Am gestrigen Donnerstag besuchte Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer landwirtschaftliche Betriebe im Kinzigtal, um sich vor Ort über aktuelle Fragen zu informieren. In Prinzbach besichtigte sie die Hofbrennerei Vitt, in Biberach die Whiskey-Brennerei Brosamer.





Bei den Besuchen in Untertal und im Urbann ging es darum, wie sich die Betriebe trotz des Wegfalls des Branntweinmonopols ab Januar innovativ eingestellt und sich eine nachhaltige Einkommensquelle erhalten beziehungsweise geschaffen haben. Begleitet wurde Bärbel Schäfer von zahlreichen Vertretern landwirtschaftlicher Stellen, Verbänden und Organisationen, die sich für die Belange der Kleinbrenner stark machten.
2018 wird ein Jahr voller Veränderungen
Ulrich Müller, der Vorsitzende des Verbands Badischer Klein- und Obstbrenner, begrüßte Bärbel Schäfer und die anderen Besucher am Vormittag auf dem Brunnenhof von Familie Vitt. Er stellte fest, dass das Jahr 2018 für die Kleinbrenner ein Jahr werden wird, in dem sich viel ändert. Das Branntweinmonopol fällt – und damit auch die garantierte Abnahme des hergestellten Agraralkohols zu subventionierten Preisen. »Wo die Brenner gut aufgestellt sind, geht’s weiter«, ist sich Müller dennoch sicher. Und wo es mit der Brennerei weitergehe, würden auch die Streuobstwiesen gut gepflegt. Geschätzt 900.000 Streuobstbäume wachsen in der Ortenau. Deren Pflege leiste einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der hiesigen Kulturlandschaft, betont Dr. Martin Schreiner, Dezernent »Gesamtstrategie ländlicher Raum« im Landratsamt Ortenaukreis. »Wäre das nicht mehr so, würde der Ortenaukreis sein touristisches Gesicht verlieren.
Zukunftsfähige Direktvermarktung
Rund 7.000 Brennrechte existieren im Ortenaukreis, etwa 6.000 werden genutzt. Damit sind mehr als 50 Prozent der Kleinbrennereien Badens im Ortenaukreis beheimatet. Aber nur etwa ein Drittel des gebrannten Alkohols würde in die Direktvermarktung gelangen, »dies gilt es auszubauen«, so Ulrich Müller. Ein Vorbild für andere könnte Familie Vitt und ihr Brunnenhof sein.
Nachhaltigkeit habe für die Landwirte seit vielen Generationen einen hohen Stellenwert, so Rita Vitt, ausgebildete chemisch-technische Assistentin, Brennerin und Bauerngärtnerin mit Leib und Seele. Aber sie weiß auch: »Die Selbstvermarktung ist mit viel Aufwand verbunden, was nicht unbedingt jedem liegt, der ein Brennrecht
besitzt.«
Die finanziellen Aspekte wurden im Laufe des Vormittags immer wieder beleuchtet, etwa in Sachen Preisgestaltung. Rita Vitt war sich sicher, dass die Kunden bereit sind, den geforderten Preis zu bezahlen, wenn die Qualität stimmt. Immer wieder wurde auch die Förderung der Pflegemaßnahmen von Streuobstbäumen ins Gespräch gebracht.
Ulrich Müller betonte, dass der Verband Badischer Klein- und Obstbrenner weiterhin kleine Brenner unterstützen wird und an Lösungen für den Absatz des Industriealkohols nach dem Wegfall des Brandweinmonopols arbeitet.
Landschaftsprägende Streuobstwiesen
Mit Martin Brosamer wurde eine Streuobstwiese im Kinzigvorland besichtigt. Dabei erläuterte er kulturtechnische Aspekte des Streuobstanbaus und wie rechtliche Vorgaben dabei manchmal im Widerspruch mit der guten fachlichen Praxis stehen. Insgesamt sind ungefähr 1.500 Bäume in seinem Besitz, von denen er heuer aufgrund der Witterung statt 60 Tonnen wie sonst in diesem Jahr nur 8 Tonnen Obst geerntet hat. Auch er hatte Zahlen parat: Der Anteil von Obstbrand am Gesamtmarkt der Spirituosen beträgt gerade einmal zwei Prozent. Er sprach zudem ein weiteres Problemfeld an: Vermarktet der Landwirt nicht selbst, sondern über den Einzelhandel, werden häufig Zertifizierungen verlangt, die »richtig viel Geld kosten«. Für die Gruppe gab es zudem einen Blick ins beeindruckende Whiskey-Lager. »Brosamer ist ein Aushängeschild aus Biberach«, so Bürgermeisterin Daniela Paletta.
Bärbel Schäfer bedankt sich für die Bereitschaft der Anwesenden zu zeigen, was sie umtreibt. Gerade in diesem Jahr komme viel zusammen – die schlechte Obsternte, der Wegfall es Monopols. »Sie müssen mutige unternehmerische Entscheidungen treffen und sind dabei sicherlich nicht immer auf der sicheren Seite. Es birgt große Herausforderungen, die Vielfalt zu erhalten.«