Menschen für Menschen

Der Geist von Ehrenbürger Wilhelm Oberle ist bei seiner Beerdigung nochmals lebendig geworden – Nordrach hat Abschied genommen von einem seiner größten Söhne

Der letzte Wunsch von Wilhelm Oberle ist in Erfüllung gegangen. Der außergewöhnliche Trauergottesdienst für den Nordracher Ehrenbürger, die ehrwürdige Beisetzung in seiner Heimaterde und die besondere Trauerfeier in der Hansjakob-Halle wurden zu einer Begegnung in gelöster Atmosphäre. Wilhelm Oberle hatte sich gewünscht, dass die Menschen bei seiner Beerdigung nicht in Trauer vereint sind, sondern dass sie zusammenkommen, miteinander feiern, seine Anekdoten erzählen – ja sogar tanzen! Getanzt hat am Freitag zwar keiner der Gäste, aber der Geist von Wilhelm Oberle ist nochmals lebendig geworden.

»Nordrach verliert mit dem Tod von Wilhelm Oberle einen seiner größten Söhne«, stellte Bürgermeister Carsten Erhardt in seinem Nachruf fest und versprach: »Wir werden sein Lebenswerk in Ehren halten. Vor allem aber bleibt uns Wilhelm Oberle als ein ganz besonderer Mensch in Erinnerung. Lassen Sie uns gemeinsam auf ihn unser Glas erheben.« Dem letzten Wunsch Wilhelm Oberles folgend hatte Bürgermeister Erhardt auf einen klassischen Nachruf verzichtet und skizzierte mit verschiedenen Episoden den Mensch Wilhelm Oberle. »Er war immer einer von uns«, bestätigte Bürgermeister Erhardt. Der Verstorbene habe den Leitsatz seiner Stiftung »Menschen für Menschen« stets gelebt.

»Wenn er gebraucht wurde, war er da«, betonte Bürgermeister Erhardt und erinnerte an eine Episode, als er als neu gewählter Bürgermeister erstmals beim Ulrichs-Fest an der Prozession teilnahm. Für ihn als evangelischen Christen sei dies eine komplett neue Erfahrung gewesen und offensichtlich habe er dabei recht orientierungslos seinen Platz gesucht. Wilhelm Oberle bemerkte dies, nahm den jungen Bürgermeister mit an seinen Platz und bemerkte, dass er nun der erste Evangelische sei, der so nah an den Himmel gekommen ist: »Das ist so einem Wüstgläubigen vorher noch nicht gelungen.« Eine Situation, über die man später noch viele Male gemeinsam gelacht habe.

Bürgermeister Erhardt bezeichnete es als ein Privileg, wenn man den Verstorbenen kennenlernen durfte: als Freund, Nachbar, Ratgeber, Gemeinderat, Heimatforscher, Landwirt, Ratgeber, Impulsgeber, Ministrant, Alleinunterhalter, Unternehmer, Stifter oder einfach als Mensch Wilhelm Oberle. Egal in welcher Funktion sei der Verstorbene den anderen Menschen stets auf Augenhöhe begegnet.

Wilhelm Oberle liebte Geschichte und Geschichten

Auch Bürgermeister a. D. Herbert Vollmer dankte in seiner Funktion als Sprecher der Nordracher Vereine sowie als Vorsitzender des Historischen Vereins und der Sozialstation Zell in seinem Nachruf Wilhelm Oberle für dessen großes soziales und kulturelles Engagement. Obwohl der Verstorbene lange Jahre seinen Lebensmittelpunkt in Freiburg gehabt hat, habe er sich stets als Nordracher gefühlt.

Im Alter von 73 Jahren hatte Wilhelm Oberle im Jahr 2004 für den Nordracher Gemeinderat kandidiert und wurde auch gewählt. Als Gründungsvorsitzender hatte Wilhelm Oberle gemeinsam mit 16 Männern und Frauen den Historischen Verein auf den Weg gebracht. »Geschichte und Geschichten waren ihm immer eine Herzensangelegenheit«, stellte Herbert Vollmer in seinem Nachruf fest und zeigte sich dankbar dafür, dass Wilhelm Oberle einen nicht unwesentlichen Teil seiner Lebenszeit mit der Dorfgemeinschaft geteilt habe. Wenn ein alter Mensch sterbe, so spreche man im Volksmund davon, dass er im gesegneten Alter nach einem erfüllten Leben von uns gegangen ist. Für Wilhelm Oberle mit seinem wunderbaren Humor, so Herbert Vollmer, gelte dies in besonderer Weise: »Er hat für immer einen Platz in unseren Herzen.«

Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan

Die Verabschiedung von Ehrenbürger Wilhelm Oberle, der am 6. Februar im Alter von 86 Jahren verstorben ist, begann mit dem Trauergottesdienst in der Nordracher Pfarrkirche. Dort war der Verstorbene in einem schlicht gehaltenen Sarg aus astfreiem Weißtannenholz aufgebahrt. Viele Nordracher, darunter auch Ehrenbürger Erwin Junker, begleiteten gemeinsam mit den Familienangehörigen und Freunden Wilhelm Oberle auf seinem letzten Weg.

