Vor nicht allzu langer Zeit musste Berthold Eble auf ärztliches Kommando hin seinem Körper strikte Ruhe verordnen. »Das war furchtbar, es gibt nichts Schlimmeres«, stöhnt der 72-Jährige, der schon längst wieder jeden Tag in seiner Holzschnitzer-Werkstatt in Nordrachs Ortsteil Lindach steht, »ich schaff’ halt gern.«
Was bedeutet: Er braucht die körperliche Anstrengung, ohne die es beim Schnitzen nicht geht. Vom närrischen bis zum kirchlichen Bereich erstreckt sich die Themenbreite des Kreativen. Von beispielsweise Fasentmasken hin zu beispielsweise Heiligenköpfen. Und auch der Freizeitpark Rust nimmt sein Können in Anspruch.
Wobei Berthold Ebles Tun mal als Handwerk, mal als Kunst gilt. Wo die Trennung liegt? Der gebürtige Nordracher macht »Kunst« an Beispielen fest. Erzählt schmunzelnd von einem etwa 60 Zentimeter hohen Dudelsackspieler, den in seinen filigranen Details zu schnitzen eine künstlerische Herausforderung der besonderen Art darstellte. Kunstvoll unter anderem auch die vier auf seinem Grundstück ausgestellten Reliefbilder. In Lebensgröße stellen sie bäuerliche Szenen dar, die auf Zeichnungen des bekannten früheren Heimatmalers Wilhelm Hasemann basieren.
Handwerk hingegen ist das, »was der Handwerkskammer unterliegt.« Wie das Schnitzen von – unter anderem – Narrenmasken. Zu einer solchen kann durchaus auch mal ein hölzerner Bollenhut gehören, wie Berthold Eble ihn im diesjährigen Frühjahr geschaffen hat.
Mindestens fünf Kilogramm wiegt das gute Stück, das über einer – an sich schon gewichtigen – Maske getragen werden soll. Wie der Träger das bewerkstelligen will? »Ich weiß auch nicht« – Eble, selbst eingefleischter Fan der »fünften Jahreszeit«, kichert kurz und leise, lacht sein sanftes Lachen.
Mit den Glashansele begann’s
Zum Schnitzen kam der dem Menschen Zugetane, als er »so um 1970« den örtlich-närrischen Glashansele beitrat und seine Maske bei dem damaligen Schnitzer abholte. Von dessen Handwerk fasziniert beschloss der ursprünglich als Keramikmaler Ausgebildete: »Das muss ich lernen.«
Vieles schaute er sich einfach ab. »Das ist ja kein Problem, mit dem Schnitzmesser kann man das alles ausprobieren«, erkärt er lapidar, »das sind Erfahrungswerte.« Umso mehr, als ein kostenintensives Arsenal von Schnitzmessern erforderlich ist, das erst einmal zusammengetragen werden will. In zig Formen und Größen.
Auch Schleifmaschine samt Wasserbad und Poliervorrichtung gehören zum Werkstatt-Inventar, schließlich müssen Schnitzmesser scharf sein, ganz scharf. Weshalb Verletzungen an den Fingern dazu gehören, »immer mal wieder rutscht man beim Arbeiten ab.« Vor allem, wenn es gegen die Wuchsrichtung des Holzes zu arbeiten gilt, gegen die Jahresringe also. »Ich hab´ immer Pflaster herumliegen«, lacht Eble leichthin.
An einer Fachschule machte er sich unter anderem in der Proportionslehre kundig, »deswegen kann ich auch Figuren schnitzen – man muss ja wissen, wie groß der Kopf im Verhältnis zum ganzen Körper ist, oder die Hände, und so weiter.« Überhaupt: Hände. Die sind das Schwierigste am menschlichen Körper. Zwei in alle Positionen verbiegbare Handmodelle stehen daher in des vitalen Seniors Werkstatt.
