Ihre Kindheit hat Petra Isenmann Bodenständigkeit gelehrt und den Wert von Gemeinschaft.
Am 5. Juli werden die Landfrauen des Ortsvereins Entersbach Gastgeber im Dorfgemeinschaftshaus Unterentersbach sein, wenn der Land Frauen-Bezirk Haslach „50 Jahre LandFrauen im Kinzigtal“ feiert: Der Ortsverein Haslach wurde vor exakt einem halben Jahrhundert gegründet. Seine Mitglieder kamen ursprünglich unter anderem auch aus Entersbach, Nordrach, Prinzbach, Unter- und Oberharmersbach. Mit einigen Vertretern dieser heutigen Ortsvereine unterhalten wir uns in einer sechsteiligen Serie, heute im letzten Teil: Petra Isenmann, Vorsitzende der Gastgeber.
„Eine Feier im Stil von vor 50 Jahren“ soll der Jubiläumsnachmittag nach dem Wunsch des LandFrauen-Bezirks Haslach werden. In ihrem eigenen Leben allerdings würde Petra Isenmann wohl nicht um ein halbes Jahrhundert zurückversetzt werden wollen. Und doch sieht sie das Positive: „Ich sag’ immer zu meinem Bruder: Ich glaub’ das, was wir durchlebt haben, hat uns so bodenständig gemacht.“ Was bedeutet, sie kümmert sich: Um ihre Familie, die für sie an erster Stelle steht, um Hilfs- und Pflegebedürftige und seit 17 Jahren auch um die Entersbacher Landfrauen.
Prägende Tragödie im Jahr 1968
Der Tod ihrer Mutter anno 1968 war es, der ihr Leben gezeichnet hat. Sie selbst war sechs Jahre alt, die Mutter 34 und im achten Monat schwanger. Eine Thrombose führte zur Katastrophe, „es war zu Hause, am 38. Geburtstag meines Vaters, er hatte alles versucht, sie zurückzuholen.“ Es folgte die damals noch übliche Aufbahrung zuhause – für die Angehörigen ein Martyrium. Ganz genau noch könne sie sich heutzutage daran erinnern, wo der Sarg zuhause stand, erzählt Petra Isenmann, an die Beerdigung jedoch habe sie keinerlei Erinnerung. „Damals ist man noch mit dem Fuhrwagen und dem Pferd mit dem Sarg nach Zell, die Leute haben uns später immer erzählt, wie wir als Kinder hinter dem Sarg hergelaufen sind.“
Alle miteinander seien sie anschließend krank gewesen, erzählt Petra Isenmann. Und ihr Vater sei nie mehr eine Beziehung eingegangen, „er ist alleinig geblieben.“ Und so ging das Leben weiter, „da gab’s keine Psychologen, da gab’s niemanden, der das mit einem verarbeitet hätte.“
Komplizierter Start ins Leben
Die heute (frisch gebackene) 63-Jährige wurde im gleichen Jahr eingeschult, in der damals in Entersbach noch vorhandenen Grundschule. Ein einziger Lehrer unterrichtete die erste bis vierte Klasse – alle Kinder gleichzeitig, in einem einzigen Raum. „Wir alle hatten zu kratzen, als es in der fünften Klasse nach Zell ging, wo die anderen Kinder schon viel weiter waren.“ Aber in ihrem Jahrgang schafften es alle, freut die gebürtige Unterentersbacherin sich noch heute, „keiner musste die fünfte Klasse wiederholen.“
Mit dem Abschluss der Hauptschule schickte der Vater sie an die Landwirtschaftliche Hauswirtschaftsschule in Zell, damit sie das Kochen und Backen lerne, „aber das habe ich schon seit meinem zehnten Lebensjahr gekonnt – er hat mich dahin geschickt, damit ich dieses Jahr noch bei ihm daheim war.“ Denn das war Petra Isenmanns drei Jahre älterer Bruder nicht mehr.
