Mit Stift, Papier und viel Ruhe zur kreativen Ausdruckskraft

Seit letztem Jahr können Anfänger wie Fortgeschrittene in der einzigartigen, entspannenden Atmosphäre des Kapuzinerklosters Zell am Harmersbach nicht nur Malen, sondern auch jeweils eine Woche lang Zeichnen. Unter der bewährten Kursleitung von Veronika Olma.

»Wie muss ich das denn hier mit der Perspektive machen?«, fragt Kurs-Teilnehmerin Simone und zeigt auf den Bleistift-Entwurf eines alten Leibgedinghauses, dessen überdachter Vorbau ihr zu schaffen macht. Veronika Olma fährt mit dem Zeigefinger die gedachte Horizontlinie entlang, auf der liegt der Fluchtpunkt. »Den würde ich relativ eng ans Gebäude setzen«, rät sie.

13 Frauen und einen Quotenmann hat die Leiterin einer Malschule in Enkenbach-Alsenborn (Nähe Kaiserslautern) diesmal in der lichtdurchfluteten Klosterhalle unter ihren Fittichen – Stammgäste ebenso wie Neulinge. »Mein pädagogisches Konzept in dieser Woche sah so aus, dass wir morgens immer ein bisschen schulisch waren«, erklärt sie beim Besuch unserer Zeitung am letzten Kursabend. Wie geht Figur, wie Perspektive, wie Stillleben? So lauteten einige der behandelten Themen. Und es ging darum, wie man mit verschiedenen Materialien umgeht – mit Bleistift, Kohle, Rötel, Fineliner, Tusche, Buntstift und so weiter.

In Kombination mit den Zeichnungen kamen Aquarellfarben zum Einsatz. »Gleich nach dem ersten Tag hatten die Leute das Gefühl, wir brauchen jetzt irgendwie noch ein bisschen Farbe dazu«, lacht Veronika Olma. Nach der Mittagspause ließ die studierte Kunstmalerin ihre Schüler im Alter zwischen diesmal 17 und 80 Jahren meist frei zeichnen, »und ich habe einfach nur meine Kommentare dazugegeben.« Denn: Viele hatten ihre Themen selbst mitgebracht – unter anderem Fotografien, die sie gerne zeichnerisch übernehmen wollten, oder Vorbereitungen für Zeichnungen.

Ungebremst lernen, ausprobieren

Angela aus Kaiserslautern zum Beispiel hat ihr Skizzenbuch mitgebracht, in dem sie hauptsächlich Reiseskizzen festhält. Was das Tagebuch für Worte, ist ein Skizzenbuch fürs Malen und Zeichnen. Angela hat es von ihrer Schwester zusammen mit Stiften geschenkt bekommen, »und mein Mann hat mir hier den Kurs geschenkt. Weil ich immer gesagt habe: Ich will zeichnen lernen.« Wenn man so ein Skizzenbuch stets dabei habe und überhaupt, wenn man zeichne: »Man guckt anders«, so Angelas Feststellung: »Man geht ganz anders durchs Leben.«

Die Bandbreite der von den Kursteilnehmern umgesetzten Motive ist riesig. Von den Blüten des Roseneibisch über das Kolosseum in Rom hin zu Schutterwälder Tracht reicht sie. Letztere gezeichnet
von einem jungen Mitglied einer Trachtentanzgruppe. »Da spielt die Kunst der Bewegung in die Kunst des Zeichnerischen hinein«, stellt Veronika Olma fest.

Auch in der Wahl der Formate sind ihre Schüler vollkommen frei. »Ich will die Leute nicht überfordern, die lieber klein zeichnen«, erläutert sie, »wenn man in Postkartengröße zeichnet, können da genauso sensationelle Sachen rauskommen wie bei größeren oder ganz großen Formaten – die Größe ist wirklich vollkommen wurscht.«

Kreativ nach Lust und Laune

Christine aus Beuern, die nach eigenem Bekunden bislang noch nie »im Großen« gezeichnet hat, versucht sich in der Klosterhalle nun genau daran: »Das war für mich die Herausforderung: Wie ich das mit den Proportionen auf dem großen Papier schaffe.« Eigens chinesisches Zeichenpapier von der Rolle hat sie sich dazu mitgebracht, um es sich je nach Bedarf zuzuschneiden.

