»Was haben unsere Ur-Ur-Ur-Vorfahren alles gekonnt, was über die Zeit verloren gegangen ist« – dieser Frage gehen Tom Kempf (34) und seine Lebenspartnerin Kerstin Voigt (30) in ihrer Freizeit nach. Und zwar auf intensivste Weise.
Daher raucht in Nordrachs historischer »Backofenschmiede« nun erstmals seit vielen Jahren wieder die Esse. Und bringen rhythmische Hammerschläge den Amboss wie seit althergebrachter Zeit zum Klingen. »Wir wollen, dass das Wissen darum, wie dieses Handwerk vor 1.000 Jahren ausgeübt wurde, nicht verloren geht«, betonen die beiden vom frühen Mittelalter Begeisterten. »Schon die Wikinger verfügten über Techniken, von denen man in der Moderne zunächst glaubte, sie seien damals noch nicht möglich gewesen.«
Blankwaffen wie von den Wikingern genutzte Schwerter und Äxte schmiedet Kempf beispielsweise nach alter Art, oder die Buckel von im Kampf unabdingbaren Schutzschilden. Doch auch unterschiedlichste Alltagsgegenstände jener Zeit entstehen dank loderndem Kohlefeuer und Amboss. Löffel gehören unter anderem dazu oder Schürhaken – des besseren Griffes wegen kunstvoll in sich gedreht.
Mittelalter-Fans
»Das ist ein extremes Hobby von uns beiden«, betont das Paar. Er, der gelernte Schreiner respektive Tischler, der als Einzelhandelskaufmann sein tägliches Brot verdient. Und der sich der Passion zuliebe im Selbststudium zu einem »Blankwaffenhistoriker« entwickelt und in diesem Zusammenhang das Schmiedehandwerk erlernt hat. Und sie, die hauptberufliche Gesundheits- und Krankenpflegerin, die mit ihm gemeinsam auf Mittelalter-Märkten das Schmiedehandwerk präsentiert. Die überdies die mittelalterliche Kunst des Kochens und Backens über dem offenen Feuer beherrscht und damit bei Zuschauern regelmäßig für Staunen sorgt.
Von der Schmiede zum Museum
Der Naturnähe wegen zogen die aus Friesenheim respektive Mahlberg Stammenden vor gut eineinhalb Jahren nach Nordrach. Bei einem zufälligen Treffen im Dorf machte Bürgermeister Carsten Erhardt sie auf die Backofenschmiede aufmerksam.
Diese geht auf ein 1891 errichtetes bäuerliches Backhäuschen zurück. 33 Jahre später wurde es durch einen großen Anbau zur Schmiede umgebaut und erhielt so ihren Namen. Seit 1989 stand die Backofenschmiede unter den ehrenamtlichen Fittichen von Karl Oehler.
Der war als Kind dem letzten damals hier offiziell wirkenden Schmied zur Hand gegangen. Teils mit der Unterstützung von Mitgliedern des örtlichen Schwarzwaldvereins setzte der heute 72-Jährige das historische Kleinod in langwieriger Kleinarbeit wieder instand und betrieb es mit viel persönlichem Einsatz als ein sich zunehmend füllendes Museum. In den letzten Jahren jedoch musste er sein Engagement stark einschränken.
Literweise Herzblut
Umso mehr freut er sich über das junge Paar, das die historische Schmiede nun mit neuem Leben erfüllt. Ebenfalls im Ehrenamt und mit literweise Herzblut. Bereits an die 200 Arbeitsstunden haben die beiden in die Backofenschmiede investiert, um das Museum innen wie außen erneut auf Vordermann zu bringen. Dazu gehörte unter anderem, den Rost vom Amboss zu entfernen, den Putz des gemauerten Wasserbeckens vor der Esse zu erneuern, den Lufthammer sowie das historische Antriebssystem über Transmissionsriemen wieder gängig zu machen.
Denn: Ab sofort wird einmal monatlich – und zwar an jedem zweiten Samstag eines Monats – ein Schauschmieden stattfinden. Für Erwachsene ebenso wie für Kinder und Jugendliche.
Am Samstag: Schauschmieden
Zum ersten Schauschmieden in der Talstraße 9 laden Kerstin Voigt und Tom Kempf am kommenden Samstag, 12. Juni ein, zwischen 12 und 16 Uhr. Um 15 Uhr wird auch Nordrachs Bürgermeister Carsten Erhardt diesem so ganz besonderen Ereignis beiwohnen.
Hinweis
Parkplätze stehen nur eingeschränkt zur Verfügung, und zwar direkt vor der Schmiede. Das große Gelände nebenan darf nicht zum Parken genutzt werden. Besucher sind daher eingeladen, zum Schauschmieden zu wandern: Vom Dorf entweder auf dem Obstbrennerweg über den Heidenbühl oder auf dem Talweg. Der Eintritt ist kostenlos, um eine Spende wird gebeten.