Am Freitag, 8. November 2019, feiert der THW Ortsverbands Biberach/Baden mit einem Festakt in der Sport- und Festhalle sein 50-jähriges Jubiläum. Dabei wird zurückgeblickt auf eine Zeit mit zahlreichen Einsätzen, die nur mit Hilfe der außergewöhnlichen Kameradschaft und zeitintensiven Ausbildungseinheiten bewältigt werden konnten. Im Ortsverband ist heute eine Bergungsgruppe beheimatet, außerdem eine Fachgruppe Räumen und eine Fachgruppe Sprengen. Die Fachgruppe Notversorgung befindet sich im Aufbau.
Die Bergungsgruppe gilt als »universeller Werkzeugkasten«. Sie hilft, wenn Gebäude einsturzgefährdet sind, rettet Menschen aus Trümmern und unterstützt nach Unwettern. Die Fachgruppe Räumen ist durch ihr schweres Gerät ein gefragter Partner der Feuerwehren. Sie räumt Wege frei und sorgt provisorisch für Passierbarkeit. Die Expertise der »Sprenger« ist immer dann gefragt, wenn Gebäude beseitigt werden, Treibgut zerkleinert, Löschöffnungen geschaffen oder unter Umständen auch Waldbrände gelöscht werden sollen. Die Fachgruppe Notversorgung wird sich mit Themen wie Notunterbringung, Versorgung mit Verbrauchsgütern, Stromversorgung und Pumparbeiten beschäftigen.
Anfänge in der Schulküche
Anno 1969 wurde der Ortsverein gegründet. Doch die eigentlichen Wurzeln liegen noch neun Jahre weiter zurück: Bereits 1960 wurde ein Stützpunkt des THW-Ortsverbands Offenburg in Biberach ins Leben gerufen. Zwölf Helfer stellten die 10. Bergungsbereitschaft des Luftschutz-Hilfsdienstes als Gründungsmitglieder. Zurück ging die Gründung auf die Initiative des pensionierten Polizeimeisters Gottfried Schaff. Sein erstes Quartier fand das THW in der ehemaligen Schulküche – dem heutigen Sitzungssaal des Rathauses. Die Geräte – damals Schubkarren, Hammer, Meißel und Sägen – wurden in einem Lagerraum deponiert. Fahrzeuge hatte die Gruppe noch keine. Wurde eines gebraucht, kam das samt Fahrer aus Offenburg. Das sollte sich im Laufe der folgenden 50 Jahre ändern …
Teambuilding wird großgeschrieben
Schnell wuchs die Gruppe. Die Räumlichkeiten reichten nicht mehr aus, die Geräte konnten nicht mehr untergebracht werden. Aufgrund der Größe des Stützpunkts und der zunehmenden Aktivitäten wurde am 4. November 1969 schließlich der selbstständige Ortsverband Biberach/Baden gegründet. Die ehrenamtliche Führung übernahm Architekt Leonard Wussler als erster Ortsbeauftragter. Ein Jahr später folgte der Umzug in neu angemietete Räumlichkeiten in der Hauptstraße, erste Fahrzeuge hielten Einzug. In den Übungen und Ausbildungsveranstaltungen wurden von Anfang an wichtige Fähigkeiten trainiert, unter anderem der Bau von Behelfsbrücken. Aber auch außerhalb der Übungen und Einsätze verstand und versteht sich das THW Biberach als Gemeinschaft. Das Motto »Gemeinsam gefeiert – Gemeinsam geholfen« festigt den Zusammenhalt, denn Teambuilding in ruhigen Zeiten schafft Vertrauen für den Ernstfall. Die Helfer verbrachten und verbringen auch abseits der Arbeit beim THW viel (Frei-)Zeit miteinander. Ein besonderer Arbeitseinsatz führte die Helfer 1977 nach Unterharmersbach. Dort bauten sie die Hütte in der Walderholungsanlage Herrenholz.
