»Weil die Leute im Chor wissen, dass ich das hauptberuflich mache, vertrauen sie mir«, erzählt Viktor Kraus anlässlich einer der letzten Proben vor dem Jahreskonzert des Nordracher »Chor der Klänge«. Den leitet und dirigiert der gebürtige Kasache seit zehn Jahren.




»Einfach noch ein bisschen improvisieren, nach oben«, lautet Viktor Kraus’ Fazit zu dem Popstück, das er soeben mit Hannah Essig geprobt hat, der Solistin des Nordracher Chors. Mit derart virtuoser Hingabe hat der Musiker und diplomierte Musiklehrer sie dazu auf den Tasten begleitet, dass das Keyboard nur so bebte.
Bei Konzerten begleitet er den Chor der Klänge auf dem Klavier oder der E- respektive Bass-Gitarre. Aber auch das Akkordeon beherrscht er beispielsweise, »und Schlagzeug spiele ich auch gerne«, lächelt der 38-jährige verschmitzt. »Da ich das alles studiert habe, ist es für mich ganz einfach, die Instrumente zu spielen.«
Insgesamt sieben Chöre hat er momentan unter seinen Fittichen. Wie Viktor Kraus mit den Nordrachern zusammengekommen ist? Jemand hatte ihn als Chorleiter auf der Bühne erlebt und war höchst angetan von der Art, wie er mit den Sängern arbeitete. Daraufhin lief es ab wie üblich: Der Vorstand rief den in Gengenbach Wohnenden an, der Musiker lieferte eine halbstündige »Probe-Probe« ab, der Chor stimmte ab und entschied sich für ihn.
Um ausschließlich Männer handelte es sich damals, im Juli 2008. Ihr Liedgut war ein rein traditionelles: »Sie sangen die Weinlieder, die Heimat- und die Berglieder und die alten Schlager«, blickt Viktor Kraus zurück. Im Jahr 2011 dann fand für den Männerchor das letzte Konzert statt – zum 100-jährigen Bestehen.
Gemischt und energisch
Nachdem es zuvor über drei Jahre hinweg bereits einen Projektchor gegeben hatte, bei dem die Herren der Schöpfung zur Ostermesse gemeinsam mit Frauen sangen, taten sie sich anno 2012 auch offiziell mit ihnen zusammen. Viele von ihnen kamen aus dem Kirchenchor, der sich zwei Jahre zuvor aufgelöst hatte.
Heutzutage stellt die holde Weiblichkeit mehr als die Hälfte der 40 – teils auswärtigen – Mitglieder, die eine faszinierende Altersspanne von zarten 17 bis gestandenen 82 Jahren abdecken. »Seit wir ein gemischter Chor sind, singen wir natürlich eine ganz andere Musik«, erzählt Viktor Kraus. Hauptsächlich moderne Stücke, Rock- und Popmusik, »und ganz, ganz Aktuelles – das, was Sie im Radio hören können.« Kommt etwas neu heraus, was besonders gut gefällt, dann werden sogleich die Noten bestellt und eingeübt. Wobei der Chorleiter die Stücke variiert, sie selbst arrangiert.
Im Modernen, »Energischen« liegen denn auch die persönlichen Vorlieben des Mannes, der über die Nordracher Sänger sagt: »Die sind ziemlich energisch, fit – wir können viel zusammen machen.« Energische Musik – das ist für ihn »was Fetziges, mit viel Rhythmus.«
Chorleiter und Dirigent
Gleichzeitig hebt er die Vielseitigkeit des Chors der Klänge hervor. Denn auch klassische Stücke und Kirchenlieder gehören zu dessen sich ständig wandelnden, vierstimmig dargebrachten Repertoire. Allwöchentlich geprobt wird also nicht nur für das jährliche Herbstkonzert, sondern auch für die fünf bis sieben Mal im Jahr, in denen der Chor Gottesdienste begleitet, natürlich gleichfalls mit immer wieder neuen Stücken. A capella werden die Lieder in der Kirche zu Gehör gebracht, ohne Instrumentalbegleitung also, dann ist Kraus rein als Dirigent gefordert.
»Chorleiter und Dirigent, das ist nicht dasselbe«, erklärt der gebürtige Kasache, der seine 15-jährige musikalische Ausbildung mit einem Studium am Hohner-Konservatorium in Trossingen abschloss. »Der Dirigent zeigt eigentlich alles: Den emotionalen Charakter des Musikstücks, das Tempo, die Stellen, wo der Einsatz oder der Absatz kommt – der Dirigent ist wie ein Spiegel«, so Viktor Kraus. Und ergänzt, dass jeder seine eigene Art habe. Von den vielen Chören alleine im Kinzigtal klinge ein jeder anders, was meistens am Dirigenten respektive Chorleiter liege. Daran, »wie er die Musik versteht, wie er sie innerlich hört.«
Sehr gute Atmosphäre
Ob Viktor Kraus selbst dirigiert oder nicht, kommt jeweils auf das an, was gesungen wird. Weil bei Rockigem und Poppigem die Instrumentalbegleitung wichtiger ist als das Dirigieren und weil der Künstler nur zwei und keine vier Hände hat, entscheidet er sich in diesen Fällen fürs Musizieren. Einsätze zeigt er dann mit einer Hand- oder Kopfbewegung an, gibt während der Proben zudem mit der Stimme Kommandos oder unterstützt mit seinem eigenen, geschulten Gesang.
Während seine Arbeit mit der Solistin jetzt zu Ende geht und sich auch die übrigen – teils sogar von auswärts kommenden – Chormitglieder wie jeden Mittwochabend zur Probe in der Hansjakob-Halle einfinden, werden Likörgläschen gefüllt. »Bevor wir anfangen, ölen wir unsere Stimmen«, lacht die Sängerin, die das Tablett herumreicht.
»Hier in Nordrach herrscht eine sehr, sehr gute Atmosphäre bei den Proben«, freut sich Viktor Kraus, »wir machen das ganz locker, das macht schon Spaß.« Für eben den sorgt auch er selbst – und sei es, dass er zur Aufmunterung eine Anekdote erzählt, wenn den Sangeskünstlern mal was schief geht. »Es ist nicht so, dass ich ein Diktator bin«, schmunzelt er, »es ist nicht so, dass mit mir da vor dem Chor ein Lehrer steht, bei dem alles so gemacht werden muss, wie er sagt.«
Herbstkonzert
Das jährliche Konzert des Chor der Klänge findet am 17. November um 20 Uhr in der Nordracher Hansjakob-Halle statt, zum nun zehnten Mal unter der Leitung und Instrumentalbegleitung von Viktor Kraus. Mit der Solistin Hannah Essig, dem Gastchor des Oberharmersbacher Gesangvereins »Frohsinn« sowie dem Jugendchor »Canto Amici«. Weitere Infos siehe www.chor-der-klaenge-nordrach.de.