Die Reise des Nordracher Bildungswerks führte in diesem Jahr unter der Leitung von Herbert Vollmer in die bezauberndsten Orte des französischen Südwestens und des Baskenlandes in der Grenzregion zwischen Frankreich und Spanien. Acht Tage war die Reisegruppe unterwegs.
Bordeaux, Arcachon, Biarritz, San Sebastian und Bilbao – wer denkt bei diesen klangvollen Namen nicht an mondänes Badevergnügen oder kulinarische Finessen, an französische und spanische Lebensart! Und nicht zu vergessen: an einzigartige Kunst- und Kulturschätze und die Geschichte von Land und Leuten.
Auch wenn sich im großen »Alexander«-Weltatlas auf den Seiten 30/31 (»Frankreich«) ein schnurgerader Bleistiftstrich von Offenburg bis Bordeaux ziehen lässt, verlief die Reisestrecke natürlich nicht wie auf dem Papier.
Und so startete der Bus von »Meßmer-Reisen« mit den ersten der 44 Teilnehmer bereits in der Nacht zu Samstag über Straßen und Gebirge ans avisierte Ziel. Die Route führte über Freiburg, Mulhouse, Belfort, Besançon und Dôle weiter in Richtung Clermont-Ferrand, durch die Auvergne mit den kegelförmigen Erhebungen erloschener Vulkane, umgeben von dichten Wäldern. Ab und an waren Charolais-Rinder zu sehen, das »weiße Gold« der Auvergne auf grünen Weiden. Im Périgord setzte plötzlich heftiger Regen ein, der es Busfahrer Bruno nicht eben leicht machte. Doch als die »Pfingstfahrer« am Spätnachmittag in Bordeaux eintrafen, blinzelte bereits die Sonne wieder durch die Wolken.
Bordeaux – zu Gast in der »Stadt des Weines«
Nach dem Bezug des Hotels und dem ersten Abendessen auf französischem Boden wurde die Gruppe von einem seltenen Ereignis überrascht. Am letzten Tag des »Flussfestes«, das in Bordeaux an den Kais der Garonne und auf den Brücken gefeiert wird, beendet traditionell ein nächtliches Feuerwerk die Festivitäten. Zwanzig Minuten lang schossen farbenprächtige Fontänen in den sternklaren Himmel über der Stadt, zerstoben unter Getöse und ergossen sich kaskadengleich zurück in den Fluss oder wurden von einer leichten Brise wie Sternschnuppenstaub über die Häuser am Flussufer getragen. Ein von zigtausend Zuschauern umjubeltes Spektakel und für die Gäste aus der Ortenau ein gelungener Abschluss des ersten Reisetages.
Der zweite Tag begann vielversprechend bei idealem Wetter und mit einer kundigen Stadtführerin. Regine ist eine gebürtige Frankfurterin, die in den 1970er Jahren nach Paris ging und sich später in Bordeaux niederließ.
Dass sich die Stadt an der Garonne mittlerweile zur neuen Trend-Metropole entwickelt hat, konnte die Gruppe bei der Rundfahrt gut in Augenschein nehmen. Die futuristische Architektur des im Mai 2016 eingeweihten Weinerlebnismuseums »Cité du Vin« trifft auf den Klassizismus des Opernhauses (Grand Theatre), das unter der Regentschaft Ludwigs XIV. errichtet wurde. Das außergewöhnliche Panorama entlang der Garonne mit den renovierten Kais am alten Hafen beeindruckte ebenso wie der Platz der Börse mit dem imposanten Springbrunnen der »Drei Grazien« und den reich verzierten Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert.
Zu Fuß ging es dann durch das Viertel »Les Chatrons«, wo die prunkvollen Häuser der Weinhändler erahnen lassen, warum Weine aus Bordeaux in aller Welt einen »Ruf wie Donnerhall« genießen und der Handel bis heute floriert. Auf engen, steingepflasterten Sträßchen erreichte man die Église Saint-Pierre, deren Ursprünge im 12. Jahrhundert liegen. Während das im gotischen Baustil errichtete Portal mit einer Vielzahl von Heiligenfiguren verziert ist, finden sich im Innern der Kirche auch Elemente der Renaissance.
