsgebiet, das über das Kinzigtal hinaus bis nach Kehl reichte.
Neben Puppen unterschiedlichster Art, Größe und Alter wurden auch Teddys, ein Schaukeltier sowie ein Frosch zur Behandlung eingeliefert. Mal leichte Blessuren, mal schwere bis schwerste Verletzungen galt es zu kurieren. Gliederschmerzen oder gar völlig fehlende Glieder gehörten dazu, desgleichen Augenleiden, Schädel- oder sonstige Verletzungen, einmal gar ein veritabler »Dachschaden«. Andere Patienten wiederum litten an Haarausfall oder aber sie hatten Probleme mit den Stimmbändern.
Entsprechend groß das Ersatzteillager der mobilen Puppenwerkstatt von Doris und Peter Spechtenhauser. Die Kisten stapelten sich: unter anderem bestückt mit fein säuberlich sortierten Rümpfen, Gliedmaßen, Köpfen, Füllmaterial, Sprechwerken, dazu ein „Augenkoffer“. Und war eine Frisur so gar nicht mehr zu retten, dann fand sich in einer Kiste mit Perücken aus Kunst- oder Echthaar passender Ersatz.
Welcher »Bewuchs« genau sich ursprünglich auf dem Puppenkopf befand, das zeigte sich, wenn ein vorsichtig ausgerissenes Haar der Flamme eines Feuerzeugs ausgesetzt wurde. Schrumpelt das Haarende zu einem Knoten zusammen, handelt es sich um Echthaar. Frisst die Flamme das Probeexemplar hingegen weg, liegt ein künstliches Produkt vor.
Genesung meist vor Ort
Manche der Patienten mussten zu ihrer Genesung die Puppendoktoren in deren in Baiersbronn ansässige Klinik begleiten. Auf jeden Fall erhielten Puppenmutter oder auch (jawohl!) Puppenvater vor jedem Eingriff eine Kosteneinschätzung, denn unter Umständen galt es, den Liebhaberwert des jeweiligen Patienten in Bezug zu seinem derzeitigen Marktwert zu setzen.
Die meisten Eingriffe führten jedoch direkt vor Ort zur Gesundung. War dies mit Wartezeit verbunden, so schauten sich die Patientenbegleiter gerne im Museum um. Umso mehr, als ihnen mit der neuen Museumsmitarbeiterin Angelika Kälble eine kompetente Ansprechpartnerin zur Verfügung stand, die sich in der Welt der unzähligen Exponate bestens auskennt. Viele Jahre hat sie in der früheren Spitzmüllerklinik gearbeitet, die von der Museumsgründerin dereinst geleitet worden war, stand auch danach mit Gaby Spitzmüller in Kontakt.
Michaela Neuberger – diesmal funktionsgerecht mit weißem Kittel und Stethoskop ausgestattet – agierte als Puppendoktor-Assistenz. Nicht zuletzt, indem sie »vorsichtshalber« Schmerzmittel verteilte. Sehr spezielle allerdings, da in Form einer mit bunten Zuckerdragees gefüllten Spielzeugspritze.
Das Wundermittel erhielten all jene, die das Museum mit einem genesenen Patienten im Arm verließen, darunter eine Seniorin aus Schuttertal. Mit deren Spielzeug aus der eigenen Kindheit – einer aufziehbaren, sprechenden Puppe der Marke Schildkröt – spielten zunächst die drei eigenen Kinder, später die Kindeskinder, »bis noch vor vielleicht fünfzehn Jahren«. Mittlerweile befindet sich eine zweijährige Urenkelin in der Familie. »Für die hab’ ich die Puppe jetzt wieder herrichten lassen«, erzählt die stolze Uroma, »aber ich warte noch ein Jahr oder so, bis ich sie der Kleinen gebe, damit sie auch wirklich was damit anfangen kann.«
»Die Geschichten, die man hier zu hören bekommt, sind einfach schön«, freute sich Michaela Neuberger über den menschlichen Aspekt ebenso wie über den Gesamterfolg der Jubiläumsaktion.