Oberharmersbach. »Das Material ist total angenehm«, schwärmt Manuela Kienzle davon, wie Speckstein sich anfühlt. Und davon, wie leicht er sich bearbeiten lässt, so dass er auch für Kinder bestens geeignet ist.
Man muss so ein unbearbeitetes Stück einmal in der Hand gehalten haben, um die Faszination zu verstehen, die Speckstein auszuüben vermag. Denn seltsam weich, fast geschmeidig fühlt er sich an, wie eine Art trockene Creme. Selbst dann, wenn man mit dem Finger über eine scharf wirkende Kante fährt.
Manuela Kienzle hat des Rätsels Lösung parat: »Im Grunde genommen ist das kein Stein, sondern ein Mineral.« Genauer gesagt: Ein Mineral namens Talk bildet den Hauptbestandteil des Specksteins. Pulverisiert heißt besagtes Mineral Talkum – und das wurde vor der Erfindung von Wegwerfwindeln zum Einpudern zarter Babypopos verwendet. Und kommt noch heute vielfältigst in der Kosmetikindustrie zum Einsatz.
Alles andere als ein Wunder also, dass so ein rohes Stück Speckstein derart angenehm in der Hand liegt. Weswegen in der Kunsttherapie sehr gerne mit ihm gearbeitet wird. »Selbst sich knallhart gebende Kerle können beim Werkeln mit Speckstein weich werden«, lacht die gelernte Keramikmalerin.
In einer Reha-Klinik hat sie den Werkstoff kennen gelernt. »Ich hatte an meinem ersten Stein angefangen und es war toll, dass man sich nicht nur Zeit lassen konnte, sondern sogar sollte. Irgendwann habe ich gesehen, das sieht aus wie ein Daumen.«
So entstand eine Hand aus ihrem ersten Stein. Und sie merkte, was für ein Ventil es für sie sei, erzählt Manuela Kienzle, wie viel Spaß ihr das Werkeln mit dem unter anderem auch Steatit oder Seifenstein genannten Material mache. Das gibt es – je nach Talk-Anteil – in den unterschiedlichsten Härtegraden.
»Den hier kann man mit dem Fingernagel einritzen«, demonstriert die 49-Jährige und hebt einen entsprechend empfindlichen Stein in die Höhe, »wenn der auf den Boden fällt, dann kann er zerbrechen. Oder das, was man daraus gemacht hat.« Manche Specksteinsorten seien gar so weich, dass sie förmlich in der Hand zerbröseln, meint sie und greift nach dem nächsten Brocken. Der ist hart. Und zwar dermaßen, dass sie mit einem Steinbohrer an ihm scheiterte.
Enorme Vielfalt
»Durch vieles, vieles Herumprobieren habe ich für mich fünf Sorten entdeckt, wo ich sage, die sind gut geeignet: Die sind nicht zu hart und nicht zu weich«, erzählt die Oberharmersbacherin, die vor kurzem nach Fischerbach gezogen ist, ihre Werkelstatt aber noch immer in Oberharmersbach hat. Und für die es wie Weihnachten und Ostern zusammen ist, wenn sie sich im Künstlerbedarf mit Rohmaterial eindeckt. Sich dieses per Internet zuschicken zu lassen, kommt für sie nicht in Frage: »Ich muss jedes Teil selbst in die Hand nehmen und einfach gucken.« Zumal sie sich »da drin baden« könne, wenn sie vor den Paletten voller Steinen stehe.
Zu Hause dann zerschlägt sie die zig kiloweise eingekauften Brocken mit dem Vorschlaghammer in Stücke verschiedenster Größe. »Man kann die Steine auch zersägen, doch das ist manipuliert. Wenn man aber draufhaut, dann brechen die Steine so auseinander, wie sie eigentlich möchten. Das finde ich viel spannender.«
So ein Bruchstück – egal ob klein oder groß – das nimmt Manuela Kienzle dann in die Hand und dreht es und versucht zu sehen, was daraus werden will, was in ihm drin steckt. »Was man in ihm entdeckt, das ist das Schöne. Ich gucke, dass ich die Form eines Steines unterstreiche, statt ihm etwas aufzuzwingen, was ich mir als Objekt vielleicht vorgenommen habe. Genau das mache auch ein Stück der Kreativität aus, die sie bei Kindern »herauszukitzeln« versuche, wenn sie mit ihnen während des Ferienprogramms zusammenarbeite.«
Nicht von ungefähr komme das Wort »be-greifen«, meint die »Hand-Arbeiterin«. Und findet es toll, dass es die Steine in so unterschiedlichen Farben gibt. Sie zeigt auf einige braune Steine. Die stammen aus Brasilien. Andere für künstlerische Bearbeitung geeignete Sorten kommen beispielsweise aus China oder Afrika. Vor allem in braunschwarz, grün, anthrazit, grau, beige sowie in verschiedensten Weiß- oder Rosé-Tönen gibt es sie.
»Der zum Beispiel, der ist total spannend«, hält Manuela Kienzle ein zunächst durchaus unscheinbar wirkendes, weißes Bruchstück mit Einschlüssen in bräunlichen und grauen Farbverläufen in die Höhe. »Den habe ich mir extra auf die Seite gelegt, weil ich weiß, dass da irgendwann mal was Besonderes draus werden wird.«
»Bildhauern im Turbogang«
Überdies wartet Speckstein nicht nur mit sogenannt massiger, sondern auch mit schiefriger Struktur auf, wie die Kunsthandwerklerin anhand eines grünen Exemplars erklärt: »Der ist wie Blätterkrokant«, meint sie, »der bricht gern in Schichten auseinander, das muss man beim Bearbeiten beachten.«
Mit Raspel und Feile bringt sie das mineralische Material in Form. Oftmals bewusst zum Teil naturbelassen. Noch spannender jedoch findet sie das anschließende Nass-Schmirgeln, handhabt dabei Sandpapier in immer feinerer Körnung. Denn: Je glatter die Oberfläche dabei wird, desto intensiver kommen vorher so nicht sichtbare Farbe und Maserung des jeweiligen Specksteins zur Geltung. »Im Prinzip ist das wie Bildhauern im Turbogang«, meint die Mutter erwachsener Sprösslinge: »Und genau das macht auch die Faszination für Kinder aus.«