Vernetzter THW-Ortsverband
Auf den 1. Oktober 1977 datiert sich der Beginn einer ganzen Ära: Walter Nock wurde zum Ortsbeauftragten gewählt. Der damals 27-jährige Nock sollte es über die Jahre hinweg schaffen, dass sich der Ortsverein zu einer national wie international bestens vernetzten Einheit entwickelt. Er legte von Anfang an viel Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Blaulicht-Organisationen. Später wurde er Ehrenlandessprecher und erhielt schließlich die Landesehrennadel von Baden-Württemberg.
In den 1980er Jahren halfen die Biberacher mit bei den Bergungsarbeiten in Zusammenhang mit dem Absturz eines US-Militär-Transporthubschraubers auf der A656 bei Mannheim und leisteten Hilfe bei schweren Unwettern. Sie räumten Straßen und errichteten Notbrücken. Beim extremen Wintereinbruch 1985 waren die THW Experten beim Sprengen der dicken Eisschichten gefragt.
Der erste Auslandseinsatz führte die Biberacher 1988 zu einem Bergungseinsatz nach Armenien, wo durch ein Erdbeben Dörfer und Städte zerstört worden waren. Weitere Einsätze folgten in Somalia (1993) und 1999 im Rahmen des größten Auslandseinsatz des THWs in Frankreich, um bei der Beseitigung der Orkanschäden nach »Lothar« zu helfen.
Dauereinsätze in den 1990er Jahren
Die 1990er Jahre waren geprägt von vielen denkwürdigen Einsätzen. Gut erinnert man sich beim THW Biberach zum Beispiel an die Weihnachtszeit 1991. Das Hochwasser verursachte starke Schäden, die Helfer waren im Dauereinsatz. Auch 1994 war das THW nach den Unwettern in Oppenau und dem Renchtal wochenlang im Einsatz. 1996 half der Ortsverein bei der Bergung der Trümmer des Absturz des Burda-Jets in Friesenheim. Im Sommer 2002 dann die Hochwasserkatastrophe an der Elbe. 24.000 Einsatzkräfte aus der ganzen Republik waren dort zusammen 1.750.000 Stunden im Einsatz. Auch aus Biberach waren 21 Helfer über drei Wochen mit dabei.
Katastrophen und Brückenbau
Am 29. März 2003 übernahm Michael Holderer das Kommando im Ortsverband, der mittlerweile über 100 Helferinnen und Helfer zählte. Auch er wusste um die Wichtigkeit, abseits von Regeldiensten und Einsätzen den Zusammenhalt zu stärken. Das Motto »Gemeinsam gefeiert – Gemeinsam geholfen« hat Bestand. Einsätze gab es wieder reichlich: Schneechaos, Unwetter und Orkan »Kyrill« forderten die THWler immer wieder aufs Neue. Die letzten Großeinsätze des THW standen im Zeichen des Brückenbaus, als im Rahmen der L94-Sanierung zwei Behelfsbrücken erst montiert und dann wieder demontiert wurden. Auch in Oberharmersbach waren die Brückenbau-Fähigkeiten gefragt.
Seit 2018 steht Hans Jörg Sorychta an der Spitze des THW Ortsverbands Biberach. Eines seiner ersten Großprojekte: die Vorbereitung der Jubiläumsfeier. Aber auch »echte« Einsätze ließen nicht lange auf sich warten. Beim Brand im Europa-Park (2018) waren die »Engel in Blau« als Hilfeleister mit dabei, beim Schneechaos in Bayern (2019) halfen drei THWler aus Biberach ebenfalls mit, die Auswirkungen des Extremwetters so gut es ging zu begrenzen.
Ein Stück Schwarzwald für Berlin
Seit dem »Lothar«-Einsatz bringt das THW Biberach jedes Jahr zwei große Weihnachtsbäume nach Berlin. Einer wird vor der Landesvertretung aufgestellt, einer vor dem Polizeipräsidium. Den Transport nutzen die Helfer, um das Fahren in Kolonne und außergewöhnliche Landungssicherung zu üben. Bei der Übergabe präsentiert sich das Ehrenamt in der Bundeshauptstadt, die Kontakte zur Landesvertretung intensivieren sich dabei.