Der Favorit: Lindenholz
Auch die Besonderheiten der Holzbemalung und gar der Vergoldung lernte er an der Fachschule. Und er eignete sich viel Wissen über Holz und seine Beschaffenheit an. »Jedes Holz ist anders – nicht zuletzt in Abhängigkeit davon, wo und wie es gewachsen ist.« Manchmal wird ihm von den umliegenden Bauernhöfen sehr weiches Lindenholz zugeliefert. Das stammt dann von einem wasserreichen Standort, wo der Baum schnell wächst, so dass die Jahresringe weit auseinander liegen. »Aber neulich erst hatte ich Lindenholz, das war so hart wie noch nie. Das ist irgendwo gewachsen, wo es sehr trocken ist«.
Lindenholz: Zu 90 Prozent arbeitet der seit 1998 Selbstständige mit diesem Werkstoff, der weder Brennwert noch Tragfähigkeit besitzt, für Ebles Zwecke jedoch ideal ist. Denn dieses Holz »hat eine gewisse Festigkeit, ist kurzfaserig, bricht sofort und lässt sich entsprechend gut modellieren.« Zudem besticht es mit hoher Haltbarkeit.
Für Wegekreuze respektive Bildstöcke sowie für Grabkreuze hingegen kommt Kastanienholz zum Einsatz – wie auch für Sitzbänke, die Eble mit Schnitzereien verziert. Kastanie ist härter als Linde, aber nicht ganz so hart wie Eiche, Buche oder Ahorn, »und lässt sich daher noch einigermaßen schnitzen, ich liebe dieses Holz«, schwärmt er, »es hat eine schöne Farbe.«
Im Sägewerk in Berthold Ebles direkter Nachbarschaft werden die Stämme nach seinen Vorgaben zentimetergenau in Bohlen geschnitten. Nicht ohne zuvor jedoch das »Herz« heraus zu sägen. Denn dieses Mittelstück, der Kern eines Baumstammes, »der schafft«. Was Spannungen und damit Risse im Endprodukt verursachen würde.
Altes Wissen, moderne Maschinen
Des Holzschnitzers teils lebensgroße Figuren entstehen daher aus verleimten Holzteilen – während zu früheren Zeiten Figuren aus kompletten Halbstämmen gearbeitet wurden, aus der Länge nach mittig aufgeschnittenen Stämmen.
Auch bei Narrenmasken verwendet Berthold Eble Leim – um dem von innen ausgehöhlten Grundkörper ein wesentlich kleineres Stück Holz aufzusetzen. Die Nase wird daraus entstehen. Das spart Material und Arbeit, verhindert zudem Trockenrisse. Denn die entstehen um so eher, je dicker das Holz ist.
Und auch sonst haben sich die Zeiten geändert. Das zeigt ein Blick in den Raum neben der Schnitzerwerkstatt. Bandsäge, Hobelmaschine und Kopierfräse stehen hier. »Ohne diese Maschinen wäre dieses Handwerk heutzutage gar nicht mehr möglich«, ist sich der Schaffensfreudige ob der andernfalls exorbitanten Produktpreise sicher.
Die Kopierfräse beispielsweise ist Gold wert bei unter anderem der Erstellung von Rohlingen für Narrenmasken, die schließlich meist von einer ganzen Gruppe getragen werden. Diese Rohlinge wiederum entstehen auf der Basis eines Holzmodells, für das Berthold Eble zuvor einen Entwurf aus Plastolin geformt hat.
»Für’s Schnitzen braucht man ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen«, erklärt der Vielseitige, für den Neues immer reizvoll ist. Und der Holz als Werkstoff liebt, »es ist immer warm und angenehm, nicht wie Eisen oder Stahl oder Stein, es fühlt sich immer gut an. Und es ist etwas Wertbeständiges.«
Handwerk
Eine fließende Grenze zwischen Handwerk, Volks- und Hochkunst prägt die Holzschnitzerei. Ebenso im alpenländischen Raum wie im Schwarzwald war sie einst weit verbreitet – neben vor allem Herrgottsschnitzern gab es hier zahlreiche Kuckucksuhrenschnitzer. Früher vor allem von Bauern im Nebenerwerb betrieben, entwickelte sich später daraus ein spezialisierter Beruf. Heutzutage bieten Berufsfachschulen eine dreijährige Ausbildung zum Holzbildhauer an.