Neue Wege ging die Nordracher Feuerwehr bei der Planung der Frühjahrshauptübung. Oblag bisher immer dem Kommandanten die Vorbereitung und Organisation der Übung, so wünschte sich Kommandant Heiko Spinner in diesem Jahr einmal realitätsnah nicht zu wissen, was ihn und seinen Stellvertreter Harald Hoferer erwartet.
Mit dem Maschinenhaus der Klausenbachklinik stand das Übungsobjekt bereits fest und somit lag auch nahe, das der dort beschäftigte ehemalige Kommandant Thomas Decker zusammen mit seinen Kameraden Lothar Doll und Rolf Braun die entsprechenden Vorbereitungen übernahmen. Das freistehende große Gebäude bietet alles was eine realistische Feuerwehrübung verlangt. Innenangriff mit Wasser am Strahlrohr, Anleitermöglichkeit für Drehleiter und auch tragbare Leitern, Wasserversorgung vom Hydrantennetz und dem klinikeigenen, 75 Kubikmeter fassenden Löschwasserbecken sowie Verkehrssicherungsmaßnahmen. Beste Voraussetzungen waren also gegeben. Nun galt es sich eine entsprechende Übungsannahme auszudenken.
Verpuffung und starke Rauchentwicklung
Zwei Arbeiter hantierten in der Werkstatt im Erdgeschoss mit Verdünnung, wobei es zu einer Verpuffung mit starker Rauchentwicklung kam, die sich sofort in das direkt angrenzende Treppenhaus ausbreitete. Ein Arbeiter zog sich starke Verbrennungen zu, der andere flüchtete in einen Lagerraum im Keller und brach mit Rauchvergiftung zusammen.
Drei Personen in einer Wohnung im Obergeschoss war der Fluchtweg durch das Treppenhaus abgeschnitten. Ein zufällig an dem Gebäude vorbeikommender Patient der Klink bemerkte die Verpuffung und alarmierte über Notruf die Feuerwehr.
Überlandhilfe angefordert
Unter der Einsatzleitung von Kommandant Heiko Spinner rückte zunächst die Nordracher Wehr mit allen Fahrzeugen aus. Schon auf der Anfahrt alarmierte er im Rahmen der Überlandhilfe die Stützpunktfeuerwehr Zell mit Drehleiter und einem Löschfahrzeug zur Unterstützung. Da mehrere verletzte Personen zu erwarten waren, verständigte er anschließend auch die DRK Ortsgruppe Nordrach.
Beim Eintreffen an der »Einsatzstelle« erwartete der Patient, perfekt dargestellt von Organisator Thomas Decker, die Feuerwehr und berichtete dass er keine Ahnung hätte, wie viele Personen sich im Gebäude befinden und er auch sonst nicht weiterhelfen könne. Eine Person machte sich an einem Fenster im Dachgeschoss bemerkbar, eine weitere rief an einem Geländer eines kleinen Balkons um Hilfe. Die Mannschaft des Nordracher Löschfahrzeuges LF10 bekam den Auftrag unter Atemschutz zur Menschenrettung durch das Treppenhaus vorzugehen. Zur Rettung der Person auf dem Balkon wurde die Steckleiter eingesetzt, wobei die Besatzung des mittlerweile eingetroffenen Tanklöschfahrzeuges TLF 16/24 unterstützte. Problematischer stellte sich die Rettung des zweiten Mannes am Dachgaubenfenster dar. Hierzu musste die Drehleiter aus Zell zum Einsatz kommen. Diese wurde umgehend vom Bereitstellungsraum beim Sägewerk Schnurr abgerufen und vor dem Gebäude positioniert. Die Talstraße, welche unmittelbar am Objekt vorbeiführt, war zwischenzeitlich komplett für den Verkehr gesperrt worden. Der erste Angriffstrupp hatte bereits den schwer brandverletzten Arbeiter gefunden und zur Erstversorgung an das DRK übergeben, welches sich im gegenüberliegenden Gebäude einen Verbandsplatz eingerichtet hatte. Mittlerweile befanden sich alle Nordracher Atemschutzträger im Einsatz, daher wurde das Löschfahrzeug LF 16/12 der Zeller Wehr mit weiterem Personal zur Einsatzstelle abgerufen.
Nun kam Schauspieler Thomas Decker mit seiner zweiten Rolle ins Spiel. Er verkörperte jetzt, wie auch im richtigen Leben, den von der Klinikleitung verständigten Hausmeister. Mit den Örtlichkeiten kannte er sich bestens aus und mit seiner Aussage, dass in der Dachgeschosswohnung eine querschnittsgelähmte Frau wohnt, bekam die Lage eine neue Wendung. Sofort suchte der sich noch in der Wohnung befindliche Atemschutztrupp gezielt nach der Person, was auch schnell zum Erfolg führte. Der Treppenraum war noch verraucht, daher blieb nur der Rettungsweg über den Balkon. Dazu musste zunächst die Drehleiter umgesetzt werden. Die ersten Fahrzeuge waren bestens platziert worden, sodass dies problemlos möglich war. Mittels Schleifkorbtrage am Korb der Drehleiter konnte die behinderte Person umgehend gerettet und dem DRK übergeben werden.
