Bürgermeister Jonas Breig und Josef Ringwald als langjähriger Vorsitzender des Historischen Ortsvereins stecken die Köpfe zusammen: »Im Jahr 1222 wurde Biberach das erste Mal in einem Dokument erwähnt, das werden wir feiern«, erklären sie. Kurioserweise gab es bereits eine große 850-Jahr-Feier, nämlich anno 1989.
Die Erklärung dazu ist einfach. Die 1975 gegründete Verwaltungsgemeinschaft Zell am Harmersbach wollte damals ein Jubiläumsfest anlässlich der Tatsache veranstalten, dass in einer mittelalterlichen Urkunde – einer päpstliche Bulle – aus dem Jahr 1139 die Ersterwähnung der jener Verwaltungsgemeinschaft angehörenden Orte erfolgte. Mit Ausnahme Biberachs allerdings, »obwohl man davon ausgehen kann, dass es den Ort damals schon gab«, so Jonas Breig und Josef Ringwald.
Damit sich das in der Bulle nichtgenannte Biberach (gemeinsam mit Prinzbach) nicht ausgeschlossen fühlt, wurde es von Zell, Unterharmersbach, Nordrach und Oberharmersbach zum Mitfeiern eingeladen. Die Jahreszahl 1139 ist für Biberach also nicht belegt, im Gegensatz zu 1222. Bei der heuer deswegen anstehenden 800-Jahr-Feier handelt es sich folgerichtig nun um ein historisch korrektes Ortsjubiläum.
Los gehen wird es am 30. September, der beschränkten Kapazität wegen zunächst mit geladenen Gästen: An diesem Freitagabend wird im Rietsche-Saal die vom Historischen Verein zusammengetragene Ausstellung »800 Jahre Ersterwähnung Biberach« mit einem Festakt eröffnet. Und zwar mit einem Vortrag des Zeller Stadtarchivars und -chronisten Dieter Petri, der einen Blick auf wenig bekannte Ereignisse wirft.
»Diese betreffen die Zeitspanne von etwa 1600 bis 1800, sie war bislang eher ein weißer Fleck«, verrät Josef Ringwald, »dafür sind wir sehr dankbar, denn wir wollen möglichst nicht auf Altbekanntem herumreiten.« Für Interessenten aus der breiten Öffentlichkeit wird der Vortrag am Sonntag, 2. Oktober, um 14 Uhr wiederholt.
Verloren geglaubt: Die Biberacher Tracht
Auch für die Ausstellung gilt, dass Themen präsentiert werden, »die weniger publik sind.« Dazu gehört zum ersten die Biberacher Tracht. »Die war eigentlich vergessen«, so Josef Ringwald, »kaum jemand hat noch eine Erinnerung daran.« Seine beiden eigenen Großmütter – die letzte 1974 verstorben – gehörten mit zwei anderen Frauen zu den letzten Trägerinnen einer Tracht, deren Kopfbedeckung der heutzutage bald 71-Jährige als Alleinstellungsmerkmal bezeichnet.
Mithilfe alter Fotos, der Unterstützung durch Bürgermeister Breigs Großvater Wolfgang Westermann (ehemals Vorsitzender des Historischen Ortsvereins) sowie unter der Federführung von Vereinsmitglied Marlene Herrmann wurden die Teile in mühevoller Arbeit zusammengetragen. Eine Trachtennäherin verarbeitete sie dann zu einem Schmuckstück.
Hexen-Prozesse – Post-Pascha
Ein zweites – wenngleich trauriges – Thema der Ausstellung bezieht sich auf die Gerichtsbarkeit im Hoch- und Spätmittelalter sowie der Neuzeit. »Die geringsten Vergehen wurden scharf geahndet, der grausame Höhepunkt waren dann die Hexenprozesse«, weiß Josef Ringwald: Um 1650 wurden sechs Biberacher Frauen als Hexen hingerichtet, durch Feuer, durchs Schwert. Dies geschah in Zell und »ist ein Kapitel der Biberacher Geschichte, das bisher nicht bekannt war«, betont der leidenschaftliche Hobby-Historiker.
Zu den zu diesem Thema gezeigten Exponaten und Bildern gehören unter anderem als Folterwerkzeug genutzte Daumenschrauben sowie das Richtschwert aus Gengenbach. Denn weil die Zeller aus Kostengründen keinen eigenen Scharfrichter hatten, ließ man einen solchen aus Gengenbach nach Zell kommen. Hier übte er sein Handwerk gegen im Übrigen gute Bezahlung aus.
