Nur noch bis Sonntag, 30. Juli, ist eine kleine, aber feine Sonderausstellung im Zeller Storchenturm-Museum zu sehen: mit »Schreiber-Keramik« aus sechs Hafner- und Keramiker-Generationen. Wir unterhielten uns mit Johann Baptist Schreiber, dem derzeit letzten keramischen Kunsthandwerker aus dieser Dynastie.
Es war einmal ein junger Mann namens Ferdinand Schreiber (geboren 1761), der sich zum Hafner ausbilden ließ. »Hafner«, so lautete die allgemeine Bezeichnung für Töpfer, die auch Ofenkacheln herstellten.
Der Geselle aus Zell brachte einige Wanderjahre hinter sich, um dann gemäß der damaligen Zunftordnung sein Meisterstück in Form von drei Häfen zu machen. Im Alter von 34 Jahren schließlich erwarb er ein halbes Haus und gründete die Zeller Stadthafnerei – 1795 war das. Ein Jahr, nachdem die Zeller Keramikfabrik gegründet worden war.
Genau 166 Jahre und fünf Hafnermeister-Generationen später ging auch der frisch gebackene Keramikformer Johann Baptist Schreiber auf Gesellen-Wanderschaft. Auf den Rat seines Vaters hin. »Er hat gesagt: Du kommst um den Komiss herum, wenn du in die Schweiz gehst«, erinnert sich der heute 75-Jährige.
Auch habe der Vater immer gesagt: »Wenn du was gelernt hast, dann kommst du wieder zurück und übernimmst den Teil der Werkstatt, wo die Kacheln produziert werden.« Der Vater führte eine Werkstatt, in der wertvolle Fayenceöfen, von Architekten entworfene Kachelöfen, Kachel-Kochherde und Bauernöfen hergestellt wurden. Die Ofensetzerei hatte er bereits 1956 dem fünf Jahre älteren Bruder Johann Baptists übergeben, der für dieses Handwerk einen Meisterbrief besaß.
Tatsächlich suchte Johann Baptist Schreiber eine Stelle in der Schweiz und fand sehr schnell in einer großen Kachelfabrik eine Anstellung als Volontär. „Ich kam aber nicht mehr zurück nach Zell und habe die Hafnerei und Töpferei in der Werkstatt meines Vaters nicht übernommen“, erzählt er, der in der Schweiz eine zweite Lehre als Töpfer und eine Meisterprüfung zum Keramiker absolvierte, unter anderem als Fachlehrer an die Kunstgewerbeschule Zürich berufen wurde.
Eine »sehr gute Stelle« hielt ihn im Land, nämlich die des Fabrikationsleiters in der bereits erwähnten Kachelfabrik. »Und dann kam die Liebe dazu, da hatte ich kein Bedürfnis mehr zurück nach Zell zu gehen«, lacht der Mann, der sich 1980 schließlich in der Schweiz selbstständig machte, mit in aufwändiger Handarbeit gefertigter Keramik für Kachelöfen aller Stilrichtungen sowie Baukeramik. Zudem führte er gemeinsam mit seinem Bruder Kachelofenprojekte im Mittleren Schwarzwald durch.
Die Altvorderen verstehen
Lange hatte J. B. Schreiber sich darum bemüht, sein »Lebenswerk in die siebte Generation zu führen.« Der Erfolg blieb ihm verwehrt. Immerhin fand er eine Nachfolge für seine Firma. Zwar nicht in der Familie, doch in einem guten Kunden, der den Teil der Kachelproduktion übernommen hat. »Der ist ein Ofensetzer, ein Ofenbauer, dem ich das Kachelherstellen beibringe«, ist Schreiber froh über diese Entwicklung. Er denkt auch ansonsten nicht daran, die Hände in den Schoß zu legen.
