Die traditionelle, gemeinsame Herbstwanderung der Partnergemeinden Niedernai und Nordrach fand am vergangenen Sonntag im Elsass statt. Elf Einwohner aus Niedernai und zehn aus Nordrach wanderten von Mutzig aus zur »Feste Kaiser Wilhelm II.« in Mutzig und besichtigten diese Festung, die größte im damaligen Kaiserreich.
Am späten Sonntagvormittag erwarteten die Niedernaier ihre Nordracher Freunde am Rathaus. Gemeinsam fuhren die erwartungsvollen Wanderer zunächst mit Autos zum Parkplatz am Bahnhof Mutzig. Von dort wanderten sie durch das alte Stadttor in die Stadt und dann den Berghang hinter Mutzig hoch, auf dem die weitläufige Festungsanlage errichtet wurde. Unterwegs gab es immer wieder schöne Ausblicke auf Mutzig, die Vogesen und die Rheinebene. Nach einer Mittagsrast erreichten die Wanderer nach rund zwei Stunden Wanderzeit schließlich die Festung.
Die deutschsprachige Führerin Anne Cathrine Stelz erklärte nun der Wandergruppe abwechselnd in Deutsch und Französisch, wie es zum Festungsbau gekommen war. Nach dem verlorenen Krieg 1870/71 musste Frankreich das Elsass und Teile Lothringens an das neu gegründete deutsche Kaiserreich abtreten, das diese Gebiete »auf ewige Zeit« in seinen Besitz nahm. Beide Länder gingen davon aus, dass es früher oder später zu einem weiteren Krieg kommen würde. Deshalb umgaben die Deutschen die Stadt Straßburg mit einem Ring von 19 Festungsanlagen. Der Zugang zur Rheinebene durch das Breuschtal auf Straßburg hin sollte durch eine mächtige Festungsanlage oberhalb Mutzig versperrt werden.
Im Jahre 1893 ordnete Kaiser Wilhelm II. den Bau der Festungsanlage selbst an, sie erhielt deshalb auch seinen Namen. Statt des damals üblichen Einheitsforts, in dem Infanterie und Artillerie zusammen untergebracht waren, wurde eine neue Bauweise gewählt. Auf einer Fläche von 254 ha (300 Fußballfelder) wurden fünfzig einzelne Gebäude aus Beton errichtet, die alle unterirdisch angelegt oder überdeckt waren. Das Baumaterial wurde mittels einer Schmalspurbahn auf den Bergrücken gebracht. Zur Unterbringung der 6.500 Mann Besatzung wurden drei unterirdische Kasernen errichtet, dazu gab es 16 Stellungen mit betonierten Infanterieräumen und Panzertürmen. Eine Telegraphenleitung verband die Feste mit Straßburg und im Jahre 1904 wurde eine Funkstation hinzugefügt. Bis 1906 war die Festungsanlage weitgehend hergestellt, kleinere Veränderungen und Modernisierungen folgten bis 1916.
Anne Cathrine Stelz führte die Wandergruppe in die Unterkünfte, wo Schlafräume, Küche und Backstube, Werkstatt, Lazarett und WC-Anlage besichtigt werden konnten. Unterirdische Gänge verbanden die einzelnen Anlagen. Stelz berichtete, dass die Festung im Ersten Weltkrieg nur an einem einzigen Tag in die Kampfhandlungen eingreifen musste, als die Franzosen wie erwartet über das Breuschtal angegriffen hatten. Ihr Angriff konnte zurückgeschlagen werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Feste zum Übungsgelände der französischen Armee. Teile des Ostforts wurden 1947 zugeschüttet, das Drahthindernis weitgehend entfernt. Die Anlage wurde in den 1960er Jahren aufgegeben, blieb aber im Besitz des Militärs. Da die Festung nie ernsthaft umkämpft wurde, gehört sie weltweit zu den am besten erhaltenen Festungsbauten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Seit 1984 restaurieren Deutsche und Franzosen die Anlage. Die zugänglichen Bereiche, derzeit ca. 10 % der Gesamtanlage, werden heute von einem deutsch-französischen Verein unterhalten.
Die höchst interessante und lehrreiche Führung dauerte gut zweieinhalb Stunden. Die Führerin Anne Cathrine Stelz ist Mitglied des Vereins »Fort de Mutzig«, der deutsche und französische Mitglieder hat. Sie bedauerte, dass die Festungsanlage nicht einmal unter Denkmalschutz gestellt wurde, deshalb der Verein auch keine staatliche Hilfe erhält und die Unterhaltung der riesigen Anlage aus eigenen Mitteln, Eintrittsgeldern und Spenden, finanzieren muss.
Der Rückweg führte die Wanderer auf direktem Weg durch den herbstlich gefärbten Wald hinab und bald hatten sie wieder Mutzig erreicht. Im Restaurant »La Bergerie« in Bischoffsheim kehrten die Wanderer zum Abschluss dieses Wandertags ein. Die mehrstündige Wanderung hatte ordentlich Appetit gemacht und so ließ man sich Flammenkuchen und andere schmackhafte Speisen schmecken.
Michel Demant, Vorsitzender des Vereins »Carpe Diem« in Niedernai, hatte die Wanderung gut vorbereitet und geführt und erhielt dafür allseits Lob und Dank.













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