Bruder Berthold Oehler und Diakon Robert Roth zelebrierten den Trauergottesdienst, der von den Angehörigen des Verstorbenen mitgestaltet wurde. Dorothea Kluckert verlas den Lesungstext, die sechs Enkelkinder sprachen die Fürbitten und sein Sohn Clemens Oberle und Tochter Cathrin von Essen blickten in bewegenden Worten auf das Leben ihres Vaters zurück. Für die kath. Pfarrgemeinde Nordrach erinnerte Pfarrgemeinderatsvorsitzender Dr. Ansgar Horsthemke an einen »wunderbaren und interessanten Menschen«.
Der Chor der Klänge und Wolfram Dreher in der Kirche, die Trachtenkapelle auf dem Friedhof und der Gitarrenverein in der Hansjakob-Halle gaben dem verstorbenen Ehrenbürger das letzte musikalische Geleit.

Diakon Robert Roth griff in seiner Ansprache die Worte aus dem Matthäus-Evangelium auf: »Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.« Gott sei kein Buchhalter, der das Leben aufrechnet, kommentiert Diakon Roth dieses biblische Bild vom Weltgericht. Es erlaube aber, voller Dankbarkeit auf das Leben von Wilhelm Oberle zurückzublicken. Aus einfachen Verhältnissen sei er gekommen und habe sich mit unbändigem Willen zum erfolgreichen Unternehmer emporgearbeitet. Es sei ein erstaunlicher und genialer Schritt Wilhelm Oberles gewesen, als er sich dazu entschlossen habe, seinen Reichtum mit Menschen in Not zu teilen. Auch im kirchlich-sozialen Bereich hat er sich eingebracht. Nach dem plötzlichen Tod von Pfarrer Kimmig hat Wilhelm Oberle damals die Verwaltung von Pfarrgemeinde und Kindergarten in Nordrach übernommen. Sein fes­ter Glaube sei durch die Tradition geprägt gewesen, aber er sei durchaus auch kritisch der Institution Kirche und dem Bodenpersonal gegenübergestanden.
Diakon Robert Roth schilderte die letzten Monate und Tage von Wilhelm Oberle, in denen er den Verstorbenen begleiten und ihm auch die Krankensalbung spenden durfte. »Er hat seinen Frieden gefunden, soll er den Menschen weitersagen«, berichtet Robert Roth: »Die Kirche war seine geistliche Heimat. In der Kirche in Nordrach hat er sich zuhause gefühlt.«

Mit seinem letzten Zuhause verbinden sich viele Geschichten

»Eigentlich sollte er heute nochmals reden, denn er konnte das unglaublich gut«, stellten Clemens Oberle und Cathrin von Essen fest. In bewegenden Worten skizzierten sie im Dialog verschiedene Facetten und Lebensstationen ihres Vaters. Jetzt sei er wieder in seine Kirche zurückgekehrt, wo er als Ministrant und Oberministrant gewirkt hat, wo er geheiratet hat und wo er Pfarrgemeinderatsvorsitzender war.

Der schlichte Sarg sei das Erstlingswerk der Zimmerei Fehrenbacher. Das astfreie Weißtannenholz wurde vom Sägewerk Echtle geliefert. Beiden Nordracher Unternehmen ist Wilhelm Oberle in schweren Zeiten beigestanden. Beide Firmen haben dank dieser Unterstützung diese Zeit überwunden. »Mit seinem letzten Zuhause verbinden sich viele Geschichten«, zeigten sich seine beiden Kinder dankbar. Ihr Vater habe Feste geliebt, gerne gefeiert und seine Anekdoten erzählt. Deshalb habe er sich auch gewünscht, dass die Menschen bei seiner Beerdigung ein bisschen Feiern, »denn das Leben geht weiter«.

Ihr Vater Wilhelm Oberle sei auf der anderen Seite auch ein Dickschädel, ein Wälder voll und ganz aus Schwarzwaldholz – der härteren Sorte – gewesen. Er habe es geschafft, andere Menschen für sich zu gewinnen und zu überzeugen, manchmal auch vor seinen Karren zu spannen. Daraus habe sich eine unglaublich erfolgreiche Zeit entwickelt. Mit der Gründung der Wihelm-Oberle-Stiftung habe er ihrem Leben einen neuen Sinn und Lebensinhalt gegeben.

Bis vor einem Jahr konnte Wilhelm Oberle sein aktives Leben führen. Bei einem Sturz mit einer Leiter hatte er sich dann einen Schädelbasisbruch zugezogen, der eine schwere Zeit für ihn und seine Familie einleitete. Aber die intensive Zeit der Betreuung und der Pflege habe der Familie die Chance gegeben, ihrem Vater ganz nahe zu kommen. Die Hoffnung, dass er sich erholt und doch noch 90 Jahre alt wird, wurde nicht erfüllt.

Vor 86 Jahren hat der Lebensweg von Wilhelm Oberle im Gässle begonnen, wo er im Elternbett geboren wurde. Er hat die halbe Welt gesehen und gute Spuren hinterlassen. Friedlich ist er an den Ort zurückgekehrt, wo er hingehört.