Von A wie Acrylmalerei über P wie Porzellan bis Z wie Zentangle – Vielseitigkeit ist bei Gudrun Alig Trumpf. Im Advent ist ihre Jahresausstellung im Gengenbacher Kinzigtorturm nun täglich zu sehen – und zwar noch bis zum 23. Dezember.




Weder die Küchenmaschine ist der gebürtigen Hessin heilig noch der Teller des Plattenspielers. In der einen schreddert die Wahl-Biberacherin schon mal Eierkartons, um daraus Strukturmasse für ihre Bilder herzustellen. Den anderen hat sie schon mal zur Töpferscheibe umfunktioniert, um eine selbstgefertigte Porzellanvase zu rändern.
Ihr Porzellan-Studio mit eigenem Brennofen befindet sich im Keller des einstmals selbst entworfenen und gemeinsam mit den Eltern gebauten Hauses. 1972 war es, als Gudrun Alig aus dem bei Frankfurt gelegenen Hanauer Raum nach Biberach zog. Weil ihr Mann bei Knauer eine Anstellung angenommen hatte. Sie selbst arbeitete bei einem Gengenbacher Juwelier.
Die Porzellanmalerei erlernte sie – sozusagen – zu ihrem persönlichen Vergnügen, drei Jahre lang, »bei einer Dame, die eigentlich an der VHS Kurse gegeben hatte.« Wobei es der heute 75-Jährigen vor allem die sogenannte Lüstermalerei mit ihren brillanten, weil lackähnlichen Farben angetan hat.
Beim Auftrag handelt es sich allerdings um durch die Bank weg bräunliche Flüssigkeiten, die erst nach dem Brand bunt werden. Doch nicht nur, dass sich Gudrun Alig die Farben beim Auftragen genau vorstellen können muss: jeder einzelne Pinselstrich muss zudem auf Anhieb sitzen. »Denn wenn ich mit dem Pinsel ein zweites Mal über den Auftrag gehe, nehme ich was von der Farbe wieder weg, dann kann ich grad von vorn anfangen«, erklärt die dreifache Großmutter. Mehr noch: »In einem einzigen Pinselstrich muss ich über den Druck Licht, Schatten, Tiefe und alles drin haben. Das habe ich mir über viele Jahre hinweg erarbeitet.«
Auch Broschen fertigt sie aus dem Material: »Das ist Porzellanerde, die ich über die Hand gedreht habe. Dann habe ich sie geschrüht, glasiert, bemalt und zum Schluss vergoldet.« Wie das Porzellangeschirr auch, hat so eine kleine Brosche also mindestens vier Brände hinter sich.
Doch so diffizil die Lüstermalerei ist: eine Vorskizze auf dem Porzellankörper anzulegen, kommt für Gudrun Alig nicht in Frage. »Ich lege die Farben frei Hand auf«, betont sie nicht ohne Stolz. Was auch für ihre Bilder gilt, die überall im Haus zu finden sind. Und was einen pragmatischen Hintergrund hat: »Ich mache so viele verschiedene Sachen, da kann ich mich mit einem Teil nicht so lange aufhalten.«
»Fertig und basta«
Das außerdem bedeutet: »Wenn ein Bild fertig ist, dann ist es fertig und basta«, so die Kunstschaffende resolut: »Über Wochen an einem Bild arbeiten, es wegstellen und wieder hervorholen und immer wieder korrigieren – das mache ich nicht.«
Großformatige Werke mit Blumen- oder Tier- oder Weltallmotiven entstehen auf diese Weise ebenso wie beispielsweise Abstraktes, luftige Aquarelle oder Miniaturen von Schwarzwaldmädchen. In einer ganzen Serie interpretiert Gudrun Alig die »Mädle« auf ihre urpersönliche Art und Weise. Mit Hüten, deren Bollen die Form von Herzen haben, oder in denen ein Vogel nistet, oder, oder… Was bereits das Interesse eines Galeristen aus Rust auf sich gezogen hat.
»Nebenher« wollen Gruß- und Weihnachtskarten mit beispielsweise Zentangle-Elementen erstellt oder Weihnachtskugeln aus Porzellan oder Seidentücher bemalt oder Tagebücher mit Gudrun Aligs kraftvoll geschwungener Handschrift gefüllt oder Geschichten oder Gedichte geschrieben werden. Wobei es nicht verwunderlich ist, dass eine, die den häuslichen Kachelofen »eigenhändig hochmodelliert hat«, auch ihre Bilderrahmen selbst zusammenbaut. Oft genug mehrfarbig, das benötigte Acrylglas schneidet sie sich mit einem Glasschneider zurecht.
Woher ihr Elan kommt, immer wieder Neues auszuprobieren? »Auf der einen Seite bin ich so frei erzogen worden«, erklärt die Frau mit dem fotografischen Gedächtnis, die zehn Jahre lang auf der Biberacher Narrenbühne gestanden, unter anderem die Kulissen gemalt und durch das Programm geführt hat.
»Auf der anderen Seite habe ich mir meine Freiheiten erschaffen«, ergänzt die Vielseitige. Und zeigt Bilder, auf denen sie Abfallteile kurzerhand zu Collage-Elementen umfunktioniert hat – wie beispielsweise ausrangierte Uhrwerke aus ihrer Zeit im Juwelierladen.
Familientalent
Dass ihr Tun an den Genen ihres Vaters – eines Kunstmalers – liege, meint Gudrun Alig. Gene, aufgrund derer auch eine ihrer beiden Töchter mit viel Talent male. Bei ihr selbst, der Mutter, da habe sich das schon zu Schulzeiten manifestiert. »Wenn ich ´ne Matheaufgabe nicht wusste, dann hab´ ich dem Lehrer halt ein Bild gemalt«, feixt sie, deren erste Ausstellung in Zell im Jahre 1986 stattfand und die beispielsweise regelmäßig bei der Zeller Schaufenstergalerie mitmacht. Überdies zieren ihre stets wechselnden Bilder seit Jahren die Praxiswände von Dr. Schatz, ihrer Hausärztin in Zell.
Seit Mai 2016 hat die Künstlerin die Galerie im Museum im Gengenbacher Kinzigtormuseum mit ihrer »Kunst von A bis Z« bestückt. Bis zum 23. Dezember noch ist die Ausstellung dort zu sehen, auf sieben Stockwerken verteilt, bis hinauf zur Türmerwohnung. Wobei es 107 Stufen zu erklettern gilt – ein lohnendes Unterfangen. Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 15 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr.