»Wer kennt mich oder das Ernährungszentrum Ortenau noch nicht?«, fragte Silke Bauer in die Runde. Vielsagendes Schweigen. Diesmal ging es bei der Fortbildungsveranstaltung der Landfrauen Prinzbach-Schönberg darum, unsere fünf Sinne auch beim Essen und Trinken zu trainieren.




Ein Gramm Salz aus einem Liter Leitungswasser herausschmecken, oder ein Gramm Zucker? Ja, das ist möglich. Wenngleich nicht jedem der im Prinzbacher Pfarrheim Anwesenden.
Silke Bauer hat einen Krug unbekannten Inhalts herumgehen lassen, aus dem sich jeder eingeschenkt hat. Nun nippen alle konzentriert an hübschen Tulpengläsern und lassen den Schluck Wasser auf Geheiß der promovierten Ernährungswissenschaftlerin sorgfältig im Mund kreisen. Denn die Schmeckzellen für die verschiedenen Geschmackssinne sind auf der Zunge unterschiedlich verteilt. »Bitteres schmeckt man mit dem vorderen Zungenteil und sauer in deren Mitte, weiter hinten befinden sich die Zellen für salzig und ganz hinten jene für süß«, erklärt Bauer.
Eine fünfte Geschmacksrichtung ist übrigens das 1908 von japanischen Forschern entdeckte »umami«. Was »wohlschmeckend« bedeutet, ist in eiweißreichen Lebensmitteln wie Milch, Käse, Fleisch und Sojabohnen zu finden. Geschmacksträger ist die natürliche Aminosäure Glutamat. Das verstärkt den Eigengeschmack der Nahrung, »sollte jedoch keinesfalls wie von der Industrie als Pulver angeboten zusätzlich dem Essen beigemengt werden«, warnt die Fachfrau.
Tausende der genannten Schmeckzellen sind auf einer einzigen Geschmacksknospe untergebracht. Dieser Sensor für das Schmecken ist an der Basis mit Geschmacksnerven verbunden, die für die Signalweiterleitung ans Gehirn sorgen. Mit etwa 10.000 solcher Geschmacksknospen kommen wir zur Welt. Nur 2.000 jedoch sind bei einem Erwachsenen noch aktiv. Insbesondere für salzig und süß werden die Sinneszellen mit steigendem Alter unempfindlicher. Was dazu verführt, den Salz- und Zuckerkonsum auf ungute Weise zu erhöhen – genau das aber sollte man tunlichst unterlassen.
Aber auch von anderen Bedingungen hängt die Qualität des Geschmackssinns ab. Neben dem Erbgut und äußeren Faktoren wie Kaltfronten oder Gewitter sind das besonders Tabak, Alkohol, kranke Zähne und entzündetes Zahnfleisch, desgleichen beispielsweise Vollnarkosen, Virusinfektionen, Medikamente und Chemotherapie.
»Damit Sie auch morgen noch gut schmecken können«, so Silke Bauer, ist also ein guter allgemeiner Gesundheitszustand erforderlich. Ebenso wie eine ausgewogene Ernährung. Wozu gehört, sich bei Salz und Zucker zurückzuhalten. Zur Veranschaulichung lässt die 53-Jährige einen weiteren Krug herumgehen. Diesmal schütteln sich die Probanden angewidert. Und erfahren: 110 Gramm Zucker haben sie soeben verkostet, in einem Liter Wasser aufgelöst. Gleich hoch ist der Zuckergehalt in Cola und – man glaubt es kaum – in Apfelsaft. Ausgetrickst werden die warnenden Geschmackszellen vor allem durch die in diesen Getränken enthaltenen Säuren.
»Die Reizschwelle für salzig und süß kann man runtertrainieren«, ermuntert die Ernährungswissenschaftlerin zu einem Versuch. »Am ersten Tag werden Sie auf mich schimpfen, vielleicht auch noch am zweiten, aber am dritten Tag merken Sie vielleicht: Es geht auch mit weniger Salz und Zucker.«
Riechen auch mit dem Rachen
Für den Genuss bei der Nahrungsaufnahme wichtig ist zudem der Geruchssinn als unser ältester und am meisten ausgeprägter Sinn. Was den wenigsten von uns bewusst sein dürfte: Wir riechen nicht nur mit der Nase, sondern auch mit dem Rachenraum. Wichtig ist daher ein langsames Essen, damit die Aroma- und Geschmacksstoffe von den drei Millionen Riechzellen in der Schleimhaut wahrgenommen werden können.
