Die Gemeinde Biberach legt Wert auf gute und vielseitige Kinderbetreuungsangebote. Das wurde in der Gemeinderatssitzung am Dienstag deutlich. Der Kita-Neubau am Alten Sportplatz geht in die nächste Phase und ein Naturkindergarten nimmt voraussichtlich im Oktober den Betrieb auf.
Dass die vorhandenen Kindergartenplätze in der Wachstumsgemeinde Biberach nicht ausreichen werden, ist absehbar. Deshalb wird neu gebaut. Eine sechsgruppige
Kindertagesstätte wird am »Alten Sportplatz« entstehen. So sieht es ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderats aus dem Februar dieses Jahres vor. Begleitet wurde der Prozess bisher vom ortsansässigen Architekturbüro wwg-architekten. Es wird das Projekt auch weiterhin betreuen. Für die ausgeschriebenen Planungsleistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 erhält das Büro 261.800 Euro.
Wwg-architekten hatte die Gemeinde bei Standortsuche und Projektentwicklung planerisch bereits so weit begleitet, dass die Pläne Genehmigungsreife erlangt haben und eine erste Kostenschätzung möglich war. Da die kalkulierten Bau- und damit auch Planungskosten über dem Schwellenwert von 221.000 Euro lagen, mussten die Leistungsphasen 5 bis 8 (Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung) europaweit ausgeschrieben werden – absolutes Neuland für die Biberacher Verwaltung. Im Mai wurden die Vergabekriterien sowie die Bewertungsmatrix mit Hilfe der Rüdiger Kunst-KommunalKonzept GmbH festgelegt, die sich um die Ausschreibung, Eignungsprüfung und Bewertung der Angebote sowie Zuschlagskriterien kümmerte. Die Ergebnisse ihrer Arbeit stellten Frank Edelmann und Marion Schweighart dem Gremium ausführlich vor. Die Qualität der eingereichten Unterlagen des Gewinner-Büros sei außergewöhnlich gewesen, berichtete Schweighart. Alle geforderten Punkte seien vollumfänglich erfüllt. Angefangen bei der Entrichtung eines auskömmlichen Brutto-Pauschalpreisangebotes über die Gewährleistung der Betreuung vor Ort bis hin zu vergleichbaren Referenzprojekten.
Bedenken im Vorfeld, durch die geforderte europaweite Ausschreibung würde es zu Verzögerungen im Projektablauf kommen, konnte Frank Edelmann zerstreuen. Durch die Aufteilung der Planungsleistungen in ein Arbeitspaket mit den Leistungsphasen 1 bis 4 sowie ein zweites mit den Leistungsphasen 5 bis 8 entstünde kein Nachteil. Die Mehrkosten, die das EU-Verfahren mit sich gebracht hatte, werden durch das gute Pauschalangebot mehr als wett gemacht. »Ich freu mich riesig, dass es weitergeht«, brachte Bürgermeisterin Daniela Paletta ihre Freude zum Ausdruck.
Naturkindergarten am Kletterpark
Bis die Kindertagesstätte am Alten Sportplatz in Betrieb genommen werden kann, vergeht noch eine ganze Zeit. Viel kurzfristiger wird Biberach um ein weiteres Kinderbetreuungsangebot reicher. Der Gemeinderat gab am Dienstag grünes Licht für den »Naturkindergarten«. Er wird schon in den nächsten Monaten auf dem Gelände des ehemaligen Kletterparks eingerichtet und vom Verein »Natürlich Lernen Biberach e. V.« betrieben. Die Einrichtung wird in die gemeindliche Bedarfsplanung übernommen, das Defizit deckt die Gemeinde. Eine Schätzung geht von Investitionskosten von etwa 100.000 Euro (ca. 80.000 Euro für Infrastruktur und Hütte) sowie Betriebskosten von 120.000 Euro pro Jahr (ca. 100.000 Euro Personalkosten) aus. Finanziert werden soll das Projekt auch mit Landeszuschüssen (18,7 Prozent) und Elternbeiträgen (20 Prozent). Die Eltern sind auf vielfältige Art zu ehrenamtlichen Engagement angehalten.
Einstimmig wurde der Beschluss nicht gefasst. Es gab eine Gegenstimme.
Der Naturkindergarten war bereits mehrfach Thema im Gemeinderat. Gescheitert war die Einrichtung zuvor stets am Mangel einer geeigneten Fläche. Weder die angedachten Standorte in Prinzbach noch im Bruch stellten sich als realisierbar heraus. Mit dem Kletterpark scheint nun ein ideales, gemeindeeigenes Gelände gefunden – in Reichweite von Kooperationsbauernhof und Wald. Genutzt werden sollen die unbefestigten Teilbereiche im Süden und Westen des Grundstücks. Ein wenig Infrastruktur ist bereits vorhanden – etwa eine offene Überdachung, eine kleine Lagerfläche und Parkplätze. Ein Frischwasseranschluss muss noch gelegt und eine Komposttoilette angeschafft werden. Voraussetzung für die Betriebserlaubnis ist außerdem ein beheizbarer Schutzraum. Dieser soll so schnell wie möglich durch einen Bauwagen realisiert werden. Damit der Kindergarten nicht auf dessen Fertigstellung warten muss, darf über die Wintermonate das nahegelegene Tennisclubheim als Schutzraum dienen. Der Club hatte eine entsprechende Anfrage schnell positiv beschieden. Zum Start – voraussichtlich im Oktober 2019 – können durch diese Lösung zehn Kinder betreut werden. Kommt der Kindergarten in den Regelbetrieb, soll es eine Gruppe mit 20 Kindern ab drei Jahren geben. Elternbegleitet soll zudem für Kinder ab einem Jahr einmal wöchentlich der Besuch der Einrichtung ebenfalls möglich sein. Geplant sind VÖ-Betreuungszeiten von 7.30 bis 13.30 Uhr.
Georg Fletschinger (FWB) findet den Naturkindergarten in doppelter Hinsicht bemerkenswert. Das Konzept ist besonders und die Trägerschaft auch. Er hielt fest: »Der Betrieb steht und fällt mit dem Elternengagement.«
Klaus Beck und Angelika Ringwald (CDU) freuten sich, dass ein Standort gefunden ist und mit dem Bauwagen nicht nur eine schnelle und flexible, sondern auch authentische Unterkunft realisiert wird.
Ludwig Schüle (FWB) hatte einen gleichermaßen pragmatischen wie entspannten Blick auf die nötigen Investitionen: »Platz für eine 20-köpfige Gruppe an den Kindergarten anbauen ist viel teurer.« Er bedauerte, dass der Standort im Bruch nicht realisiert werden konnte.
Sigrid Armbruster interessierte sich fürs Personal: »Alle suchen händeringend nach Erzieherinnen…« Die Vereinsvertreterinnen sahen darin kein Problem, da Naturkindergärten attraktive Arbeitsorte seien.
Bürgermeisterin Daniela Paletta schloss die Diskussion: »Mit dem Verein als Träger und dem Bauernhof als Kooperationspartner hat der Naturkindergarten ein Alleinstellungsmerkmal im Tal.«
Die neu geschaffenen Plätze werden zur Entspannung des absehbaren Engpasses zum Kindergartenjahr 2020/2021 beitragen, wo nach derzeitiger Lage dann bis zu 20 Ü3-Plätze fehlen könnten.
Der Standort ermöglicht es dem Betreiberverein, das Konzept eines kombinierten Bauernhof-, Natur- und Waldkindergartens zu verfolgen. Das Ziel: die ganzheitliche Förderung aller Sinne.