Herzlichen Glückwunsch! Heute halten Sie nicht nur die neuste Ausgabe der Schwarzwälder Post in Ihren Händen, sondern feiern gemeinsam mit Millionen Grundstückseigen tümern die Premiere der Grundsteuerreform. Vielleicht haben Sie in diesem Zusammenhang auch schon Post von der Finanzverwaltung bekommen. Diese hatte am 16. Mai 2022 mit dem Versand von Informationsschreiben an Grundstückseigentümer begonnen.
Für die Kommunen in Deutschland ist die Grundsteuer eine verlässliche Einnahmequelle. Im Gegensatz zur Gewerbe- oder Einkommenssteuer ist sie Jahr für Jahr gleich hoch. In Zell a. H. betragen die Einnahmen aus der Grundsteuer ca. 1,1 Millionen Euro. Das sind fast 9 % der gesamten Steuer einnahmen im Jahr 2021 (Quelle: Haushaltsplan 2021 | www.zell.de).
Der Bundestag und Bundesrat verabschiede- ten bereits 2019 die Grundsteuerreform, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits 2018 den Gesetzgeber aufforderte, die Bewertung von Grundstücken im Zusammenhang mit der Grundsteuer neu zu regeln. Hintergrund ist die als verfassungswidrig eingestufte Einheitsbewertung, die auf Werten aus den 60-er Jahren (bzw. in den neuen Bundesländern aus den 30-er Jahren) beruht. Somit kann es aktuell zu einer unterschiedlichen Besteuerung von gleichwertigen Grundstücken kommen.
Mit der Reform der Grundsteuer möchte der Gesetzgeber u. a. diese Ungleichheit beseitigen, ohne die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen insgesamt zu verändern. Dafür muss der für die Grundsteuer maßgebliche Grundstückwert neu festgestellt werden. Als Basis für die Neubewertung werden die Wertverhältnisse vom 1. Januar 2022 zugrunde gelegt.
Länderöffnungsklausel
Die neue Bewertung erfolgt grundsätzlich bundeseinheitlich. Jedoch ermöglicht es eine sog. Länderöffnungsklausel den Bundesländern, statt des Bundesrechts eigene Länderlösungen zu beschließen und anzuwenden. Davon haben mehrere Bundesländer, unter anderem auch Baden-Württemberg, bereits Gebrauch gemacht.
In Baden-Württemberg wird die Grundsteuer zukünftig nach dem modifizierten Bodenwertmodell ermittelt. Die Bewertung basiert hier im Wesentlichen auf zwei Kriterien: der Grundstücksfläche und dem Bodenrichtwert.
Mithilfe der Grundsteuermesszahl werden die Grundsteuerwerte an die neuen Verhältnisse angepasst. Die neue Steuermesszahl liegt grundsätzlich zwischen 0,31 und 0,34 Promille. In der Einheitsbewertung waren es bis zu 3,5 Promille. Durch die Multiplikation des Grundsteuerwertes mit der Steuermesszahl erhält man den sogenannten Grundsteuermessbetrag. Aus ihm und dem jeweiligen Hebesatz ermitteln die Gemeinden die konkrete Grundsteuer. In Zell a. H. liegt der Hebesatz bei 400 Punkten.
Besonderheiten in der Land- und Forstwirtschaft
Hier wird es etwas komplizierter. Neben der Grundstücksfläche sind die Art der Nutzung sowie die Ertragsmesszahl zur Ermittlung des neuen Grundstückswertes maßgebend.
Umstrittene Grundsteuer C
Die Grundsteuer gibt es für landwirtschaftliche Flächen (Grundsteuer A) und für alle anderen bebauten und unbebauten Grundstücke (Grundsteuer B). In Baden-Württemberg hat der Landtag am 22.12.2021 den Weg frei gemacht für die umstrittene neue Grundsteuer C.
Mit der neuen Grundsteuer C dürfen Gemeinden sog. »baureife« Grundstücke, welche unbebaut sind, mit einer erhöhten Grundsteuer belasten. Dies soll Spekulationen verteuern und Anreize setzen auf baureifen Grund stücken Wohnraum zu schaffen. Ob und wie dies von den Kommunen umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
Neue Bodenrichtwerte
Die jeweiligen Gutachterausschüsse waren beauftragt, bezogen auf den 1. Januar 2022 neu Bodenrichtwerte zu ermittelt. Diese sollten spätestens bis zum 30. Juni 2022 auf den Plattformen der Kommu- nen oder auf der landesweiten Informationsseite unter www.grundsteuer-bw.de veröffentlicht werden.
Kann man somit heute schon eine Erklärung abgeben?
Dies sollte ab heute grundsätzlich möglich sein. Jedoch gibt es derzeit in Baden-Württemberg (Stand 30.06.2022), lediglich ein Muster-Formular zur Feststellung des Grundsteuerwerts (GW-1 BW) und im ELSTER-Portal haben wir auch noch kein Formular entdeckt. Des Weiteren fehlen noch einige Bodenrichtwerte, welche zwingend notwendig sind. Es bleibt also abzuwarten, ob mit dem heutigen Tag eine Übermittlung der Grundsteuererklärung möglich ist.
Die Steuererklärungen müssen bis spätestens 31. Oktober 2022 auf elektronischem Weg abgegeben werden.
Die Finanzverwaltung hat es danach nicht so eilig wie Sie, sondern lässt sich etwas Zeit mit der Bearbeitung. Für die Neubewertung aller Grundstücke werden mehrere Jahre Zeit benötigt. Die neuen Grundsteuerbescheide folgen bis zum Jahr 2025, sodass die neue Grundsteuer erstmalig für 2025 erhoben wird.
Wie gewohnt unterstützen und beraten wir Sie mit unserem Team gerne zum Neubewertungsverfahren und können den Prozess und die Abwicklung mit den Finanzbehörden für Sie übernehmen.
Hecht + Friedemann,
Steuerberatungsgesellschaft, Zell a. H.