Von der gallo-römischen Geschichte der Stadt sind nur wenige Zeugnisse überliefert. Dafür finden sich jedoch etliche Spuren aus der Zeit der Grande Révolution. Ein ideales Motiv für die Fotografen in der Gruppe bot das Monument des Girondins auf der Esplanade des Quinconces, das an jene Abgeordneten der Nationalversammlung erinnert, die nach 1789 dem Terror der Jakobiner zum Opfer fielen.
Wie Regine erklärte, wurde bereits in den 1950er Jahren viel dafür getan, dass die alte Bausubstanz der Häuser erhalten blieb und die gesamten Altstadtviertel unter Denkmalschutz gestellt wurden, was vor allem an den vielen mit schmiedeeisernen Gittern verzierten Balkonen zu sehen ist. Neben dem Alten setzt man in Bordeaux auch auf das Neue, denn man rechnet damit, dass die Bevölkerungszahl bereits in wenigen Jahren die Millionengrenze erreicht haben wird. Auf der Fahrt durch das nördliche Stadtgebiet konnte man sich davon überzeugen. Baclan, vor kurzem noch eine »No-go-Area«, beeindruckt mit Häuserzeilen unterschiedlichster Spielarten moderner Architektur.
Nach so viel Architektur und Geschichte wäre eigentlich eine gemeinsame Dégustation der großen Bordeaux-Weine angebracht gewesen, doch angesichts des Reiseplans war es jedem selbst überlassen, sich nach persönlichem Goût zu verköstigen.
Biarritz – die »Königin der Strände«
Die nächste Station lag in einiger Entfernung am Atlantik. Das Ziel war die für ihre Austernzucht bekannte Stadt Arcachon am gleichnamigen Bassin, wo in den rund 7.000 Austernparks jährlich bis zu 10.000 Tonnen der Edelmuscheln gezüchtet werden. Über das aufwändige Produktionsverfahren informierte eine Austernzüchterin vor Ort. Die Muschel mit ihrem feinen Fleisch ist reich an Eiweiß und Mineralstoffen und gilt bei Festen in der Region und besonders an Silvester als unverzichtbare Delikatesse. Tische mit Brot und Butter als Beilage sowie einem herben Weißwein waren gerichtet. Es ließen sich nicht alle Teilnehmer vom Genuss der Austern überzeugen. Die Gourmets konnten sich dafür umso mehr bedienen.
Schließlich brauchten die Reisenden ihre Kräfte, um die unweit von Arcachon gelegene höchste Düne Europas, die »Dune du Pilat«, zu besteigen. Sie erstreckt sich direkt an der Küste auf einer Länge von 2,7 Kilometer und einer Breite von 500 Meter. Ein ungeheurer Trubel herrschte an diesem Pfingstsonntag an den Hängen und auf dem Rücken des riesigen Sandberges, den viele Einheimische augenscheinlich als Ausflugsziel wählen, weil er nicht nur für kleine Kinder ein idealer »Sandkasten« ist.
Nachdem die Nordracher Gruppe den eindrucksvollen Rundblick auf das Meer auf der einen und die Wälder auf der anderen Seite der Düne ausgiebig genossen hatte, steuerte Bruno mit dem Bus den Ort an, in dem für die nächsten Tage Quartier bezogen wurde: Biarritz, die »Perle an der Cóte d’Argent«, die am Abend der Ankunft allerdings im Regen lag. Das erlesene Drei-Gänge-Menü im Restaurant mit dem klangvollen Namen »Un jour à Peyrassol« hatte alsbald die Gedanken an das Wetter verdrängt. Dafür sorgten auch die guten Peyrassol-Weine.
Der Westwind von der Biskaya blies am nächsten Morgen die Regenwolken der Nacht ins Landesinnere und sorgte beim Spaziergang an der Grand Plage von Biarritz für angenehme Frische. Die »Königin der Strände« lebt noch heute vom Glanz der Vergangenheit, als die gekrönten Häupter Europas das im 19. Jahrhundert völlig verarmte Fischerdorf zu ihrem Sommerquartier erkoren. Mit Birgit, einer Deutschen, die seit 30 Jahren im französischen Baskenland lebt, hatte man für die folgenden Tage eine ebenso sympathische wie erfahrene Kennerin der Region als Reisebegleitung.
Dreh- und Angelpunkt des mondänen Lebens von einst war das »Hotel du Palais«, die Privatresidenz der letzten Kaiserin von Frankreich, Eugenie. Die Gattin von Napoleon III. hat das Baden populär gemacht, sodass die Schönen und Reichen aus ganz Europa anrückten und im Laufe der Jahre zwischen dem Fischerhafen im Norden und dem Port-Vieux im Süden immer mehr exzentrische Villen an der Felsküste errichtet wurden. Die »Villa Belza« wurde zum Zeitpunkt des Besuchs gerade für einen russischen Oligarchen umfassend renoviert.
