Zum Glück wurde der Maibaum nicht geklaut – mit Musik, Muskelkraft und Magenfreuden ging es in Biberach hinein in den Wonnemonat.






Stolze 21 Meter lang war die bis mit Ausnahme ihres Wipfels entastete Tanne, die im Schritttempo auf den großen Platz vor das Rathaus gefahren wurde. Noch nackt, sprich ungeschmückt, doch bereits mit Halterungen für die späteren Zunfttafeln der Biberacher Handwerksberufe versehen, wurde sie vom Biberacher Blasorchester und dessen Dirigent Axel Berger musikalisch willkommen geheißen.
Gleichzeitig galten die Begrüßungsklänge einer Vielzahl von Zuschauern. Vom frühen Sommerwetter angelockt, warteten sie gespannt auf das Maibaumstellen. Ein wahres Spektakel, auf das Bürgermeister Jonas Breig mit einer kurzen, informativen Rede einstimmte: Woher eigentlich kommt der Brauch einen Maibaum zu stellen?
„Schon die Römer haben am Ersten Mai ein großes Fest gefeiert“, wusste das Ortsoberhaupt zu berichten und damit auch den Ursprung des Namens zu erklären: Maia, der Göttin des Wachstums, war der Monat gewidmet. Ihr brachte man Opfer dar und ihr zu Ehren stellte man einen Baum auf, der ihre Würde symbolisierte und um den herum man tanzte.
Christianisierung wider Maibaum
Im keltischen Kalender wiederum markierte der Erste Mai den Sommerbeginn. Zum Feuerfest Beltane verzierten auch die Kelten Ställe, Bäume und Häuser mit frischem Grün.
Im Zuge der Christianisierung dann wurden die alten heidnischen Riten verboten – so auch der Weihe- und Richtbaum -, denn ausschließlich Gott galt als heilig. Erst im 15. Jahrhundert etablierte sich die Tradition des Maibaum-Aufstellens wieder. Seither steht der Maibaum für Gedeihen und Wachstum, Hoffnung und Freude sowie für Glück und Segen.
Im 18. Jahrhundert allerdings versuchte man den Maibaum erneut zu verbieten: Das Feiern und Tanzen waren der weltlichen und der kirchlichen Obrigkeit ein Dorn im Auge. „Zum Glück blieben diese Bemühungen ohne Erfolg“, so Bürgermeister Jonas Breig. Ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert stammt die Tradition, am Maibaum neben Kränzen und Bändern auch kleine Tafeln an Querbalken anzubringen. „Darauf sind unter anderem Handwerk und Gewerbe des jeweiligen Ortes vertreten“, erläuterte das Ortsoberhaupt, „so wie auch bei unserem Maibaum.“ Dessen Biberacher Handwerkstafeln wurden vor 20 Jahren von Malermeister Siegfried Schilli gefertigt.
Seit besagtem 18. Jahrhundert gibt es verschiedene Traditionen rund um den Maibaum. Mancherorts beispielsweise stehlen junge Männer der Nachbargemeinde den Baum, unter den freilich wohlwollenden Augen einer „Nachtwache“. Woraufhin eine anständige Auslöse und ein gemeinsames Fest anstehen.
Zudem wird – je nach Region – dem Brauch des „Liebesmaien“ gehuldigt, mit dem junge Männer ihre Liebe gestehen: Sie stellen ein kleines, reichgeschmücktes Bäumchen vor das Fenster ihrer Liebsten.
Logistische Meisterleistung
Die Maien-Tradition wird auch in Biberach großgeschrieben. Seit 1984 sind es die Alten Herren des Fußballvereins Biberach (FVB), die zusammen mit den Mitarbeitern des Bauhofs den Maibaum aufstellen und dieses Brauchtum somit am Leben erhalten. Und zwar nicht modern-schnöde mithilfe eines Krans, sondern auf traditionelle Weise mit Stangen. „Eine logistische Meisterleistung, die nur als Team gelingt“, wie Jonas Breig mit einem Dank an alle Beteiligten unterstrich.
Die nutzen das Wissen, dass der Schwerpunkt des Baumes sich bei etwa einem Drittel seiner Länge befindet. Paare miteinander verbundener Schubstangen werden jeweils an bestimmten Punkten des Baumes angesetzt, mit ihrer Hilfe kann der Baum zunehmend weiter aufgerichtet werden. Stehen die Stangen dann ausreichend steil, können sie am Boden kraftsparend abgestützt werden.
Dies alles geschah unter der erfahrenen Regie des Biberacher Bauhof-Urgesteins Josef Schmidt – mit wachsamen Augen, dirigierenden Händen und einem immer wieder ertönenden Krafteinsatz-Kommando „uuuund hoch!“ koordinierte und bündelte er die Kräfte des Teams.
Unbedingt treffen!
„Der spannende Moment ist, wenn der Baum in die Senkrechte geht: dass er dann punktgenau in die Bodenhülse rutscht“, weiß Bürgermeister Jonas Breig. Und dieser Moment klappte wie maßgeschneidert. Muskelkraft und Köpfchen bedurfte es dann ebenfalls, um den mannshohen Kranz unter den Wipfel zu hieven. Stangen kamen auch hier zum Einsatz, vor allem aber die Hilfe eines Hubwagens – so viel Zugeständnis an die Verwendung moderner Technik musste dann doch sein.
Von den Frauen der Männer der FVB-Altherrenabteilung zuvor in liebevoller Handarbeit aus den Zweigen des Maibaums geflochten und von den Herren dann in den Vereinsfarben blau/ gelb mit Bändern geschmückt, war der Kranz vor dem Aufrichten des Stammes um diesen herum „eingefädelt“ und bereitgelegt worden. Ihn in die Höhe zu bringen, erforderte die Schwindelfreiheit der Bauhofmitarbeiter. Gleiches galt für das Anbringen der Handwerksschilder, zum Schmuck des ellenlangen Stammes.
Bitte um „good vibrations“
Für die Bewirtung während des von vielen Augen bestaunten Geschehens sorgte die Ortsabteilung des Schwarzwaldvereins, und auch danach ging es noch eine gute weitere Stunde fröhlich zu – bei Speis´ und Trank und der Gute-Laune-Musik des Blasorchesters.
Bis Anfang Juli nun wird der Maibaum in Biberachs Ortsmitte bei den Mächten des Frühlings um (in die Moderne übersetzt) „good vibrations“ werben und erst dann wieder abgebaut werden – um den Platz frei zu machen für die sommerlichen Tavernenabende.