Franz Schüsseles „Conceto Curioso“ begeistert bei der „Sommermusik“.
Das „musikalisch-humoristische Programm mit kuriosen und selbst erfundenen Instrumenten“ lockte am Mittwochabend viele Besucher in die Evangelische Kirche. Trotz (oder vielleicht sogar wegen) der Fußball-EM im TV zeigte sich Kirchenältester Michael Horst bei der Begrüßung der Gäste überrascht über die hohe Besucherzahl. Sicherlich lag es auch am Solisten des Abends: Franz Schüssele, der über die Grenzen der Ortenau hinaus als Multiinstrumentalist bekannt ist und seit vielen Jahren den Ruf eines musikalischen Originals genießt.
Seltsame Instrumente und ein humorvolles Programm
Schüssele bringt seine seltsamen Instrumente nicht nur zum Klingen, sondern gestaltet auch den Sound passgenau: „Heidi, deine Welt sind die Berge“ erklang auf einem Alphorn Marke Eigenbau, das dem sonoren Klang des Susaphons verwandt ist und einen beachtlichen Tonumfang hat. Vom Publikum mit „Heidi“-Rufen unterstützt, geriet das Stück zur humorvollen Hommage an die Bergsteigerlegende Luis Trenker sowie an den Alm-Öhi und den Geißenpeter aus den „Heidi“-Romanen von Johanna Spyri.
Immer wieder schöpfte Schüssele aus seinem Anek dotenschatz und flunkerte augenzwinkernd beim Einsatz einer Original-Fahrrad(luft) pumpe aus der Werkstatt von Philipp Drais. Aus dem Stegreif präsentierte Schüssele damit ein swingendes „Oh, when the saints go marching in“.
Kleine Seitenhiebe auf den Zeitgeist
Der Humor als konstanter Begleiter der Darbietungen kam auch als Seitenhieb auf den Zeitgeist zum Ausdruck, etwa bei der Spezies des „Kampfradlers“ in der Green City Freiburg. Zwei Fahrradklingeln, auf einer Lenkstange montiert, lieferten die Begleitmusik zum gesungenen Vierzeiler in Ortenauer Mundart: „Morgen kommt der Fahrradmann …“ – nach der bekannten Mozartschen Weih nachtsmelodie.
So ging es Schlag auf Schlag, unterbrochen nur durch den spontanen Beifall des amüsierten Publikums in der Kirche. Schüsseles dramaturgischer Trick, die Hörer in den Programmverlauf einzubinden, erzeugte und hielt die Spannung auf hohem Niveau. Auf Zuruf eines Anfangsbuchstabens wählte der Solist das passende Instrument aus seinem Fundus. Das funktionierte durchaus, auch wenn es manchmal an den Haaren herbeigezogen wirkte.
Kreative Instrumente und Melodien
Das ‚B‘ stand für die badische Bierflöte (Originalton Schüssele: „Mit Schwabenbräu geht das nicht“), auf der die bezaubernde Melodie des Musicals „Memory“ (Grizzabellas Song in „Cats“) erklang. Auf der ‚L‘eerrohr-Posaune mit einer PET-Flasche als Schalltrichter schmetterte Schüssele den „Tiger-Rag“, während der ‚O’boen-Kürbis mit der Melodie vom „kleinen grünen Kaktus“ der Comedian Harmonists aufwartete, den Schüssele in den „kleinen gelben Kürbis“ verwandelte.
Virtuos und mit Überraschungen
Ein erster Höhepunkt bahnte sich an, als Schüssele mittels Küchenmesser und Bohrmaschine ein „Gälrievli“ in eine echte Vegan-Klarinette umgestaltete und mit einem Mundstück versah. Das folgende „Joshua fit the battle of Jericho“ hätte in seiner melodischen und rhythmischen Dynamik und Eleganz in jeder traditionellen Gospelmesse ein Glanzlicht gesetzt.
Dass der Friesenheimer in puncto Blasmusik ein Meister seines Fachs ist, bewies er mit einer kunstvollen Improvisation auf einem selbstgebauten Didgeridoo, das den charakteristischen bassbetonten Klang konstant klingend hält. Schüssele erklärte, dass er ein ganzes Jahr gebraucht habe, um die sogenannte Zirkularatmung zu erlernen.
Samtener Wohlfühlklang entstand auch beim Traditional „Greensleeves“ (bei Schüssele humorvoll „Grünfutter“) mit gelungenen Variationen der Grundmelodie sowie beim Beatles-Titel „Yesterday“, den Schüssele auf der Wein(pansch)flöte (neun handelsübliche Flaschen in Reihe) präzise und mit viel Gefühl intonierte.
Ein zweiter Höhepunkt und weitere Überraschungen
Ein weiterer Höhepunkt bahnte sich an, als Schüssele eine Hörerin bat, sich mit einem Ballon in der Hand neben ihn zu stellen, während er seiner eigentümlichen Nagelgeige anmutige barocke Klänge entlockte. Kaum waren die letzten Klänge verstummt, stach der Solist mit dem Geigenbogen unvermittelt in den Ballon, der lautstark zerplatzte. Die Überraschung war gelungen, der Schreck hielt sich in Grenzen. Bei der Erstaufführung von Haydns „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ soll es seinerzeit im Schloss Esterházy ob des Knalls fast einen Skandal gegeben haben.
Experiment und Exotik
Ein Hufeisen-Würfelspiel mit pulsierender „Bonanza“-TV-Film-Titelmelodie, eine Pfeifenorgel aus Farbtuben, rasante Soli auf der Eunuchenflöte oder der Maultrommel. Man konnte sich fast nicht satt hören und satt sehen an all den wundersamen Tönen und Klangapparaten. Wer kann schon die „Schicksalsmelodie“ mittels einer Medizinspritze schneidend hell pfeifen oder in eine Gipsbeinattrappe blasend tief im Bass erklingen lassen? Schüssele macht’s möglich! Doch bleibt er bei aller experimentellen Koketterie und Exotik immer der Tonalität verbunden. Applaus und Begeisterung im Kirchensaal.
Abschluss und Dank
Als lautstark erklatschte Zu gabe dann ein breites, blank poliertes, biegsames Sägeblatt, das – mit einem Geigenbogen sanft gestrichen – wunderbar vibrierende Töne produzierte. In der Tat eine „singende Säge“.
Kirchengemeinderätin Wetzel dankte dem Solisten und überreichte unter dem Beifall der Gäste die traditionelle weiße „Sommermusik“-Rose.