Ein gesuchtes Motiv für die Fotografen war der Vierge-Felsen mit seinen bizarr geformten Seiten und einer weißen Madonnenstatue hoch oben. Vom eisernen Steg, der zum Felsen führt, konnte man die gesamte Bucht mit den schäumenden Wellen überblicken, die Biarritz zu einem der bedeutendsten Orte des Surfsports gemacht haben. Zu allen Tageszeiten, bis in die Nacht hinein, sieht man die Wellenreiter in ihren Neoprenanzügen.
Ein weiterer faszinierender Anblick bot sich dem Betrachter vom Plateau Atalaye, von dem aus die Fischer über die Jahrhunderte die Wale erspähten, die sie dann mit ihren Booten unter Lebensgefahr jagten.
Hinter der Küste erheben sich im Stadtpanorama Kirchen unterschiedlicher Stile, wobei die gotische Saint-Martin-Kirche die älteste ist. Ihr Turm diente einst den Seefahrern zur Orientierung. Heute leitet sie der Leuchtturm des Cap Saint-Martin. Beim Gang durch die Stadt waren die Markthallen mit ihrem üppigen Angebot von regionalen Produkten sowie Speisen und Getränken ein Augen- wie auch Gaumenschmaus, denn nach der zweieinhalbstündigen Tour brauchten die Besucher neue Energie und ein Plätzchen, wo sie die vielfältigen Eindrücke Revue passieren lassen konnten.
Abstecher nach Bayonne
Den Nachmittag verbrachten einige in Biarritz, während die größere Gruppe mit Birgit nach Bayonne aufbrach, das nur wenige Kilometer im Landesinneren am Fluss Ardour gelegen ist. Die Stadt hat eine ungewöhnliche Geschichte, stand sie doch knapp dreihundert Jahre lang unter englischer Herrschaft, da der Landesherr, der Herzog von Aquitanien, anno 1154 als König Henry II. den englischen Thron bestiegen hatte.
Anfang des 12. Jahrhunderts ließen sich Juden, die durch die Inquisition in Portugal vertrieben wurden, im Viertel »Saint-Esprit« nieder und führten die Schokoladenherstellung ein. Diese besondere schwarze Schokolade genießt einen Ruf über die Landesgrenzen hinaus. Noch heute wird sie von Hand gefertigt und jede Pâtisserie in der Stadt wirbt mit der Spezialität.
Zwischen den Fachwerkhäusern, am Quai de la Nive, pulsiert das Leben Bayonnes, wenn es auch an diesem Pfingstmontag sicherlich geruhsamer und gelassener zuging als an gewöhnlichen Werktagen. Erhalten sind noch Teile der römischen Mauer, Turm und Schutzwälle verschiedener Epochen und die von Vauban errichtete Zitadelle auf einer Anhöhe. Die Kathedrale Saint-Marie wurde im 13. Jahrhundert an Stelle der alten romanischen Kirche erbaut und besticht durch zwei 88 Meter hohe Turmspitzen im gotischen Stil. Im Innern beeindruckten die farbenprächtigen Glasmalereien.
Die Fahrt zurück zum Hotel führte durch das ehemalige Fischerdorf Anglet, das heute ein Freizeitzentrum mit Campingplätzen, luxuriösen Ferienwohnungen und mehreren Golfplätzen geworden ist.
Unterwegs von Saint-Jean nach San Sebastian
Am Dienstagmorgen brachte der Reisebus die Besucher ins zwanzig Kilometer südlich von Biarritz gelegene Städtchen Saint-Jean-de-Luz. Die pittoresken Fassaden der Häuser am Strand lassen nicht vermuten, dass die Stadt im 17. und 18. Jahrhundert von Sturmfluten verwüstet wurde. Erst unter Napoleon III. verfügte man über die technischen Mittel, robuste Wellenbrecher vor die Küste und stabile Deiche hinter den Strand zu bauen.
