Ein inhaltlicher Höhepunkt im umfangreichen Programm des ökumenischen Kirchentags war der Festvortrag von Bruder Paulus Terwitte am Sonntagnachmittag in der Wallfahrtskirche. »Was heißt Kirche« und »Wie bleibt die Kirche im Dorf« waren Fragen, denen der Kapuzinerpater in seinem Vortrag nachging und dabei für eine Kirche warb, die dient, die sich für die Menschen interessiert und für eine Kirche, die – auch im wörtlichen Sinne – immer geöffnet ist. Die Kirche sieht Bruder Paulus aktuell in einer Phase der Reinigung.






Gerade ist Bruder Paulus Terwitte 60 Jahre alt geworden. Seit über 40 Jahren gehört er dem Orden an. Seit 2010 ist er Großstadtseelsorger in Frankfurt. Seit vielen Jahren arbeitet Terwitte auch journalistisch, hat schon mehrere Bücher veröffentlicht, er ist gefragter Gesprächspartner, Redner und Referent zu Glauben und Leben. »Wo ist das Treibstofflager von Paulus Terwitte? Wo nimmt er seine Energie her?«, stellte sich Bruder Paulus selbst die Frage und beantwortete diese mit seinem tiefen Glauben: »Er ist wirklich auferstanden.« Kraft schöpfe er aus dem franziskanischen Reichtum und aus der Gewissheit, dass Gott mit ihm auf dem Weg sei.
Bei seinem Festvortrag in der Wallfahrtskirche bezog Bruder Paulus immer wieder die aufmerksamen Zuhörer in seine Gedanken mit ein. »Wann ist mir Gott begegnet?«, wollte er ergründen. Bei ihm persönlich sei das bereits im Jugendalter gewesen, als er sich dazu entschlossen habe, etwas Kirchliches zu machen. Das Christ sein gebe ihm ein Gefühl der Freiheit.
Kirche als Zeigefinger im Dorf
Die Kirche stehe als Zeigefinger im Dorf und erinnere an den Auferstandenen, bezog Bruder Paulus einen weiteren Standpunkt. Die Kirche sei ein Fitnessstudio für Herzen. In einer gnadenlos kapitalistischen Welt erinnere sie daran, was man wirklich alles haben müsse. Die Kirche müsse aus ihrer Komfortzone heraustreten und die Welt gestalten. »Wir sind in einer Phase der Reinigung«, blickt Bruder Paulus auf vergangene Fehlentwicklungen zurück und sprach sich auch für die Ökumene aus. Die Kirche stehe im Dorf, damit man damit beginne, neu über die Welt nachzudenken.
Der Festredner forderte dazu auf, dass die Kirche im Dorf immer geöffnet sein müsse. Drohendem Vandalismus müsse man mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit entgegnen. Auch müsse man in der Kirche aufhören, über Zahlen nachzudenken. Es sei durchaus möglich, sich auch ohne Priester zum Gebet zu treffen.
»Eine Kirche, die sich für die Menschen interessiert, ist eine interessante Kirche«, fordert Bruder Paulus die Gemeindeteams dazu auf, offen für die Welt zu sein. Man müsse sich um die Menschen an den Rändern der Gesellschaft kümmern, um die Trauernden und um die Kranken. »Eine Kirche die nicht dient, dient zu nichts«, untermauerte er seine Aussage.
Es gebe viele Orte wie die Wallfahrtskirche »Maria zu den Ketten«, Lourdes oder Taizé, die für Menschen stehen, die den Moment gespürt haben, dass sie Christen sind: »Er ist wirklich auferstanden. Ich will ihm dienen.« Bruder Paulus Terwitte zeigte sich überzeugt, dass mit dieser Grundhaltung die Kirche im Dorf bleibt.
Pfarrer Peter Seibt dankte am Ende des einstündigen Vortrags Bruder Paulus für die vielen Impulse, mit denen er zum Nachdenken angeregt habe: »Danke, dass sie da waren. Es war ein großes Geschenk!«