»Wenn Sie ein Stück Schokolade kurz kauen und dann gleich runterschlucken«, so Silke Bauer, »dann fragt das Gehirn: Ja und, was war das jetzt? Und schon schlucken Sie ein Schokoladenstück nach dem anderen.« Lässt man die Schokolade dagegen langsam auf der Zunge zergehen, kommt der Geschmack im Gehirn an, ist man mit weniger zufrieden. Auf diese einfache Weise lässt sich der Konsum von Süßem auch im Allgemeinen reduzieren.
Wobei die Zunge nur die grobe Geschmacksrichtung, die Nase dagegen die feinen Nuancen ermittelt. Und auch hier geht es mit dem Alter bergab: Bei 68 Prozent der 65- bis 80-Jährigen ist der Geruchssinn und damit auch von dieser Warte aus das Geschmacksempfinden gestört.
Umso bedeutsamer sind die übrigen drei Sinne gerade auch beim Essen und dessen Zubereitung. Wie das Tasten. Dieser Sinn ist der allererste, mit dem Menschen – bereits im Mutterleib – Umgebung wahrnehmen. Doch nicht nur mit den Händen lassen sich Lebensmittel anhand ihrer Oberfläche, Form und Beschaffenheit sowie ihr Reife- und Lagerungszustand erkennen: auch Zunge und Lippe ertasten. Und zwar nicht nur beispielsweise Konsistenz und Temperatur, sondern auch den Verarbeitungsgrad – wie bei Produkten aus Weiß- oder (dem wesentlich gesünderen) Vollkornmehl. »Die meisten Kinder essen gerne Erbsen, weil die Zunge so schön mit ihnen spielen kann«, erklärt Silke Bauer.
Ganz wichtig: Farben
Auch an den Hörsinn sollte man bei der Zusammenstellung von Speisen denken – durch die Verwendung von knackigem Obst und Gemüse. Man denke nur an das unvergleichliche Geräusch, wenn man in eine frische Karotte beißt.
Bleibt noch das Sehen: nachweislich beeinflusst dieses den Geschmack. Ein ganz einfacher Test beweist das: »Wenn Sie Apfelsaft beispielsweise mit schwarzer Lebensmittelfarbe einfärben, dann wird ein Kind trotz seiner feinen Zunge nicht darauf kommen, um was für ein Getränk es sich handelt«, weiß die Fachfrau aus Erfahrung.
Und so sind es denn tatsächlich vor allem die Farben, die überdies auf das Appetitverhalten einwirken. Was man sich wiederum bei Menschen mit beeinträchtigtem Geschmacks- und Geruchssinn zunutze machen kann – zum Beispiel, indem man Suppe mit Safran einfärbt.
Doch auch generell gilt: Möglichst bunt sollte es bei der Nahrungsaufnahme zugehen: Täglich sollte man etwas Grünes, Gelbes und Rotes essen. »Farben sind sehr, sehr wichtig«, betont Silke Bauer nochmals, »vor allem die Farbe rot, die besonders im Winter nicht so oft vertreten ist.« Auf den Wert Roter Beete verweist sie daher. Mit dem Tipp, dass sich diese nicht nur als Salat verzehren lassen, sondern auch warm wie eine Kartoffel, oder aber ganz fein gerieben als Rohkost.
Das Fazit der Ernährungsfachfrau: Um alle Sinne zum Wohle des Genusses zu trainieren gilt es, sie regelmäßig mit verschiedenen Eindrücken zu reizen.
Ernährungszentrum Ortenau
Mit Gruppen und Vereinen können für die kostenfreien Vorträge individuelle Termine vereinbart werden, siehe www.ortenaukreis.de. Das dreimal jährlich erscheinende Magazin »Kompass Ernährung« kann jedermann kostenfrei bestellen oder unter www.kompass-ernaehrung.de herunterladen.