Am Hafen ist das so genannte Haus der Infantin der Anziehungspunkt. In dem herrschaftlichen Gebäude wohnte 1660 die Tochter des spanischen Königs vor der Hochzeit mit Ludwig XIV. Es war eine organisierte Ehe, um die ständigen Kriege zwischen Spanien und Frankreich zu beenden. In der Kirche Saint-Jean-Baptiste fand seinerzeit die Trauungszeremonie statt. Das äußerlich eher schlichte sakrale Bauwerk besticht im Innern durch eine imposante barocke Altarwand hinter dem Hauptaltar. Zwischen den gewundenen, mit Reben verzierten und mit Blattgold geschmückten barocken Säulen waren etwa zwanzig Statuen zu sehen. An den Seitenwänden befinden sich Emporen auf drei verschiedenen Ebenen, die für die Männer vorgesehen sind, während die Frauen im Gottesdienst unten Platz nehmen. Saint-Jean-Baptiste gilt als eine der schönsten Kirchen im Baskenland, erklärte Reiseführerin Birgit.
Wie die meisten Touristen bummelten auch die Besucher aus der Ortenau durch die belebte Rue Gambetta mit ihren schmucken Geschäften und Lokalen, bevor es weiter ging entlang der Küste bis zur Grenze und hinüber ins spanische San Sebastian.
Die Metropole mit dem baskischen Namen Donostia darf sich seit 2016 mit
dem Titel »Kulturhauptstadt« schmücken und sie begeisterte die Besucher aus dem Harmersbachtal auf Anhieb angesichts der traumhaften Lage in der Bucht von La Concha. Der von Birgit kenntnisreich und kurzweilig geführte Erkundungsgang war trotz gleißenden Sonnenscheins und hochsommerlichen Temperaturen ein Genuss, war man doch von den Bauwerken im wahrsten Sinne des Wortes »geblendet«. Gegenüber der Bucht liegt der »Palais Miramar«, der als Sommerresidenz der spanischen Königsfamilie im Stil der Neogotik errichtet wurde. Prunkvoll gestaltet ist auch das Rathaus der Stadt, das Ende des 19. Jahrhunderts als Spielcasino erbaut wurde.
Die Kathedrale Buen Pastor, ebenfalls neogotischen Stils aus dem vorletzten Jahrhundert, ist der höchste und bedeutendste Sakralbau in San Sebastian. Im Bereich der Altstadt mit ihren zahlreichen Geschäften, Cafés und Tapasbars konnte man die aufwändigen Renovationen der vergangenen Jahre bestaunen, die vor allem die größtenteils siebenstöckigen Häuser mit ihren kunstvollen Balkonen in neuem Glanz erstrahlen lassen.
Ungewöhnliches sah man auf der Plaza de la Constitucion: Die Nummern an den Hausfassaden verweisen darauf, dass auf dem zentralen Platz in der Altstadt einst Stierkämpfe stattfanden und die umliegenden Balkone an betuchte Zuschauer vermietet wurden.
Nach dem Rundgang ließ man sich gerne in einem Tapas-Restaurant davon überzeugen, wie kreativ die baskische Küche ist und mit welchen kulinarischen Finessen die Pixtos, wie man die Tapas hier nennt, zubereitet werden. Darüber gab es auf der Rückfahrt nach Biarritz im Bus einen regen Gedankenaustausch.
Im Hinterland auf den Spuren des »roten Golds« und der Jakobspilger«
Der 5. Tag bot den Reisenden ein reizvolles Kontrastprogramm. Man fuhr durch das Hinterland der Provinz Labourd, die von den großen Flüssen Adour, Nive und Nivelle reichlich bewässert wird und sich in üppigem Grün präsentierte. Durch das Nivelle-Tal, vorbei an den malerischen Häusern von Ainhoa, ging es über die »Route du Fromage« bis zum Dorf Espelette, dessen Wahrzeichen rote Paprikaschoten sind, die auf Fäden gezogen ganze Hauswände zieren. Kein Hof, der auf den Anbau des »roten Golds« verzichtet. Zufällig war in Ezpeleta (so der baskische Name des Ortes) Markt und man konnte das aus der roten Schote gewonnene Gewürz in verschiedenen Variationen kaufen. Käse, Schinken, Konfitüren sowie auch Stoffe mit den für das Baskenland typischen farbigen Streifen wurden an den Marktständen ebenfalls angeboten.