Rettung über enge Treppe
Zwischenzeitlich war eher zufällig der zweite Arbeiter im Kellerlagerraum gefunden worden. Ein Atemschutztrupp hatte sich zur Kontrolle in den Keller begeben und fand die bewusstlose Person, dargestellt von einer erst kürzlich beschafften und 90 kg schweren Rettungspuppe. Entsprechend schwierig gestaltete sich diese Aktion, zu der ein weiterer Trupp mit einem Rettungsbrett angefordert wurde. Letztendlich waren vier Mann erforderlich, um den Arbeiter über die enge Treppe nach draußen zu befördern und dem DRK zu übergeben. Die Wasserversorgung an diesem Objekt ist mehr als hervorragend und schnell herzustellen. Die beiden Löschfahrzeuge aus Nordrach und Zell vorsorgte ein gegenüber dem Objekt befindlicher Überflurhydrant. Zusätzlich stand ebenfalls das neben dem Gebäude befindliche ehemalige Schwimmbad zur Verfügung, welches nun als Löschwasserbecken mit 75 Kubikmeter Wasservorrat dient. Sollte dies immer noch nicht reichen, könnte man auch auf den am Objekt vorbeifließenden Talbach zurückgreifen.
Die DRK-Ortsgruppe hatte alle fünf Verletzten registriert, erstversorgt und zum Transport in entsprechende Kliniken vorbereitet. Zusätzlich übten die DRK-Helferinnen und -Helfer an zwei Atemschutzgeräteträgern die Abnahme deren umfangreicher Ausrüstung.
Bürgermeister Erhardt und einige Gemeinderäte überzeugten sich als interessierte Zuschauer von der Leistungsfähigkeit der Einsatzkräfte.
Ortserkundung nach gelungener Übung
Nach gut einer Stunde konnte Kommandant Spinner die Übung beenden. Alle Führungskräfte und Atemschutzträger beider Wehren begaben sich im Anschluss zu einer Führung in und um das Klinikgebäude. Haustechniker Thomas Decker zeigte, wo sich die neu installierten Löschwasser-Einspeisestellen an der Außenfront für die Steigleitungen in den Treppenhäusern befinden. Weiterhin erörterte er den Schlüsselübergabekasten beim Haupteingang sowie die Brandmeldezentrale hinter der Rezeption. Mit der Besichtigung der Löschwasserentnahmemöglichkeit in den Treppenhäusern endete die kurze, aber sehr informative Führung.
Anschließend trafen sich die etwa 60 an der Übung beteiligten Personen im Lehrsaal des Gerätehauses zu einem Imbiss und Getränken, wozu die Klinikleitung eingeladen hatte. Kommandant Heiko Spinner freute sich, dass sich trotz des herrlichen Wetters wieder so eine stattliche Zahl an Einsatzkräften an der Übung beteiligte. Die Verletzten stellten Mitglieder der Jugendfeuerwehr, die von Vivien Müller und Ruth Webering realitätsnah geschminkt wurden. Ihnen galt genauso der Dank, wie auch der DRK-Bereitschaft Nordrach, die sich immer wieder gerne an den Hauptübungen beteiligt.
Große Anerkennung brachte er auch den Zeller Kameraden entgegen, die unter der Leitung der Führungskräfte Philipp Schilli, Karl-Heinz Gienger und Ralf Sell nach Nordrach gekommen waren. Trotz stetig steigender Einsatzzahlen und immer mehr Verpflichtungen kommt die Zeller Wehr immer gerne der Einladung zu Übungen in Nordrach nach, um die Zusammenarbeit zu optimieren, was im Einsatzfall eine große Bedeutung hat.
Nachdem Mitorganisator Rolf Braun kurz die Übungsannahme erläutert hatte, ergriff noch Günter Eble im Namen der Gemeindeverwaltung das Wort. Er bedankte sich bei allen an der Übung beteiligten und zollte großen Respekt an deren Engagement für die Allgemeinheit. Solche Übungen festigen die im Einsatzfall notwendige Zusammenarbeit aller Organisationen, und er sei überzeugt, dass sich die Einwohner im Schadenfall auf bestmögliche Hilfe verlassen können. Er ermunterte alle, sich auch weiterhin in den Organisationen einzubringen, dass dies auch in Zukunft weiterhin gewährleistet ist.