Sie kann es gar nicht erwarten, bis der Postbote die Zeitung bringt. Und dann setzt sie sich an einen ruhigen Tisch und liest noch ohne die Brille die Zeitung von vorne bis hinten. Viele Glückwünsche gelten Alt-Durbenwirtin Johanna Neumayer, die am morgigen Dienstag nach einem arbeitsreichen Leben ihren 85. Geburtstag feiert.
Zwar braucht sie inzwischen den Rollator, aber mit dem kommt sie überall hin. »Mein Mercedes«, lacht sie. Und ihre Augen blitzen richtig vor Stolz und Freude, wenn die Sonnen-Terrasse des Berggasthofes bis auf dem letzten Platz gefüllt ist. Alte Stammgäste winken und freuen sich auf ein Schwätzchen mit ihr. Hier oben ist ihr Zuhause, hier fühlt sie sich wohl. Mit der Wirtin Leonie Seidler als Nachfolgerin versteht sie sich prächtig. Und ihre beiden Katzen haben es bei Johanna Neumayer gut und werden von ihr so richtig verwöhnt.
1966 heiratete die Jubilarin den Landwirt Josef Neumayer auf dem oberen Durben. Sie stammt vom Langhärdle in Oberharmersbach und hatte ihren Mann, wie es damals üblich war, beim Kilwitanz kennengelernt. Gemeinsam bewirtschafteten sie den Berghof mit den steilen Hängen. Alles, was sie zum Leben brauchten, wurde von Hand angepflanzt. Eine harte Arbeit mit wenig Ertrag – kaum genug, um den Lebensunterhalt zu erwirtschaften.
Daher entschlossen die Eheleute 1974, in der Stube eine kleine Bauernwirtschaft einzurichten. Der wunderschöne Ausblick vom Durben, dem höchst gelegenen Haus von Unterharmersbach, über die Berge hinweg bis hinüber zum Straßburger Münster, die Freundlichkeit der Wirtsleute und die gute Küche von Johanna Neumayer zog viele Gäste aus dem ganzen Ortenaukreis an. Da entschloss sich das Ehepaar 1982 unter der Bauleitung des heute noch unvergessenen Zimmermeisters Josef Fehrenbach eine neue größere Bauernwirtschaft zu bauen.
Noch mehr Gäste kamen und der Durben wurde zum Treffpunkt vieler Stammgäste und vieler fröhlicher Runden und unvergesslicher Stunden. Ihr Mann sorgte als Wirt für gute Laune und hatte für jeden ein offenes Ohr und Johanna Neumayer verwöhnte die Gäste mit ihrer hervorragenden Küche.
An ihrem Geburtstag gelten ihre Gedanken und ihre Gebete besonders ihrem Mann Josef, mit dem sie in vielen Jahren harter Arbeit die Bauernwirtschaft, ihr gemeinsames Lebenswerk, aufgebaut hatten. Im März 2016 hatte er einen schweren Schlaganfall erlitten und war von da an auf die Pflege der Ärzte und der Familie angewiesen. Ein großer Trost ist ihr noch heute, dass sie gemeinsam mit der ganzen Familie den 53. Hochzeitstag feiern durften. Wenige Tage später, am 26. Mai 2019, entschlief er sanft im Alter von 81 Jahre im Kreis der Familie.
Zum Gratulieren kommen heute die drei Söhne und ein Enkel. Und allen sagt sie schon jetzt: »Wegen Corona machen wir kein großes Fest, aber nächstes Jahr zum 86. Geburtstag wird alles nachgeholt.«