Auf der Weiterfahrt zum Ibaneta-Pass auf 1.066 Meter Höhe sah man vom Bus aus vereinzelt Pilger mit der Jakobsmuschel. Unterhalb des Passes liegt das Dorf Roncesvalles an der historischen Route über die Pyrenäen nach Santiago de Compostela. An der Pilgerherberge angekommen, überraschte Bruno Meßmer die Gruppe mit einem Picknick im Grünen. Obwohl die Sonne fast im Zenit stand, pfiff der Wind kräftig über die Höhen. Während die Reisegruppe sich an Baguette, Schinken, Käse und Wein erfreute, zogen etliche Pilger vorbei und suchten mehr oder weniger müde die Herberge von Roncesvalles auf.
Nach der Pause nahm man unter Führung der Kunsthistorikerin Susanna die Anlage in Augenschein. Birgit übersetzte die Ausführungen der Spanierin. Das älteste Gebäude, der Silo de Carlomagno, soll auf Karl den Großen zurückgehen und war angeblich eine Begräbnisstätte. Jedenfalls konnte man in der Tiefe des Gewölbes zahlreiche Skelette erkennen. Die Santiago-Kirche stammt aus dem 13. Jahrhundert und diente ursprünglich als Pfarrkirche. Heute ist darin ein Museum untergebracht, das einige Reliquien beherbergt, darunter auch ein Schachspiel, das Karl dem Großen gehört haben soll. Fasziniert war man von einem Triptychon, das von einem unbekannten Künstler stammt, stilistisch allerdings stark an Hieronymus Bosch erinnert. Es zeigt in satirisch überzogener Darstellung eine Schlachtszene aus der Zeit von Karl V. und die damals Mächtigen – Kaiser, Papst, Adel und Klerus –, die auf Kosten des einfachen Volkes ihre Konflikte austragen. Diese deutliche Kritik an den Herrschenden ist für die damalige Epoche äußerst ungewöhnlich. Vermutlich blieben aus diesem Grund die Namen von Auftraggeber und Künstler ungenannt.
Den letzten Halt vor der Rückkehr nach Biarritz machte man im Ort Saint-Pée-sur-Nivelle, dessen mit Wehrgängen versehene Schutzmauer um den Altstadtkern noch gut erhalten ist. Vom Platz unterhalb der Zitadelle, die heute ein Collège beherbergt, hatte man eine gute Aussicht auf die Stadt und die nähere Umgebung sowie auf die südliche Pyrenäenkette mit dem höchsten Berg, dem Rhune. Saint-Pée war vor allem während der spanisch-französischen Kriege ein wichtiger strategischer Ort. In der Stadt mit ihren schmalen Gassen und interessanten Geschäften fiel besonders eine Gewürzhandlung ins Auge, in der hunderte von kleinen Säcken, Schalen und Gefäßen mit Gewürzen, getrockneten und kandierten Früchten aus aller Herren Länder feilgeboten wurden. Ideale Mitbringsel, als Geschenk oder für den Eigenbedarf zuhause. Zurück in Biarritz hieß es dann Abschied nehmen von Reisebegleiterin Birgit.
Guggenheim – Bilbao
»Musterbeispiel der Architektur des 21. Jahrhunderts« – »Juwel im einstigen Stahlrevier«: Viele Attribute haften dem avantgardistischen Guggenheim-Museum an, das zum herausragenden Wahrzeichen der Stadt Bilbao an der Costa Verde geworden ist. Der Besuch des Kunstmuseums, das der berühmte Architekt Frank O. Gehry entworfen hat und das 1997 eingeweiht wurde, stand im Mittelpunkt der Tagesfahrt am Donnerstag.
Das Gebäude ist in der Tat selbst ein Kunstwerk und sieht aus jedem Blickwinkel anders aus: Man meinte ein »gestrandetes Schiff« zu erkennen, dann erblickte man einen »riesigen schuppengepanzerten Fisch«. Keinen einzigen rechten Winkel hat dieses Jahrhundertbauwerk aus Glas, Kalkstein und Titan. Im Innern muten verglaste Fahrstühle und kurvenartige Gänge an wie ein verzweigtes Netz aus Straßen, das insgesamt drei Ebenen verbindet. Die zeitgenössischen Installationen und Videoprojekte im unteren Bereich waren für den mit avantgardistischen Experimenten weniger vertrauten Betrachter eher »befremdlich«. Im 3. Stockwerk boten drei großformatige Werke und die Bodenskulptur »Berenice« des zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern nach dem Zweiten Weltkrieg zählenden Anselm Kiefer einen überwältigenden Anblick. Auch die ausgewählten Werke von Georges Seurat und der Neoimpressionisten sowie die Bilder und Zeichnungen von Toulouse-Lautrec fanden großen Gefallen. Organisatorisch gelungen war die individuelle Besichtigung der Kunstwerke mit Hilfe eines Audioguides, sodass jeder Teilnehmer »nach seiner Façon« durch die Ausstellungsräume gehen konnte. Leider war die zweite Ebene aus unbekannten Gründen gesperrt.