Der Gedanke an den Besuch der Realschule oder gar des Gymnasiums war unter den damaligen Umständen völlig abwegig, desgleichen eine in Aussicht stehende Lehre in einem Zeller Textilgeschäft. „Ja, dann geh’ auch du und lass mich allein“, sagte der Vater, Petra Isenmann blieb. Half vormittags im elterlichen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb „unten im Dorf“, arbeitete nachmittags für ein paar Stunden in besagtem Textilgeschäft.
Folgen der Realteilung
Mit ihrer Heirat („das Beste, was mir passieren konnte“) zog sie 1982 auf einen anderen Nebenerwerbshof, ein paar Straßen weiter. „Ich bin nicht weit gekommen“, flachst sie trocken, „wir haben von der Größe und Art her einen identischen Hof wie daheim, hier hab’ ich eigentlich das weitergeführt, was ich zuhause abgegeben hab’.“ Rund zehn Hektar gilt es insgesamt zu bewirtschaften, ein Viertel davon ist Wald, alles Übrige sind verstreut liegende Felder. An die zehn oder zwölf waren es früher, deren Versprengung ging wohl auf die historische Realteilung zurück.
Diese bedeutet, dass insbesondere der (früher als Realitäten bezeichnete) Landbesitz einer Familie unter den Erbberechtigten gleich aufgeteilt wird. Da diese Aufteilung bei jedem Erbgang stattfindet, werden die Parzellen stetig kleiner. Mit der Flurbereinigung respektive „Flurneuzuordnung“ 1977 wurden diese Felder weitgehend zusammengelegt. „Jetzt haben wir alles ein wenig zentraler, aber trotzdem noch verstreut, Richtung Stöcken und Biberach.“ Weizen wird hier angebaut, den die Isenmanns zum Teil zu Schnaps brennen, zu Korn. Der hier in der Regel ebenfalls wachsende Mais wird in Oberharmersbach in einer Biogasanlage verwertet, das angebaute Chinaschilf auf dem Hof selbst als Heizmaterial verwendet. Und dann gibt es noch Wiesen, deren Heu gleicherweise direktvermarktet wird.
Mit Ausnahme der Insassen des Hühnerstalls, in dem der Fuchs in diesem Jahr schon dreimal geräubert hat, leben auf dem Hof keine Tiere mehr. „Früher hatten wir zwanzig Stück Vieh und mussten jeden Tag Grünfutter holen.“ Wenn ihr Mann sich frühmorgens auf die lange Fahrt zu seinem Haupterwerb begab, machte Petra Isenmann sich mit Traktor, Mähmaschine und Ladewagen auf den Weg.
Vorsitz trotz „Nie!“
Vor drei Jahren hat der jüngere der beiden Söhne den Hof übernommen, doch noch immer ist sie stark eingespannt – für ihre vier auf dem Hof lebenden Enkelkinder ist sie da, und seit 25 Jahren arbeitet sie in der Sozialstation im Bereich Pflege und Hauswirtschaft. Früher, als ihre Schwiegermutter ein Pflegefall geworden war, hatte sie diese fünf Jahre lang zuhause betreut und auch ihre Schwägerin nach Kräften unterstützt, als der Vater nach einem Schlaganfall 13 Jahre lang im Rollstuhl saß – gelähmt und nicht fähig zu sprechen.
Wie Petra Isenmann zu den Landfrauen gekommen ist? „Ganz, ganz komisch“, schmunzelt sie, „durch meine Schwiegermutter.“ Die hatte eine Schwägerin mit Führerschein, die sie stets zu den Landfrauennachmittagen in Haslach mitnahm. Als die beiden dann in einem Alter waren, dass sie nicht mehr dorthin konnten, habe es zu den jeweiligen Schwiegertöchtern geheißen: Jetzt geht grad ihr! „Und so sind wir, die Waltraud Rothmann und ich, zu den Landfrauen gekommen.“ Sie selbst trat 1991 bei den Haslacherinnen ein. 2007 dann gründeten die beiden für Unter- und Oberentersbach den jüngsten Ortsverein der LandFrauen im Bezirk Haslach.
