Fit, gesund und heiter ist Erna Antritter, die nach wie vor regelmäßig trainiert – eigentlich ist alles wie immer. Nur ihr heutiger 85. Geburtstag ist es nicht. Denn den kann sie wegen der Gefahr durch das Coronavirus diesmal nicht im großen Rahmen feiern, wie sie es seit ihrem 60. Wiegenfest alle fünf Jahre zu tun pflegt. »Das holen wir nach«, blickt die Jubilarin jedoch ganz entspannt in die Zukunft.
»Ich fühle mich wie 40- oder 50-jährig«, sagt Erna Antritter, geborene Schmider. Und wer das Strahlen in ihren Augen sieht und die Art und Weise, wie sie sich bewegt, der glaubt ihr das aufs Wort. »Seit meinem 80. Geburtstag hat sich eigentlich nichts geändert«, resümiert sie und lacht in sich hinein. Leise lacht sie und bescheiden, »es sind nur ein paar Medaillen dazugekommen.«
Was bedeutet: Noch immer trainiert die am 20. März 1935 in Unterharmersbach zur Welt Gekommene dreimal in der Woche für ihren Geher-Sport – für jeweils eineinhalb bis zwei Stunden. Und noch immer nimmt die Senioren-Weltmeisterin von 2007 an Wettkämpfen teil, über Distanzen von drei, fünf, zehn und zwanzig Kilometern. 2018 wurde sie WM-Zweite, mit gerade einmal drei Schritten Abstand zur Siegerin – das ärgert sogar eine so ausgeglichen Wirkende wie Erna Antritter.
»Das mit den ganzen Wettkämpfen regelt mein Bruder, der Walter Schmider«, ihr Lächeln ist ein dankbares. Fünf ihrer Geschwister, zu denen sie in engem Kontakt steht, leben noch: Zwei ältere Brüder hat Erna Antritter, »von den Mädchen bin ich die älteste.«
»Ich liebe die Natur und bin gerne draußen«, strahlt die der Zahl nach hochbetagte und doch so jung wirkende Sportlerin, vor allem Sonnenauf- und Sonnenuntergänge haben es ihr angetan. »Wegen der Natur mache ich das mit dem Gehen, und deswegen bin ich auch so gesund«, ist sie sich sicher. Noch nie habe sie sich impfen lassen, wenngleich sie auf ihre Ernährung achte.
»Außerdem habe ich meinen Garten und die Enkel«. Die Fünferschar sieht sich inzwischen um einen Urenkel erweitert, stolz zeigt die Jubilarin ein Tauf-Foto von sich und dem kleinen Theo.
»Ich habe ein Herz für Kinder«, strahlt Erna Antritter erneut. Deswegen auch nimmt eine wohlgeordnete Bärenhorde das Wohnzimmersofa in Beschlag, »Bären und Puppen sind mein Hobby.«
Mit ihrem Mann Walter Antritter, dem zuliebe sie ins Kinzigtal gezogen und mit dem sie vom 10. Mai 1968 an verheiratet war, bis er nach schwerer Krankheit im Jahr 1999 verstarb, hat sie drei eigene Kinder großgezogen: Den von ihrem verwitweten Gatten mit in die Ehe gebrachten kleinen Richard sowie die beiden gemeinsamen Söhne Reinhard und Hansjörg.
Zudem zog das Ehepaar 14 Pflegekinder groß. Sie alle hat das Leben inzwischen in ganz Deutschland verstreut – bis auf die noch immer in Biberach lebende und in engem Kontakt mit »Tante Erna« stehende Sandra Moosmann. Auch die Blutsverwandten der umtriebigen Seniorin leben in Biberach oder in der Nähe, eine Vielzahl von Familienfotos schmückt Wand und Schrank.
Die Kraft zweier Leben
»Solange mir der Herrgott da oben Gesundheit gibt, mache ich den Sport und alles andere« – Erna Antritter, die komplett eigenständig in einer hübschen hellen Wohnung in Biberachs Hauptstraße wohnt, legt bittend die Hände ineinander und lacht dabei zuversichtlich gen Himmel.
»Alles andere« bezeichnet eine Vielzahl von Aktivitäten, denen die Energiegeladene auch heutzutage noch nachgeht. Seit bald vier Jahrzehnten ist sie als Messnerin bei der Biberacher Pfarrgemeinde St. Blasius im Einsatz. Zudem leitet sie jeden Mittwoch die Ministrantenprobe, gehört von Anfang an dem seit nunmehr 30 Jahren bestehenden Liturgiekreis an sowie der kirchlichen Frauengemeinschaft. Im Turnverein fungiert sie beim Kinderturnen als Trainerin, desgleichen bei der Frauen- und Seniorengymnastik. Auch bei den fasent-närrischen »Schwarzwaldnegern« mischt die Nimmermüde mit, »das war dieses Jahr wieder ganz toll.«
»Von alledem will ich nichts missen«, betont die 85-Jährige, die die Kraft zweier Leben in sich zu vereinen scheint. Reiselustig ist sie obendrein, frönt dann ihrer Leidenschaft des Fotografierens. Naturmotive –natürlich – stehen dabei ganz oben an.
Und dann ist da noch ein weiterer, überaus wichtiger Bestandteil ihres in so vielen Bereichen engagierten Lebens: Die Freiwillige Bürgerwehr der Stadt Zell am Harmersbach. Die hätte ihrem Mitglied, das seit über 60 Jahren die einstige Tracht der Zeller Bürgerinnen trägt, nur gar zu gern eine Ehrensalve ob all der Verdienste um Heimat und Brauchtum geschossen. »Dass zum Auftreten, zum Spaß und zur Freude auch Arbeit gehört, ist für Erna selbstverständlich«, betont Hauptmann Paul Gutmann als Kommandant der Bürgerwehr. Die Schießgenehmigung wurde frühzeitig eingeholt, doch coronavirus-bedingt und damit zur Sicherheit aller kann das Fest mit über 130 Gästen im Biberacher Gasthaus Kreuz nicht stattfinden.
Keine Spur von Gram jedoch ist bei Erna Antritter ob der widrigen Umstände zu verspüren, »Wenn man grundsätzlich zufrieden ist, das strahlt aus«, konstatiert sie. Ganz schlicht. Ganz einfach.