Dass das »Guggenheim-Bilbao« nicht nur für seine Architektur und Kunstsammlung berühmt ist, sondern auch für seine exquisite Küche, blieb den Besuchern aus der Ortenau leider vorenthalten, denn der nächste Programmpunkt stand schon an. Stadtführerin Veronika machte beim Gang durch das Altstadtviertel deutlich, dass der Wandel in Bilbao nicht allein auf dem »Guggenheim-Effekt« beruht. Es sei ein umfassendes Entwicklungsprogramm gewesen, das die aussichtslose Industriestadt innerhalb weniger Jahre in eine stilvolle Kulturmetropole verwandelt habe. Allerdings erblickte man neben moderner Architektur und umfangreich sanierten Straßenzügen oder der prächtigen gotischen Kathedrale Santiago aus dem 14. Jahrhundert auch heruntergekommene oder leerstehende Gebäude. Die Markthallen der Stadt sind laut Veronika die flächenmäßig größten in ganz Europa.
Die kurze Freizeit nach dem Rundgang nutzten viele Mitreisende am sonnig-heißen Nachmittag zur Abkühlung einerseits und zur Stärkung andererseits in einer der vielen Tapas-Bars bei delikaten Pixtos und einem spritzigen Txakoli-Weißwein. Andere wiederum entspannten genussvoll im herrlichen Ambiente des über hundert Jahre alten Cafés »Iruna«. Mit einer Fülle von Eindrücken ging’s auf die Rückfahrt zum Hotel in Biarritz. Dort war »Un jour à Peyrassol‘ zum letzten Mal der Ort des Abendessens.
Auf nach Lyon
Tag Sieben der »Pfingstreise 2017« bestand aus einer 735 Kilometer langen Fahrt von der Atlantikküste nach Lyon. Wie auf der Hinfahrt konnte man vom Bus aus die Landschaften des südlichen Frankreich betrachten. Diesmal sogar bei Sonnenschein. Reiche Eichen- und Kiefernwälder säumten die Straßen. Immer wieder Herden von Charolais-Rindern in der Auvergne, dann der majestätische 1.465 Meter hohe Puy de Dôme nahe Clermont-Ferrand. Schließlich über das Massif Central hinunter ins Rhônetal und weiter bis nach Lyon. Für die letzte Übernachtung vor der Heimfahrt war das Hotel »Charlemagne« reserviert.
Nach dem Abendessen im Hotelrestaurant führte Herbert Vollmer die Tradition fort, langjährige Mitreisende zu würdigen. Zunächst gedachte man mit einer Schweigeminute des 2009 verstorbenen Initiators der »Pfingstfahrten«, Hans-Georg Kluckert. Mit einer kurzen, humorvollen »Laudatio« beglückwünschte Herbert Vollmer dann zunächst Elisabeth Antes für die Teilnahme an zehn Fahrten, sodann Béatrice Kräutler für 20 Fahrten und schließlich die »Rekordhalterin« Gretel Mark, die bereits sage und schreibe 30 Mal dabei war. Unter dem Beifall der Anwesenden überreichte Vollmer jeweils ein Geschenk.
Moderne Architektur und sakrale Kunst
Nach dem letzten Frühstück stand die Besichtigung von Lyon auf dem Programm. Zunächst mit dem Bus entlang der Saône, dem im Gegensatz zur breiten mächtigen Rhône »lieblicheren« der beiden großen Flüsse, an denen schon die Kelten und Römer siedelten und Handel trieben. Stadtführerin Ilka, eine Deutsche, die seit ihrer Jugend die meisten ihrer Lebensjahre in Frankreich verbracht hat, schilderte die Entwicklung Lyons von den Anfängen bis zur heutigen, nach Paris und Marseille drittgrößten Stadt Frankreichs.