Überhaupt kann man in diesem Zeichenkurs nach Lust und Laune kreativ sein. »Wir haben fleißig rumgespielt«, freut sich dessen Leiterin über das hohe Maß an Kreativität: Es wurde collagiert, mit Transparentpapier überlagert, ausgeschnitten. Beispielsweise. Und: An einem Nachmittag stand für zwei Stunden eine (ob der Location natürlich bekleidete) junge Frau als Modell zur Verfügung.

»Zuerst hatten wir eine langsame Sitzung, in der das Modell 15 Minuten lang stand.« Dann aber wurden die Sitzungen kürzer, mit immer neuen Stellungen der »Ansichtsperson«. Immer schneller wurde gezeichnet, in immer kürzeren Intervallen, die schließlich nur noch zwei Minuten betrugen. Einerseits setze das einen unter Stress, erzählt Teilnehmerin Michaela. Andererseits inspiriere es jedoch dazu, nicht auf Kleinigkeiten zu achten, stattdessen »den Strich zu setzen und Schluss.« Wobei die Figur nicht nur realistisch übersetzt wurde, sondern auch expressiv. Dass ihr das wichtig gewesen sei«, betont wiederum Veronika Olma, »damit die Leute ihr Eigenes aus sich herausholen – das, was wirklich das Ihre ist.«

Auf dem Programm stand zudem das Ein-Strich-Zeichnen: Hier wird die Zeichnung in einem Strich durchgezogen, ohne abzusetzen also. Auch dies eine Übung zum Reduzieren, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Als durchaus befreiend empfinden die Teilnehmer es, »mit nur wenigen Strichen und Farbverläufen das zum Ausdruck bringen zu können, was da ist«, wie Eva aus Bad Säckingen es formuliert. Ebenso befreiend kann es sein, zwischendurch einmal mit der linken Hand zu zeichnen – ein Trick, um den bremsenden, inneren Zensor auszuschalten. Oder um einfach locker zu werden.

Fröhliches Rätselraten

Und noch etwas hatte sich die langjährig erfahrene Kursleiterin ausgedacht: Am zweiten Tag, nachdem sie ihre Eleven bereits eine Weile hatte beobachten können, stellte sie kleine Aufgaben. Beispielsweise, indem sie den Teilnehmern individuell ein jeweils gegensätzliches Adjektivpaar wie hart-weich, oben-unten, hell-dunkel etcetera zuwies. »Daran haben sich die Leute dann für den Rest der Woche abgearbeitet – neben dem Modellzeichnen und den anderen Sachen«, erläutert die bildende Künstlerin.

Der Clou an der Sache: Ein jeder hatte sein persönliches Gegensatzpaar unter Verschluss zu halten. Am letzten Kursabend nun soll das jeweilige Geheimnis von den Kollegen anhand der entstandenen Arbeiten erraten werden – bei einem Rundgang, den Veronika Olma dazu nutzt, die Werke in ihrer Gesamtheit zu begutachten, zu besprechen. Immer wieder macht sie dabei ihrer Begeisterung Luft über das, was die Teilnehmer ge- und erschaffen haben. »Sehr, sehr cool«, hört man sie sagen, »super«, »ganz toll«, oder auch: »Ich bin schwer begeistert.«
Nie aber läuft ein Zeichenkurs bei der Herzblutfrau nach dem gleichen Schema ab. Stets achtet sie auf die individuelle Zusammensetzung, auf die Charaktere. »Ich muss immer aufpassen: »Was kann ich vorgeben, ohne dass ich die Leute ungewollt einenge, wo kann ich sie vielleicht mit einem Thema halten.«

Info

Für Anfänger wie Fortgeschrittene gleichermaßen: Die nächsten Zeichenkurse im Kapuzinerkloster Zell am Harmersbach finden statt vom 2. bis 6. Juli sowie vom 13. bis 17. August, jeweils Montag bis Freitag. Weitere Infos und Anmeldung im Internet unter www.kunstwerkstatt-olma.de.