Dr. Gerda Walther ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Mystik und Parapsychologie des 20. Jahrhunderts. Der Historische Verein hat nun an ihrem Grab auf dem Nordracher Friedhof eine Tafel angebracht, die an ihr Leben und Wirken erinnert.
Andreas Resch, Südtiroler Theologe, Psychologe und Parawissenschaftler, schreibt in seinem Buch »Gerda Walther, ihr Leben und Werk«: »Neben der Analyse der äußeren Phänomene in Parapsychologie und Mystik hat sie in der Betrachtung der inneren Erlebnisse die Weite des menschlichen Geistes beschrieben, der in der »Unio Mystica« die geheimnisvolle Vereinigung der Seele mit Gott eine Hochform persönlicher Erfahrung erreicht. Diese Sicht des Menschen, die tief mit der Lebensgeschichte von Gerda Walther verbunden ist, eröffnet neue Wege der Innenschau des Menschen«.
Die Kindheit in Nordrach verbracht
Gerda Walther wurde am 18. März 1897 in Nordrach geboren. Ihre Eltern waren der Lungenfacharzt Dr. Otto Walther, Gründer der Lungenheilstätte Nordrach-Colonie, und seine zweite Frau Ragnhild, Tochter des dänischen Politikers und späteren Friedensnobelpreisträgers (1908) Fredrik Bajer. Ragnhild Walther starb am 26. Juli 1903, als Gerda sechs Jahre alt war. In dritter Ehe heiratete Dr. Otto Walther Ragnhilds Schwester Sigrun Bajer.
Gerda Walther verbrachte ihre Kindheit bis zum Alter von elf Jahren in Nordrach. Im Jahre 1908 verkaufte Dr. Otto Walther seine Lungenheilstätte an die Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden und zog mit Ehefrau Sigrun und Tochter Gerda nach Leonie an den Starnberger See.
In ihrem vielbeachteten Buch »Zum anderen Ufer, vom Marxismus und Atheismus zum Christentum«, das Dr. Gerda Walther 1960 veröffentlicht hat, schildert sie ihr Leben, liebevoll ihre Kindheitserinnerungen, die Probleme mit ihrer Stiefmutter Sigrun und den schwierigen Wegzug aus Nordrach: »Ich konnte es lange nicht fassen, dass wir wirklich von Nordrach wegziehen sollten. Immer wieder durchstreifte ich die Ställe, den Wald – alle meine Lieblingsplätze. Eine ganze Welt brach in mir zusammen, als wir von Nordrach wegfuhren. Mit unheimlicher Deutlichkeit prägte sich mir alles ein, nun hatte ich keine Heimat mehr«.
Studium in München, Freiburg und Heidelberg
Gerda Walther, in Nordrach nur von Privatlehrerinnen unterrichtet, besuchte nun Schulen, abwechselnd in Kopenhagen und München. Ab 1915 studierte sie in München, Freiburg und Heidelberg. Unter der Vielzahl der belegten Fächer waren Philosophie, Psychologie und Soziologie. Im Herbst 1919 ging sie wieder nach München zurück, promovierte im März 1921 und bekam den Doktorgrad mit der Auszeichnung »summa cum laude« verliehen.
Ihr Vater Dr. Otto Walther verstarb am 6. April 1919 in Baden-Baden. Die nicht unbedeutende Erbschaft verlor Dr. Gerda Walther in der Inflationszeit. Deshalb musste sie ihren Lebensunterhalt mit Ganz- und Halbtagsstellen sowie wissenschaftlichen Arbeiten verdienen. Sie arbeitete nacheinander als Schwester in einer Augenklinik, als Sekretärin einer Berliner Politikerin und bei Prof. Hellpach im badischen Kultusministerium sowie als Stenotypistin in der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen.
Seit 1928 lebte Dr. Gerda Walther wieder in München, war freie Schriftstellerin und Übersetzerin und hielt Vorträge in Deutschland, Österreich, Schweiz, Holland, Dänemark und Norwegen. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse – sie beherrschte neben Latein und Griechisch noch neun Sprachen – wurde sie im Jahre 1940 zur Auslandsbriefprüfstelle beim Generalkommando München kriegsdienstverpflichtet. Wegen »politischer Unzuverlässigkeit« wurde sie später inhaftiert und aus dem Dienst entlassen.
Ein Berufungsereignis während eines Gottesdienstes bewog Gerda Walther, atheistisch erzogen, nach langer Auseinandersetzung mit dem Christentum, in die katholische Kirche einzutreten und sich im Januar 1944 taufen zu lassen. Kardinal Faulhaber firmte sie am 29. Mai 1944.
Innere Bindung an Nordrach nie verloren
Dr. Gerda Walther hat ihre innere Bindung an ihren Geburtsort Nordrach nie verloren. Sie kam immer wieder in ihre »alte Heimat Nordrach« zurück und erwog im Jahre 1950 sogar, im neuen Personalwohnhaus der Lungenheilstätte Kolonie ein Zimmer zu mieten. Ihren 75. Geburtstag feierte sie in Nordrach und wohnte einige Tage in der damaligen Pension Graf. Vielleicht war dies auch der Zeitpunkt, als sie den Wunsch geäußert hatte, in Nordrach bestattet zu werden.
Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Dr. Gerda Walther ab 1967 in einem Wohnstift in Dießen am Ammersee und verstarb dort am 6. Januar 1977. Ihrem Wunsch gemäß fand sie auf dem Nordracher Friedhof ihre letzte Ruhestätte, an der Friedhofsmauer links des Haupteingangs.
Der Historische Verein hat nun an ihrem Grab eine Tafel angebracht, die an ihr Leben und Wirken erinnert.
Ragnhild Walther hat ihre etwa 4-jährige Tochter Gerda auf einem Gemälde dargestellt, das Gerda auf dem Gelände der Lungenheilstätte zeigt. Dieses Gemälde kam in den Besitz der Gemeinde Nordrach. Es hängt seit Jahrzehnten im Leseraum der Hansjakob-Halle. Auch hier gibt jetzt eine Informationstafel Auskunft über Dr. Gerda Walther, eine mehr als bemerkenswerte Frau.