Ähnlich wie in Bilbao löste ein moderner Stadtentwicklungsplan in Lyon Synergien zwischen der Bevölkerung und der Wirtschaft aus. Modernisierungen durch den renommierten Architekten Renzo Piano (Cité Internationale) oder das Einkaufszentrum »Confluence«, die futuristischen Wolkenkratzer »Port-Dieu« und »Oxygène Tower«, in denen Unternehmen von internationalem Rang ansässig sind, treiben die Entwicklung voran. Das 2014 eröffnete Musée des Confluences, das über umfangreiche Sammlungen im Bereich der Geo- und Humanwissenschaften verfügt, sieht architektonisch aus wie ein Zwilling des »Guggenheim-Bilbao«.
Vom Hügel des Stadtteils »Fourvière« hatte man einen herrlichen Blick auf die beiden römischen Theater, die aus der Ära des Kaisers Augustus stammen. Die Basilika der Fourvière thront mit ihren vier Türmen über der Stadt. Daneben steht die kleinere Kapelle mit einer goldenen Marienstatue auf der Kuppel, sodass der Eindruck entsteht, die Kirche habe fünf Türme. Interessantes erfuhr man über die Entstehung der Basilika, die seit ihrer Einweihung 1896 eine bedeutende Wallfahrtsstätte der Franzosen ist. Nach der Niederlage der Franzosen im deutsch-französischen Krieg 1870 legte der damalige Erzbischof von Lyon auf Drängen der Bürger ein Gelübde ab: Sollte die Stadt vom Einmarsch preußischer Truppen verschont bleiben, wolle man der Jungfrau Maria ein Gotteshaus bauen. So greifen die bunten neobyzantinischen Mosaiken, Statuen, Vergoldungen im Innern der Basilika immer wieder Themen aus dem Leben der heiligen Jungfrau auf und erinnern an ihr Wirken in der Geschichte Frankreichs und der Welt.
Seide, Fresken, Traboules
Von Fourvières blickte man zum gegenüberliegenden Hügel Croix-Rousse mit auffallend hohen Häusern. Diese wurden errichtet, weil Joseph Jaquard 1805 einen neuartigen Webstuhl zur Seidenherstellung erfunden hatte, der dank eines Lochkartensystems die Produktion um ein Vielfaches steigerte. So wurde der »arbeitende Hügel« zum Zentrum der Seidenweber und Lyon zur »Hauptstadt der Seide«. Heute gibt es allerdings nur noch wenige echte Seidenweber.
Besondere Anziehungskraft für Touristen haben die Wandmalereien und Fresken, die in verschiedenen Arrondissements der Stadt zu finden sind. Ilka führte die Gruppe zur bekannten »Freske der Lyoner«, die auf zwei Hauswänden über vier Stockwerke bekannte Männer und Frauen abbildet, die in Lyon geboren wurden, daselbst wirkten oder noch in der Stadt leben: der römische Kaiser Claudius, die Brüder Lumière, der Abbé Pierre, der Filmregisseur Bernard Tavernier und viele mehr.
Eine pittoreske Altstadtwelt erschließt sich einem beim Spaziergang durch die Traboules von Lyon; das sind schmale Gänge durch mehrere Häuser und über deren Innenhöfe, um von einer Straße zur anderen zu gelangen. In den Häusern verbinden enge Wendeltreppen die bis zu sieben Stockwerke. Vom Innenhof aus sieht man die Fassaden und Verzierungen unterschiedlichster Baustile. Laut Ilka gibt es in Lyon insgesamt 700 Traboules. Nach dem über zweistündigen Erkundungsgang blieb noch etwas Zeit für individuelle Besichtigungen oder für Einkäufe, für einen Café- oder Restaurantbesuch.
Am frühen Nachmittag startete Bruno den Bus am Ufer der Saône und nahm Kurs in Richtung Heimat. Bereits am frühen Abend hatten die Pfingstfahrer das Elsass erreicht. Von dort über den Rhein und über die Autobahn war es nicht mehr weit in die Ortenau.
Herbert Vollmer hatte schon während der Rückfahrt ein positives Fazit der Reise gezogen und fand dies durch den Beifall der Mitreisenden bestätigt. Er dankte auch Bruno Meßmer, insbesondere für die Kooperation bei den Vorbereitungen und der Programmgestaltung. Aus verschiedenen Vorschlägen für die Pfingstfahrt im nächsten Jahr wurde mehrheitlich für das Reiseziel »Istrien« votiert. Nach der Fahrt ist vor der Fahrt!