Nachhaltige Jugendarbeit
Am 4. April 1993 riefen Karl-Heinz Wissmann und August Weber mit 17 Jugendlichen die THW-Jugend Biberach ins Leben. Mehr als zehn speziell ausgebildete Jugendbetreuer übernahmen seitdem die Ausbildung des Nachwuchses. In den wöchentlichen Jugenddiensten werden der Umgang mit der Ausstattung geübt und Fachthemen wie Holz-, Gesteins- und Metallbearbeitung, Stromerzeugung und Beleuchtung oder das Retten von Personen praxisnah erprobt. Auch pädagogische Spiele, die Teamgeist und Sozialkompetenz stärken, stehen auf dem Programm, genau wie Wettbewerbe, die »große Fahrt« in den Sommerferien und vielfältige andere Angebote. Seit Gründung der Jugend sind von über 100 Junghelfern mehr als 30 in den aktiven Dienst übergetreten. Reinschnuppern ist jederzeit möglich.
Neubau bietet Platz
Seit 14. Juli 1990 hat das THW im Ahfeld Quartier bezogen. In dem Neubau finden nun endlich die Gruppenräume und die Fahrzeuge des stark gewachsenen Ortsverbands genügend Raum und Möglichkeiten zur Erweiterung. Zur Einweihung kam damals übrigens jede Menge Prominenz: Landesbaudirektor Schulz, THW-Direktor Gerd Jürgen Henkel und Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble waren da.
Info
Das THW in Zahlen:
• 2.334 Einsätze in 50 Jahren
• 1.149.253 Einsatz- und Ausbildungsstunden im Ortsverbands
• Jüngstes Mitglied: 9 Jahre
• Ältestes Mitglied: 72 Jahre
• 27 Fahrzeuge begleiteten in den letzten 50 Jahren die Einsätze der Helfer
Ein kleiner Blick in die Zukunft
Beim Festakt blickt der Ortsverband auf 50 Jahre Geschichte zurück. Susanne Vollrath hat mit Hans Jörg Sorchyta auch über die Zukunft des THW gesprochen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Organisationen sich untereinander noch besser vernetzen. Dafür wurde hier ein »Blaulichtstammtisch« ins Leben gerufen, der bald Einjähriges feiert. Die finanzielle Ausstattung der Organisation ist zum Glück ganz gut. Das THW ist eine Institution des Bundes, es stehen genügend Mittel bereit. Ich hoffe, dass es so bleibt!
Welche Konsequenzen hat die Ansiedlung im Bundesinnenministerium?
Das THW ist wie ein Baukasten aufgebaut. Alles ist standardisiert, alle Helfer sind gleich geschult. Alle sind großes Team, das macht die Stärke aus. In einer ähnlichen Weise gibt es das sonst nur bei der Bundespolizei.
Wie steht’s um den Nachwuchs?
Neue Helfer zu gewinnen ist wichtig. Wir legen starken Fokus auf die eigene Jugendarbeit. In die Jugendgruppe stecken wir viel Energie. Das trägt Früchte. Dieses Jahr wechseln sieben von der Jugend zu den Aktiven.
Warum sollte ein junger Mensch zum THW?
Beim THW lernt man nicht nur mit der Technik umzugehen, sondern auch viel in nicht-technischen Bereichen. Kameradschaft, der Umgang mit Menschen, Teamfähigkeit – all das wird spielerisch in der Jugendgruppe geübt. Die jungen Menschen erfahren, dass das THW da beginnt, wo die Menschen Hilfe brauchen.
Wird sich die Art der Einsätze verändern?
Ich gehe davon aus, dass die Katastrophen-Einsätze zunehmen werden. In den letzten fünf Jahren mussten wir auch schon vermehrt Trinkwassertransporte fahren.
Was ist für Sie das Wichtigste?
Dass jeder nach einem Einsatz gesund nach Hause kommt!