Weniger dramatisch geht es beim dritten Themenkomplex der Ausstellung zu, dem Postwesen. »Unter den Exponaten gibt es einen Original-Reiseschein von Biberach nach Stockach, den wir haben erwerben können«, freut sich der Vorsitzende des Historischen Vereins. Gespannt sein dürfen Besucher auch auf mit einem Augenzwinkern Erzähltes rund um den »Post-Pascha«: einem Posthalter, der 1833 als Sonnenwirt nach Biberach kam und sich seiner Macht nur zu bewusst war. Immerhin mussten die Zeller, die damals noch keine Poststation besaßen, bei ihm die Post abholen.
Klein aber fein wird die Ausstellung insgesamt sein, »denn wir wollen ja nichts zigmal wiederholen, sonst wird’s langweilig«, unterstreicht Josef Ringwald. »Wir wollen kleine, bislang eher wenig bekannte Schlaglichter auf die genannten Themen werfen und es dabei bewenden lassen.«
Seit Anfang des Jahres hat der Historische Biberacher Ortsverein die 800-Jahr-Feier konkret ins Auge gefasst. »Ganz konkret befassen tun wir uns damit seit etwa drei Monaten«, rekapituliert der Vorsitzende – dankbar für die große Unterstützung, die er von Vorstandsteam und Vereinsmitgliedern erhält, »wir haben einen sehr guten Zusammenhalt.«
Bildband mit historischen Fotos und Anekdoten
Zusätzlich zur Ausstellung gibt es einen Bildband. Von Josef Ringwald und dem Historischen Verein zusammengestellt, lädt er in einer Auflage von 200 Exemplaren auf 141 Seiten zu einem ebenso interessanten wie kurzweiligen Spaziergang durch die Geschichte Biberachs ein.
»Wir hatten bisher schon viele Fotos im Archiv oder im Fundus von Privatleuten, aber ich konnte auf verschiedene Quellen zurückgreifen und noch einiges mehr dazu gewinnen, was bislang noch nicht publiziert worden ist.« Die Aufnahmen wurden zusammengeführt, in einer gewissen Systematik geordnet und überdies liebevoll mit Anekdoten über den Ort und seine Menschen gewürzt. Ausdrücklich jedoch ohne jemanden bloßzustellen. »Das liegt mir fern«, hebt der auch anderweitig vielfach beschäftigte Senior mit Nachdruck hervor.
»Wir haben ja schon gute Werke über die Biberacher Heimatgeschichte«, unterstreicht er und betrachtet den Bildband daher als Ergänzung, »es ist ein Versuch, einen anderen Zugang zur Ortsgeschichte zu ermöglichen.« Über die anschauliche, eindrückliche Bebilderung wolle er geschichtlich interessierten Biberachern ebenso wie Menschen von außerhalb zunächst das Wesentliche von Biberachs Geschichte vermitteln. »Wer sich mehr und tiefer hineinknien möchte, kann sich im Heimatbuch und in der anderen Literatur weiter informieren.«
Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt der Bildband bewusst nicht. »Wir haben versucht, eine gewisse Auslese zu treffen – wohlwissend, dass das nicht so einfach ist, man will ja niemanden zurücksetzen, aber irgendwo muss man einen Schnitt machen.« Das Werk kann man während der Ausstellung für 20 Euro erwerben. Die großzügige Unterstützung durch die Gemeinde sowie das Sponsoring durch Biberacher Firmen hat diesen Preis ermöglicht.
Ketterermuseum am 2. Oktober
Auch das imposante Heimatmuseum Ketterer-Haus, das mit vielen Requisiten an die Geschichte von Biberach erinnert, ist in die 800-Jahr-Feier eingebunden. Am Sonntag, 2. Oktober, hat es von 11 bis 17 Uhr geöffnet. In dieser Zeit werden Handwerker alte Techniken zeigen, für Kinder ist eine Bastelecke eingerichtet. Auch selber am Spinnrad Spinnen und Kräutersalz herstellen kann man, ebenso wie (im Hof hinter dem Museum!) Pfeil und Bogen herstellen und sich auf einer Bogenschießbahn ausprobieren.
Josef Ringwald, als Ex-Banker ein Zahlenmensch, sinniert nachdenklich: »Mit meiner bisherigen Lebenszeit von 70 Jahren habe ich bereits knapp neun Prozent von 800 Jahren abgedeckt – so groß ist die Jubiläums-Zeitspanne von acht Jahrhunderten also eigentlich nicht«, lächelt er. Groß, und zwar sehr groß, wird seine Freude jedoch über ein reges Besucherinteresse sein – und über möglicherweise neue Mitglieder, die dem Historischen Ortsverein beitreten.
An drei Tagen wird die Öffentlichkeit die Gelegenheit haben, die Ausstellung im Rietsche-Saal zu besuchen: von Samstag bis Montag, 1. bis 3. Oktober, jeweils 11 bis 17 Uhr.