Zum einen ist er noch immer in einem kleinen Atelier für Ofenkeramik tätig. »Wenn irgendetwas von der Denkmalpflege kommt oder wenn Kacheln zu reproduzieren sind, dann ist das noch gerne mein Metier.« Es sei auch ein Prinzip seines Berufes, dass man aktiv bleibe und versuche, »die Altvorderen zu verstehen, die Technik der Altvorderen nachzuempfinden.« Um in der Lage zu sein Kacheln noch nachzuproduzieren, die unter Umständen vor 300 Jahren hergestellt wurden.
Zum Zweiten zeigt der umtriebige Senior bei sich in der Öffentlichkeit ergebenden Gelegenheiten »immer sehr gerne unseren Kachel- und Keramikberuf.« Und zum Dritten schließlich liegt ihm die Aufarbeitung der Familiengeschichte am Herzen: jener 222-jährigen Hafner- und Keramikertradition an verschiedenen Standorten, die Stadtbrand und Weltkriegsbomben überdauert hat und die mit ihm nun enden wird.
Eben dieses Anliegen hat zur derzeitigen Sonderausstellung im Zeller Storchenturm-Museum geführt. Die Verbindung zu Zell hat Schreiber stets gehalten, schon wegen der hier lebenden Familienmitglieder. Als sein Bruder 2013 verstarb, erbte er das hiesige Elternhaus mit der damaligen Werkstatt. Überdies ist er Mitglied im Historischen Ortsverein. »Das heißt, ich halte mich auf dem Laufenden, bin immer mal wieder in Zell und schaue vorbei«, so der »Auswanderer«.
Der Hafner: ein keramischer Allrounder
Im Zuge der Ausstellung hat er eine kleine Publikation verfasst. Der ist unter anderem zu entnehmen, was genau ein Hafner war: ein »keramischer Allrounder« nämlich, der auf der Scheibe irdenes oder feuerfestes Gebrauchsgeschirr töpferte, von Hand geformte Ofenkacheln und Baukeramik herstellte und der aus Ton oder Gips Modelle und Formen vor allem für Kachelöfen fertigte. Der außerdem verschiedene Dekor- und Glasurtechniken beherrschte. All das erforderte handwerklich-künstlerische Begabung und chemisch-technisches Wissen, ließ kunsthandwerkliche Keramik von kulturhistorischer Bedeutung entstehen.
»Auch das Versetzen der selbst hergestellten Kachelkeramik und der Aufbau zu heiztechnisch durchdachten Kachelöfen war bis Mitte des Jahrhunderts ein Teil des Hafnerberufs«, erläutert der Wahlschweizer und ergänzt: »Gäbe es diesen Beruf noch heute, so würde er sich aus einzelnen Bildungsschwerpunkten des Scheibentöpfers, des Industriekeramikers in Modell-, Dekor- und Verfahrenstechnik, des Fein- und des Baukeramikers sowie des Ofenbauers zusammensetzen.« Mit Ausnahme des Ofenbaus umfasst der höhere Bildungsgang zum Keramikermeister – wie J. B. Schreiber einer ist – all diese Fachgebiete.
Schreiber-Öfen im Museum
In der Bildsteinstube des Storchenturm-Museums und in deren Nebenstube sind im Übrigen zwei Kachelöfen zu besichtigen, die J. B. Schreiber und sein Bruder Emil Alexander gefertigt und 1995 der Stadt Zell gestiftet haben. Der Ofen in der Bildsteinstube stellt »weitgehend eine Kopie des Originals im vormaligen Wohnhaus von Herrn Bildstein in Nordrach« dar, so J. B. Schreiber. Der Stilofen im Nebenraum »ist passend in die Zeit gestaltet und reich von Hand bemalt« – mit Rocaillen und Medaillons mit Ansichten von Zell, der ehemaligen Hafnerwerkstatt Schreiber in der Hinteren Kirchgass sowie dem Bildsteinhaus in Nordrach.
Die Ausstellung im Foyer des Storchenturm-Museums ist bis zum 30. Juli jeweils dienstags, freitags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.