„Die Landfrauen sind mir schon immer am Herzen gelegen – was die so gemacht haben, das hat mich beeindruckt. Und sie waren ein Grund für mich, mal aus dem Alltag rauszukommen“, erklärt Petra Isenmann. Niemals aber hätte sie den Vorsitz übernehmen wollen, „nie!“, das traute sie sich nicht zu, agierte jedoch als Waltraud Rothmanns Stellvertreterin. Als diese sich nach neun Jahren aus dem Amt zurückzog, „hat man natürlich an mir gearbeitet“, schmunzelt Petra Isenmann, die den ersten Vorsitz dann auch tatsächlich übernahm, vor inzwischen acht Jahren.
Offen für Neues
Dass sie sich bei den Landfrauen immer wohlfühle und immer offen für Neues sei, betont sie. Und berichtet strahlend von der Aktion „Ein ganzes Dorf räumt auf.“ Bei diesem Flohmarkt, bei dem sie selbst unter anderem einen uralten Herd verkaufte, durften ausschließlich Entersbacher teilnehmen. Erstmals fand er letztes Jahr statt und wurde jüngst wiederholt – mit jeweils großer Resonanz „und tollen Gesprächen mit den vielen auswärtigen Besuchern.“ Der Erlös wurde und wird für einen sozialen Zweck gespendet, „mit Sicherheit werden wir diese Aktion wieder anbieten.“
Bereits seit Jahren ein Highlight ist der jährliche Pflanzentauschtag beim Biohof-Reber, bei dem der Entersbacher Ortsverein für das leibliche Wohl der rege strömenden Besucher sorgt. Wichtig ist Petra Isenmann zudem „etwas für die älteren Leut’ in Entersbach zu tun“ – mit einem liebevoll gestalteten Seniorennachmittag in der Vor-Advents-Zeit. „Wir machen aber auch Verrücktes“, betont sie. Eine Tagesfahrt nach Paris war schon dabei. Oder ein Besuch bei Wolfgang Schäuble in Berlin.
In Bezug auf das nächste Jahr freut sie sich auf Entersbachs 950-Jahr-Feier, bei der die Landfrauen mitwirken werden und bereits kräftig planen. Im nächsten Jahr aber auch wird Petra Isenmann ihr Amt abgeben, bei den Neuwahlen des Ortsvereins: „Aufgrund einer Klausel, dass Landfrauen ab 65 Jahren nicht mehr das Amt einer Vorsitzenden ausüben sollen.“ Auch für weitere Vorstandsmitglieder werden dann Nachfolgerinnen gesucht. „Und wir hoffen, dass die eine oder andere Landfrau ihre Kinder mit zu uns bringt, ab einem Alter von 15 bis 18 Jahren. Das ist mir ein wahnsinniges Anliegen, dass es weitergeht – und es geht auch weiter“, äußert sie sich voller Zuversicht. Zumal sie bereit ist, noch im Vorstand zu bleiben, wenngleich im Hintergrund, „man hilft ja trotzdem, wenn was ist.“
50-Jahr-Feier am 5. Juli
Zunächst aber werden am 5. Juli „50 Jahre LandFrauen im Kinzigtal“ gefeiert, im Dorfgemeinschaftshaus um 17 Uhr: „Das Kreativteam der Landfrauen des Bezirksvorstandes hat ein großartiges Überraschungsprogramm auf die Beine gestellt. Seid gespannt, wie es in den letzten 50 Jahren bei den Landfrauen im Kinzigtal so zuging. Leckere Bowle, kalte Getränke und ein reichhaltiges Büffet erwarten Euch.“ Landfrauen-Mitglieder können sich mit interessierten Freundinnen bei ihren Ortsvereinen anmelden.